Gleiskreuzung

[567] Gleiskreuzung, die Durchschneidung zweier Eisenbahngleise in einer Ebene, wie sie namentlich auf Bahnhöfen bei Herstellung der notwendigen Gleisverbindungen häufig vorkommt, auf freier Strecke dagegen, wenigstens bei Hauptbahnen mit größeren Geschwindigkeiten, wegen der damit verbundenen Gefahr möglichst vermieden und durch Ueberbrückung ersetzt werden sollte.

Die Gleiskreuzung besteht bei schrägem Winkel aus zwei Herzstücken (s.d.) am spitzen und zwei Kreuzstücken (oder Doppelherzstücken) am stumpfen Winkel der Schienenleitkanten nebst Zubehör an Flügelschienen (Fig. 1, F) und Zwangschienen (Z), welche die Unterstützung (F) und Führung (Z) des Rades da zu ersetzen haben, wo die Fahrschiene wegen des Durchganges der Spurkränze (Spurkranzrille oder Spurrille) unterbrochen werden muß (s. Herzstück). Bei rechtem Winkel der Durchschneidung werden Herz- und Kreuzstück einander gleich und die Unterbrechungen am kürzesten; jedoch kann alsdann die Unterstützung (und Führung) des Rades nicht ersetzt werden; es muß deshalb bei ganz oder nahezu rechtem Winkel, sofern kein Stoß erfolgen soll, für den Spurkranz am Grunde zwischen Fahr- und Flügelschiene ein sanfter Auf- und Ablauf hergestellt werden. In dem Kreuzstück entsteht bei spitzem Winkel α eine längere führungslose Stelle, indem hier die gegenüberliegende Zwangschiene (Radlenker) bis zu ihrer eignen Richtungsänderung die lange Unterbrechung der Schienenleitkante nur teilweise zu decken vermag. Aus der (der Deutlichkeit wegen verzerrten) Fig. 2 ergibt sich nämlich[567] die Länge der führungslosen Stelle zu b ca ca b = e : sin αs1 tg α/2, wobei α den Kreuzungswinkel, e die notwendige Breite der Spurkranzrille, s1 die um die Zwangsrillenbreite ε verminderte Spurweite bezeichnet. Diese Länge wird positiv, sobald e : sin α > s1 tg α/2 oder sin α · tg α/2 < e/s1, d.h.


Gleiskreuzung

wird. Bei den für Vollspurbahn üblichen Abmessungen ergibt das für den Grenzwert:


Gleiskreuzung

oder etwa α = 15° 16'.

Bei den auf Bahnhöfen vorwiegend üblichen Kreuzungswinkeln von 1 : 9 bis 1 : 10 ergibt sich so die führungslose Stelle rechnungsmäßig bereits zu 300–400 mm; sie wird aber noch vergrößert durch den Umstand, daß die schlank zugespitzte Fahrschiene, von unten aufzeigend, erst allmählich die erforderliche Stärke gewinnt, um wirklich den Spurkranz führen zu können. Bis dahin muß also allein die lebendige Kraft der Bewegung die Führung durch den Spurkranz ersetzen. Wenn in diesem Augenblick die übergehende Achse aus irgend einem Grunde (z.B. bei Stauchung eines gedrückten Zuges) einen Seitenstoß erhält, so liegt die Gefahr der Entgleisung sehr nahe. Hierin liegt die Gefährlichkeit der Kreuzungen, und es geht daraus hervor, daß solche nur in gerader Linie ausgeführt werden, in Hauptgleisen aber nach Möglichkeit vermieden werden sollten. Wie das auch bei Trennungs- und Kreuzungsbahnhöfen recht wohl möglich ist, findet sich im Art. Bahnhöfe dargelegt. – Häufig findet man die Gleiskreuzungen mit zwei oder vier Weichen zu ein- oder beiderseitigen Kreuzungsweichen (s.d.) verbunden, wobei die vier Teile der Gleiskreuzung an sich nicht geändert werden. Die Notwendigkeit der Einfügung solcher Anordnungen in die sonstigen Gleisverbindungen ohne lästige Gegenkrümmungen hat dazu geführt, die Winkel der Gleiskreuzungen allgemein den bei derselben Verwaltung üblichen Weichenwinkeln gleich zu machen. Auf den preußischen Staatsbahnen wird daher auch für die Weichen gegenwärtig der Heitere, jedoch die Ausführung der Kreuzungsweiche eben noch ermöglichende Winkel 1 : 9 (gegenüber dem früher mehr gebräuchlichen von 1 : 10) bevorzugt, um die führungslose Stelle bei den Kreuzungen zu beschränken, zugleich aber auch, um an Gleislänge zu sparen. Dabei wird aber das Durchfahren des scharf gekrümmten Weichenstranges durch schnelle Züge nach Möglichkeit vermieden.

Goering.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 567-568.
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