Normalbreite der Flüsse

[660] Normalbreite der Flüsse, Normalprofilbreite, jene Breite des Wasserspiegels, bei welcher eine derart regelmäßige Abführung der Flußwassermenge stattfindet, daß das Bett und namentlich die Wassertiefe lieh zu einer entsprechenden Größe ausbildet bezw. sich dauernd in dem gewünschten Maße erhält.

Die vollständige und richtige Gestaltung des den gedachten Anforderungen genügenden Flußbettes wird durch das Normalprofil (Normalquerprofil) gegeben [5]; die Normalbreite allein m hiervon nur ein Teil, und zwar der auffallendste und unmittelbar sichtbare, weswegen vielfach statt des Normalprofils schlechthin nur die zugehörige Normalbreite genannt wird. Da jeder andern Wassermenge und sonach auch jedem Wasserstande ein andrer Wasserquerschnitt zukommt, so entspricht im allgemeinen auch jedem Wasserstande eine besondere Normalbreite.

Bei schiffbaren Flüssen ist vorzugsweise für das sonst nicht eine hinreichende Fahrtiefe gewährende Niederwasser oder für den Sommerwasserstand, bei Flüssen mit beweglicher Sohle und starker Geschiebs- bezw. Sinkstofführung aber für das Hochwasser die Normalbreite von Wichtigkeit. Wenn die beiden genannten Umstände zusammentreffen, so kommen auch beide Normalbreiten an demselben Flusse in Betracht, so daß dann außer von der gewöhnlichen Flußregulierung (s.d. und Gebirgsflußregulierung) oder Hochwasserregulierung auch noch besonders von der Niederwasserregulierung [2]–[4] die Rede ist. Hinsichtlich der Hochwasserregulierung gibt es namentlich an Flüssen im Flachlande, die verhältnismäßig wenig in den Boden eingeschnitten sind, außer der gewöhnlichen Normalbreite, der passenden Entfernung der eigentlichen Uferlinien des unter der umliegenden Bodenfläche liegenden Bettes, des Haupt- oder Mittelbettes (s. Querprofil der Flüsse) noch eine Normalbreite für das größte Hochwasser, welche durch die Entfernung der Deiche bedingt ist; s. Flußdeiche, Fig. 2.

Die Herstellung einer Normalbreite bedeutet in der Regel eine Einschränkung der vorkommenden bezüglichen Wasserspiegelbreite. Hierdurch wird die betreffende Wassermenge Q enger zusammengehalten und so, wenn das relative Gefälle α im allgemeinen ungeändert bleibt, einerseits eine größere Wassertiefe t erreicht, die der Schiffahrt dienlich sein kann, anderseits aber auch eine größere Strömungsgeschwindigkeit v, welche die Sinkstoffe (s.d.) weitertreiben soll; im letzteren Falle wird eine Verflachung des Flußbetts infolge allfälliger Sinkstoffablagerung verhütet und zuweilen, bei genügend großem v, noch ein Aufwühlen und Abschwemmen des früher abgelagerten Materials und somit eine Vertiefung des Bettes in den Boden hinein bewirkt. Für eine Gruppe von drei Größen, wie Q, α und t oder Q, α und v, läßt sich dann das zugehörige Normalprofil, also auch die entsprechende Normalbreite B berechnen (s. Querprofil der Flüsse). Eine Niederwasserregulierung mit einem behufs Schiffbarkeit vorgeschriebenen t wird bei ziemlich kleinem Q und dabei verhältnismäßig großem α nicht stets möglich sein, da dann ein B aus der Rechnung folgen kann, welches kleiner ist als die nötige Schiffahrtsbreite. In ähnlicher Weise ist die Regulierung nicht zur Erreichung eines beliebig großen Wertes von v möglich, sondern nur bis zu einer gewissen größten (mittleren) Geschwindigkeit v, welche äußerstenfalls eben noch den gegebenen Q und α zukommt.


Literatur: [1] Franzius, Der Wasserbau, 3. Aufl., Leipzig 1897, S. 176. – [2] Zeitschr. d. Oesterr. Ingen.- u. Arch.-Ver. 1891, S. 86. – [3] Zentralbl. d. Bauverwalt. 1893, S. 1, 57, 191. [4] Oesterr. Monatsschr. s.d. öffentl. Baudienst 1896, S. 103. – [5] Handbuch der Ingenieurwissenschaften, 3. Teil, Bd. 6, Leipzig 1907, S. 17; 4. Berechnung der Normalprofile und Normalbreiten.


Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 660.
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