Gerbsäure

[400] Gerbsäure (Gallusgerbsäure, Tannin, Digallussäure, Acidum tannicum) C14H10O9 + 2H2O gehört zu der im Pflanzenreiche weitverbreiteten Gruppe der Gerbstoffe. Diese sind in Wasser lösliche, herb-zusammenziehend schmeckende Substanzen, die mit Eisenoxydulsalzen dunkelblau oder grün gefärbte Lösungen geben, Leimlösung fällen und mit tierischen Häuten Verbindungen eingehen; vgl. Leder.

Ihrer chemischen Konstruktion nach scheinen einige dieser Säuren, wie z.B. die Kaffeegerbsäure, Glykoside (s.d.) der Gallussäure zu sein, da sie beim Kochen mit verdünnten Säuren in diese Säure und Traubenzucker zerfallen; andre liefern bei dieser Spaltung statt Traubenzucker Phloroglucin. Je nach ihrer Herkunft unterscheidet man eine ganze Reihe von Gerbsäuren, die auch durch ihre Zusammensetzung voneinander verschieden sind, wie die Kino-, Katechu-, Moringagerbsäure oder Maclurin, Kaffee-, Eichen-, Chinagerbsäure, Dividivi oder Libidibi, Algarobilla, Canaigre u.s.w. Ueber die Anwendung und Wirkungsweise derselben s. Gerbstoffe und Leder. In der Gallusgerbsäure sind Gallussäureanhydride enthalten, ihre chemische Natur ist noch nicht aufgeklärt. Die Anschauung von Schiff, daß Gallusgerbsäure aus Digallussäure im wesentlichen bestehe, ist nach den neueren Untersuchungen von Walden nicht haltbar. Digallussäure ist eine der Gallusgerbsäure sehr ähnliche Verbindung; sie entsteht beim Erhitzen von Gallussäure (s.d.) mit Phosphoroxychlorid. Die Gerbsäure findet sich in großer Menge in den Galläpfeln (s.d.), ferner im Sumach, im Tee, und ist eine farblose oder schwachgelbliche, glänzende, amorphe Masse, die leicht löslich in Wasser, wenig löslich in Alkohol und in Aether fast unlöslich, ist, am Licht gelb bis braun werdend. Aus der wässerigen, sauer reagierenden Lösung wird sie durch Kochsalz und viele andre Salze sowie durch Leimlösung gefällt und der wässerigen Lösung durch die tierische Haut vollständig entzogen. Mit Eisenchlorid entsteht eine dunkelblau gefärbte Lösung. Die Gerbsäure ist eine schwache Säure, die Karbonate zerlegt; jedoch sind Salze von konstanter Zusammensetzung nur schwierig zu erhalten. Alle Salze sind amorph. Beim Kochen mit verdünnten Säuren liefert die reine Säure unter Aufnahme von 1 Molekül Wasser 2 Moleküle Gallussäure. Man gewinnt das Tannin am leichtesten aus den Galläpfeln, die dasselbe bis zu 70% enthalten. Diese werden sein gepulvert und mit einem Gemisch von Wasser, Alkohol und Aether in bestimmten Verhältnissen ausgezogen. Die erhaltene Lösung trennt sich in zwei Schichten, von denen die untere, wässerige die Gerbsäure enthält. Die durch Verdunsten der getrennten wässerigen Lösung gewonnene Säure wird dann zu ihrer Reinigung mehrere Male in Wasser aufgenommen und mit Kochsalz gefällt. Künstlich entsteht sie aus Gallussäure durch Oxydation mit Silbernitrat, durch Erhitzen mit Phosphoroxychlorid oder durch Kochen mit Arsensäure. Die Gerbsäure findet eine ausgedehnte Anwendung in der Medizin, in der Färberei, zur Darstellung von Gallussäure und Pyrogallol; sie ist das Rohmaterial für die Fabrikation von Tinte (s.d.), dagegen ist sie als Gerbmittel für Leder ungeeignet. Das damit hergestellte Leder zeigt einen »leeren Griff« und ist unhaltbar.


Literatur: Beilstein, Handb. der organischen Chemie, 2. Aufl., Bd. 2, S. 1219–1221, Hamburg und Leipzig 1888; Fischer, F., Handb. der chemischen Technologie, S. 1078–1081, Leipzig 1893; Schmidt, Pharm. Chemie, org. Teil., Braunschweig 1901.

Bujard.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 400.
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