Ferngeschütz

[190] Ferngeschütz, eine Kruppsche Konstruktion, welche das deutsche Westheer im Frühjahr 1918 zur Fernbeschießung von Paris verwendete.

Die mögliche größte Schußweite von 130 km stellte etwas völlig Neues dar und hatte zahlreiche ballistische Erörterungen zur Folge. Das Geschoß ersteigt Höhen bis zu 40 km. Derartige Flugbahnen weisen Eigenschaften auf, welche zum Teil recht verschieden sind von denen der gewöhnlichen Geschoßbahnen. Denn schon in 5 km Höhe beträgt die Luftdichte nur noch etwa die Hälfte derjenigen am Erdboden, und bei 10 km Flughöhe erfährt das Geschoß wahrscheinlich kaum noch eine Verzögerung durch den Luftwiderstand; in sehr großen Höhen tritt auch eine Verminderung des Schwerkraftpotentials ein. Die Firma hält die Einrichtungen des Geschützes geheim. Vermutlich (nach Pressenachrichten) hatte das Rohr 21–24 cm Kaliber, etwa 100 Kaliber Länge, war aus mehreren Teilen zusammengesetzt und, um ein Durchbiegen zu verhindern, in einer kranartigen Vorrichtung aufgehängt. Um möglichst wenig Geschwindigkeit durch Reibung im Rohr zu verlieren, wird das Rohrinnere nur zum Teil gezogen gewesen sein. Das Geschoß, um es ballistisch möglichst günstig auszugestalten, wird eine sehr schlanke Spitze und den Schwerpunkt möglichst weit vorn gehabt haben; das Geschoßende war wohl verjüngt. Die Anfangsgeschwindigkeit soll etwa 1500 m/Sek., die größte Steighöhe des Geschosses 38 bis 40 km, die Geschwindigkeit im Scheitelpunkt noch etwa 500 m/Sek. und die Gesamtflugzeit über 180 Sekunden betragen haben.

F. Wille.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 190.
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