Halbwollfärberei

[761] Halbwollfärberei, die Färberei von Geweben aus Wolle und Baumwolle.

Um ein aus Wolle und Baumwolle bestehendes Gewebe gefärbt erscheinen zu lassen, kann man sich verschiedener Methoden bedienen. Man kann die Baumwolle als Garn färben, sie mit der Wolle verweben und nun die Wolle im Stück färben; man kann die Baumwolle mit Gerbsäure beizen, sie mit Wolle verweben und beide Fasern im Stück färben; man kann im Stück zuerst die Wolle, dann die Baumwolle oder umgekehrt erst die Baumwolle und dann die Wolle färben; man kann endlich beide Fasern im Stück zugleich färben.

Die dritte Methode findet sich vielfach in Anwendung. Zuerst wird die Wolle nach üblichem Verfahren gefärbt und das Gewebe gewaschen. Die Baumwolle erscheint nach dieser Behandlung nur wenig getönt. Nun wird die Baumwolle in kalten Bädern mit Gerbsäure gebeizt und letztere durch ein Antimonsalz, Zinnchlorid oder Eisenvitriol in besonderem Bade befestigt. Das Ausfärben der Baumwolle in der Lösung eines basischen Farbstoffes geschieht zur Schonung der Wolle gleichfalls bei gewöhnlicher Temperatur. Indessen beobachtet man, daß letztere noch etwas Farbstoff anzieht. Diesen Umstand berücksichtigt man in der Weise, daß man die Wolle in einem etwas helleren Tone färbt, als der gewünschten Nuance entspricht. Da die Wolle zur Gerbsäure nur geringe Affinität besitzt, so kann man im Gewebe auch zuerst die Baumwolle mit Tannin beizen, letzteres fixieren und dann Baumwolle und Wolle zusammen in der Lösung eines basischen Farbstoffes färben. Erst bei gewöhnlicher Temperatur, dann durch gelinde Erwärmung des Bades erfolgt zunächst die Färbung der Baumwolle, durch Steigerung der Temperatur bis zur Kochhitze dann diejenige der Wolle. Man vermeidet auf diese Weise, daß der Ton der Wollfärbung durch das nachträgliche Beizen und Färben der Baumwolle verändert wird. Immerhin ist zu berücksichtigen, daß die Zahl der für dieses Verfahren sich eignenden basischen Farbstoffe eine relativ geringe ist.

Eine große Vereinfachung in der Färberei der Halbwolle ist durch die Einführung solcher direkter Baumwollfarbstoffe erfolgt, die zugleich vorzügliche Wollfarbstoffe sind und die die Halbwolle in den gebräuchlichsten Nuancen in einem Bade zu färben erlauben.

Die Färbung vollzieht sich am besten im neutralen Bade, dem man für das Liter Flotte 20 g Glaubersalz zusetzt. Die Menge der Farbflotte soll nicht mehr als 20 l Flotte für das Kilogramm Halbwolle betragen; je konzentrierter die Flotte ist, um so intensiver fallen die Färbungen aus. Da in kochendem Bade die Wolle, bei niedrigerer Temperatur jedoch die Baumwolle sich intensiver anfärbt, so verfährt man zweckmäßig in der Weise, daß man das Färbebad innerhalb einer halben Stunde zum Sieden treibt, eine kurze Zeit kochen läßt und mustert. Erscheint die Wolle genügend angefärbt, aber nicht genau nuanciert, so gibt man dem Bade die für die Wolle sich eignenden Nuancierungsprodukte (im neutralen Bade aufziehende Säurefarbstoffe) hinzu und läßt das Gewebe noch eine halbe Stunde auf dem Haspel laufen. Ist die Wolle genügend gefärbt, hat aber die Baumwolle noch nicht den Ton erreicht, so läßt man bei abgesperrtem Dampf die Ware noch so lange nachziehen, bis die Baumwolle gleichfalls die richtige Nuance zeigt. Hierzu ist unter Umständen ein weiterer Farbstoffzusatz erforderlich. Nach dem Färben[761] wird, wenn die Ware weich sein soll, gut gewaschen. Wird ein harter Griff gewünscht, so ist eine leichte Wäsche vorzuziehen.


Literatur: [1] Herzfeld, Die Praxis der Färberei, Berlin 1893. – [2] Kertesz, Die Diaminfarben der Farbenfabrik L. Cassella & Co., Frankfurt a.M. 1895/96. – [3] Ganswindt, Theorie und Praxis der modernen Färberei, Leipzig 1903.

R. Möhlau.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 761-762.
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