Farbenechtheit [1]

[615] Farbenechtheit, die Widerstandsfähigkeit der auf der Gespinstfaser erzeugten Farben gegenüber den bei der Verwendung des gefärbten Fasermaterials in Betracht kommenden mannigfaltigen Einflüssen.

Da es keine Farbe gibt, die allen denkbaren Einwirkungen widersteht, anderseits das Fasermaterial teils starker, teils geringer Beanspruchung unterliegt, so ist der Begriff der Echtheit einer Farbe bedingt und abhängig von den Einflüssen, denen die Färbung ausgesetzt ist. Die Tragechtheit eines Kleidungsstückes ist insofern eine ziemlich umfassende, als man darunter die Widerstandsfähigkeit der Färbung desselben gegen Licht, Luft, gegen Reiben, das zuweilen die Farbe von der Faser entfernt, sie abrußen oder abschmutzen läßt, gegen Wasser, Wäsche (Seife), gegen Säuren und Alkalien versteht. Infolge des Schwefelgehaltes der Kohlen enthält die Luft vieler Städte Schwefligsäure und Schwefelsäure, welch erstere durch ihre reduzierenden und sauren Eigenschaften, letztere nur durch ihre sauren verändernd wirken kann. – Schwefelechtheit, d.h. Beständigkeit gegen Schwefligsäure, wird von solchen gefärbten Wollgarnen verlangt, die mit weißen, im Stück zu bleichenden Wollgarnen verwebt werden. Eine besondere Art der Säureechtheit ist die Schweißechtheit, der Ausdruck der Beständigkeit der Färbung gegen den freie organische Säuren enthaltenden menschlichen Schweiß. Unter Alkaliechtheit versteht man die Widerstandsfähigkeit gegen Alkalikarbonate und insbesondere gegen die Einwirkung des alkalischen Straßenschmutzes; unter Wetterechtheit diejenige gegen die Witterung (Licht, Luft, Feuchtigkeit). Als Dampfechtheit, Dekatierechtheit und Bügelechtheit bezeichnet man die Beständigkeit des Farbstoffes auf der gefärbten Faser bei Stoffen, die gedämpft, heiß gepreßt oder gebügelt werden. Walkechtheit wird von gefärbter loser Wolle verlangt, die zu Tuchen verarbeitet wird. Die Färbung muß dem Kneten mit konzentrierten, zuweilen stark alkalischen Seifenlaugen zu widerstehen vermögen. Farben auf baumwollenem und leinenem Fasermaterial sollen möglichst der Einwirkung schwacher Chlorkalklösung gegenüber unempfindlich sein, Chlorechtheit zeigen. Die für den Färber und Farbenfabrikanten sehr wichtige Prüfung der Farben auf ihre Echtheit kann in nachstehender Weise vorgenommen werden:

