Torpedoarmierung

[572] Torpedoarmierung eines Schiffes umfaßt alle Apparate und Einrichtungen, welche dazu dienen, vorzugsweise Whiteheadtorpedos an Bord zu lagern und zu transportieren, gefechtsbereit zu machen und zu lanzieren.

Die wichtigsten Teile sind die Rohre bezw. Kanonen zum Lanzieren oder Ausstoßen der Torpedos, die Luftkompressionspumpen nebst Luftsammlern zur Erzeugung der komprimierten Luft sowie die Zielapparate und Kommandoelemente zum Einstellen der Torpedorohre. Je nach der Lage des Lanzierrohrs über oder unterhalb der Schwimmebene des Schiffes unterscheidet man Ueberwasser- und Unterwasserrohre. Erstere sind meist auf den kleineren Kriegsschiffen,[572] Torpedofahrzeugen und Avisos in Gebrauch; sie werden entweder im Schiffskörper fest eingebaut, Bug- und Heckrohr, oder zum Einstellen mit Seitenrichtung in der Breitseite aufgestellt. In letzterem Falle sind sie entweder auf dem Oberdeck auf einem Mittelpivot mit Schwenkbahn montiert oder unter dem Oberdeck an Laufschienen aufgehängt und an der Bordwand zum wasserdichten Abschluß mit einem Kugelgelenk versehen. Die Ueberwasserrohre besitzen nach außen eine löffelförmige Verlängerung, damit der Torpedo mittels der T-förmigen Hängewarze, welche über dem Schwerpunkt des Torpedos angebracht ist, so lange im Rohre geführt wird, bis er horizontal frei herabfallen kann. Da die Ueberwasserrohre durch die Geschosse feindlicher Schnellfeuerkanonen leicht zerstört bezw. der zum Lanzieren fertige Torpedo zur Explosion gebracht werden kann, suchte man die Rohre mit leichtem Panzerschutz zu versehen. Neuerdings zieht man es vor, auf Panzerschiffen und auf Kreuzern nur Unterwasserrohre zu verwenden; sie werden teilweise im Bug, teilweise in der Breitseite eingebaut. Das Unterwasserbugrohr soll in der Hauptsache den Rammstoß ersetzen, welcher für das eigne Schiff meist mit erheblichen Havarien verknüpft ist; es wird stets fest eingebaut und so weit zurückgelagert, daß es beim Rammen keinen Schaden erleidet. Die Unterwasserbreitseitrohre sind teils fest eingebaut, teils zum Schwenken eingerichtet und in ihrer Bauart sehr kompliziert und schwer. Da der Torpedo, sobald er aus dem Breitseitrohr heraustritt, von den an der Schiffswand entlang gleitenden Wasserfäden abgelenkt wird, so muß er eine feste Führung erhalten, bis das Schwanzende des Torpedos frei von der Schiffswand ist. Zu diesem Zweck werden, wenn der Torpedo in das Rohr eingebracht ist, entweder starke Führungsstangen oder ein entsprechend gebautes Rohr mittels besonderer Luftmaschine aus dem Schiffsrumpf hinausgeschoben, und der Torpedo wird beim Lanzieren an den Führungsstangen bezw. dem Rohre so lange geführt, bis er frei von der Schiffswand ist. Auf diese Weise wird es ermöglicht, daß der Torpedo das Rohr in der Zielrichtung verläßt und von seinem Kurs nur unbedeutend abgelenkt wird. Das Einrennen der Führungsstangen bezw. des Rohrs nach dem Schuß erfolgt teilweise automatisch. Die Unterwasserrohre besitzen nach außenbords besondere Schleusenschieber, welche beim Einführen des Torpedos geschlossen sind. Das im Rohr befindliche Wasser wird vor dem Laden durch ein Entwässerungsrohr nach der Bilge oder der Drainageeinrichtung entfernt. Ein Lanzieren des Torpedos kann durch eine besondere Verblockung der Abzugsstange nur dann erfolgen, wenn die Schleuse wieder geöffnet ist. Das Ausstoßen des Torpedos erfolgt entweder durch komprimierte Luft oder durch Pulverpatronen; letztere finden vorzugsweise bei den Ueberwasserrohren Verwendung. Zur Erzeugung der komprimierten Luft zum Auffüllen der Torpedos, zum Lanzieren derselben sowie zum Betrieb sonstiger Hilfsmaschinen dienen Luftkompressionspumpen mit Wasserkühlung von Brotherhood, Whitehead, Thirion u.a.; dieselben erzeugen einen Luftdruck von 120–150 Atmosphären. Die Luftsammler, bestehend aus stählernen Mannesmannrohren, bilden einen Akkumulator, um den Luftdruck auszugleichen. Der Howelltorpedo erfordert zum Antrieb des Schwungrades eine Dampfturbine. – Die Torpedozielstellen, von welchen aus die Ueber- und Unterwasserrohre eingestellt und abgezogen werden, erfordern ein freies Gesichtsfeld und sind demnach in den oberen Decks eingerichtet. Finden sie in den Kommandotürmen keinen Platz, so werden sie mit leichtem Panzer geschützt. Die Torpedozielstellen enthalten den Torpedozielapparat und die nötigen Kommando- und Uebertragungsapparate. Der Zielapparat ergibt beim Zielen auf das feindliche Schiff die Richtachse des Torpedorohres unter Berücksichtigung der Fahrtrichtung und der Geschwindigkeit des feindlichen Schiffes sowie der Geschwindigkeit des Torpedos, welche in dem Apparat vorher eingestellt werden müssen; er gibt daher im allgemeinen das sogenannte Abkommdreieck wieder.


Literatur: [1] Ledieu et Cadiat, Le nouveau matériel naval, Paris 1889. – [2] Sleeman, Torpedo and Torpedo Warfare, London 1889. – [3] Armstrong, Torpedoes and Torpedo Vessels, London 1901. – [4] Croneau, J., Canon, torpille, cuirasse, Paris 1904. – [5] Dredge, Modern French Artillery, London 1893. – [6] Gercke, H., Die Torpedowaffe, Berlin 1898.

T. Schwarz.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 572-573.
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