Licht-, Luft- und Wetterechtheit. Man befestigt die gefärbten Proben auf einem Holzbrett oder auf Pappdeckel, bedeckt sie zur Hälfte lichtdicht (etwa unter Benutzung eines Kopierrahmens) und setzt sie vor einem nach Südwest gelegenen Fenster der Einwirkung der Witterung aus. Gleichzeitig exponiert man in derselben Weise solche Färbungen, die demselben Zweck dienten und die auf derselben Faser dieselbe Intensität besitzen. Von Zeit zu Zeit stellt man unter Berücksichtigung der verflossenen Zeit und der während derselben herrschenden Witterungsverhältnisse die eingetretene Veränderung fest (s. Belichtung der Farben). – Reibechtheit. Man reibt mit einem weißen, unappretierten Baumwollstoffstück unter Druck mehrfach über dieselbe Stelle der gefärbten Probe und überzeugt sich, ob der weiße Stoff mehr oder weniger beschmutzt ist oder nicht. Dieselbe Prozedur nimmt man mit der für die gleiche Verwendung als brauchbar anerkannten Färbung vor. – Wasserechtheit. Man flicht das gefärbte Garn mit ungefärbtem zusammen oder überdeckt das gefärbte Stoffstück mit gleichartigem ungefärbtem und läßt es über Nacht in destilliertem Wasser liegen. Letzteres darf nicht oder nur schwach gefärbt, das weiße Garn oder Stoffstück muß unverändert weiß bleiben. – Wasch- und Seifenechtheit. Man flicht gefärbtes mit weißem Garn zusammen oder mischt gefärbte unversponnene Baumwolle für Halbwollgespinst mit weißer Wolle mittels Handkratzen. Die Proben werden in einer 50° C. warmen Lösung von 5 g neutraler Seife in 1 l destilliertem Wasser 5 Minuten gut durchgedrückt, darauf 15 Minuten darin liegen gelassen, dann gespült, 15 Minuten im Spülwasser gelassen, ausgerungen und getrocknet. Die weiße Probe soll nicht angefärbt, die gefärbte in der Nuance nicht erheblich verändert sein. – Walkechtheit. Baumwollfärbungen prüft man wie auf Waschechtheit, nur verwendet man für neutrale Walke 5 g neutrale Seife und 10 g Walkerde, für alkalische Walke 10 g Schmierfette für 1 l Wasser und knetet und reibt die Proben. Gefärbte Wollgarne werden nach dem Spülen und Trocknen mit der doppelten Menge weißem reinem Wollgarn (bezw. Baumwollgarn) zusammengeflochten und in einer 50° C. warmen Lösung von 5 g neutraler Seife und 1 g calcinierter Soda in 1 l Wasser 10 Minuten lang kräftig geknetet und gerieben, darauf 10 Minuten hindurch in der Lauge liegen gelassen, in reinem Wasser gespült und getrocknet. Ist die weiße Faser nicht angefärbt und hat sich die Färbung nur unbedeutend verändert, so kann sie als ziemlich waschecht bezeichnet werden. Es ist jedoch oft vorteilhaft, eine Nachprüfung durch eine Fabrikwalke folgen zu lassen. – Alkaliechtheit. Diese Prüfung bezieht sich namentlich auf die Widerstandsfähigkeit von Wollfärbungen gegen den alkalischen Straßenschmutz und Staub. Man legt eine Probe während 5 Minuten in konzentriertes Ammoniak und beobachtet den Farbenton derselben im nassen und trockenen Zustande oder man betupft sie mit 10 prozentiger Sodalösung, die man darauf eintrocknen läßt, dann spült man, trocknet und beobachtet die eventuelle Veränderung an der betupften Stelle. – Schweißechtheit. Die Wirkung des organische Säuren enthaltenden Schweißes prüft man, indem man eine Probe, in der Achselhöhle des Rockes oder auf der Sohle des Strumpfes befestigt, bei anstrengendem längerem Marsche trägt. Bei nachfolgendem Vergleich[615] mit einem Gegenmutter darf keine erhebliche Veränderung der Färbung konstatierbar sein. – Säureechtheit. Man prüft gefärbte Wolle auf Dauerhaftigkeit der Färbung beim Karbonisieren, indem man sie mit Schwefelsäure von 4° Bé tränkt, abwindet oder -preßt, zwischen weißem Wollstoff bei 90° C. während 2 Stunden trocknet, in Wasser gründlich spült und trocknet. Nach letzterer Operation muß sie noch die ursprüngliche Färbung zeigen. Baumwollfärbungen prüft man durch viertelstündiges Einlegen einer Probe in Essigsäure von 8° Bé, einer andern Probe in Salzsäure von 3° Bé, worauf man sie spült und trocknet. – Schwefelechtheit. Man hängt die durchfeuchtete gefärbte Wollprobe in einen mit Stopfen dicht verschließbaren Glaszylinder, auf dessen Boden sich ein Porzellanschälchen mit Schwefel befindet, den man kurz vor dem Einhängen der Probe entzündet, oder einige Stücke Natriumsulfit, die man mit verdünnter Schwefelsäure übergießt. Die Probe bleibt 12 Stunden lang in dem Schwefligsäuregas, wird dann gespült und getrocknet. – Chlorechtheit. Man tränkt die gefärbte Baumwolle mit einer mit 5 Teilen Wasser verdünnten klaren Chlorkalklösung von 5° Bé, windet oder preßt ab und trocknet die Probe auf einer Dampfplatte oder bei ca. 100° C. Farben, die diese Behandlung vertragen, sind als sehr chlorecht zu betrachten. – Bügel- und Dekatierechtheit. Man fährt auf der auf einer weichen Unterlage liegenden gefärbten Probe mit einem heißen Bügeleisen hin und her. Die Färbung darf sich nicht verändern oder muß nach kurzem Liegen an der Luft ihren ursprünglichen Ton wiedererlangen. Auf Dekatierechtheit prüft man am rationellsten durch Einlegen einer Probe zwischen die Lagen eines im großen zu dämpfenden Stückes. Hierbei muß die Farbe unverändert bleiben.


Literatur: Knecht, Rawson u. Löwenthal, Handbuch der Färberei der Spinnfasern, Berlin 1900/1901; Lange, Lehnes Färberzeitung 1903, 269, 286.

R. Möhlau.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 615-616.
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