Torpedoboote

[573] Torpedoboote ältester Form waren kleine Dampfboote mit Einrichtungen für Spierentorpedos. Erst die Erfolge, welche Thornycroft mit der von ihm erbauten kleinen Dampfjacht »Miranda« errang – dieselbe lief bei einem Deplacement von 16 t 16 Seemeilen die Stunde –, führten zum Bau von kleinen Torpedobooten, welche bedeutende Geschwindigkeit – zunächst bis zu 18 Seemeilen – mit großer Manövrierfähigkeit vereinigten und infolge der geringen Abmessungen eine kleine Zielfläche für die feindlichen Geschosse bildeten. Das von Thornycroft 1878 erbaute Torpedoboot »Lightning« diente als Vorbild für die nunmehr in allen Kriegsmarinen auftretenden Torpedoboote. An Stelle der Spierentorpedos erhielten dieselben Einrichtungen zum Lanzieren von Whiteheadtorpedos, und zwar durchweg Ueberwasserrohre im Bug sowie auf dem Oberdeck.

Neben Thornycroft traten alsbald in England Yarrow, in Frankreich Normand und in Deutschland Schichau mit besonderen Torpedobootstypen in den Wettbewerb mit ein. Anfänglich begnügte man sich mit zwei Klassen von Torpedobooten: I. Klasse für die hohe See, II. Klasse für die Küsten- und Hafenverteidigung bestimmt. Letztere erreichen ein Deplacement bis zu 30 t und eine Geschwindigkeit bis zu 16 Seemeilen, und dieselben wurden in einzelnen Marinen[573] den Panzerschiffen mitgegeben. Die Torpedoboote I. Klasse entwickelten bei einem Deplacement von 80–150 t Geschwindigkeiten von 17–22 Knoten. Später wurde in Deutschland das Torpedodivisionsboot mit einem Deplacement von 180–350 t und in England die Torpedobootszerstörer in ähnlicher Größe eingeführt. Erstere bilden das Flaggschiff für eine Division von sechs Torpedobooten; letztere sind für den Angriff und die Verfolgung von Torpedobooten mit hoher Geschwindigkeit und mit Schnellfeuerkanonen ausgerüstet, neben entsprechender Torpedoarmierung. Neuerdings ist der Unterschied zwischen Torpedoboot und Zerstörer allmählich verschwunden, nachdem die Torpedoboote zur Erweiterung der Aktionsfähigkeit und Steigerung der Seefähigkeit und Geschwindigkeit bis zu 36 Knoten weit über das Deplacement der Divisionsboote gewachsen sind (bis zu 900 t) [9].

Die Torpedoboote und Torpedobootszerstörer oder Torpedojäger, englisch Destroyer, französisch Contre-torpilleur, werden als Ein- oder Zweischraubenboote gebaut; für hohe Geschwindigkeiten zieht man zwei Schrauben vor. Die Maschinen sind dreifache Expansionsmaschinen. Neuerdings hat die Dampfturbine die Kolbenmaschine fast gänzlich verdrängt. Die anfänglich allgemein gebräuchlichen Lokomotivkessel sind bei der steten Steigerung der Fahrgeschwindigkeit bis zu 30 und 36 Seemeilen pro Stunde durch die verschiedensten Arten engrohriger Wasserrohrkessel ersetzt. Um die Höchstgeschwindigkeit unabhängig zu machen von der körperlichen Kraft und Ausdauer des Heizerpersonals und die Leistung der Kessel bei längerer Forcierung zu steigern, ist man in verschiedenen Marinen von der Kohlenfeuerung zur reinen Oelfeuerung übergegangen (vgl. Schiffskessel). Um die Steuerfähigkeit zu erhöhen, besitzen alle Torpedoboote neben dem Heckruder ein Bugruder (s. Ruder). Die Torpedoboote haben durchweg nur geringen Freibord (0,8–1,5 m); das Deck ist stark gewölbt und läuft vorn vom Vorsteven bis zum Kommandoturm stark auf. Vielfach befindet sich auf dem Achterdeck ein zweiter Kommandoturm. Die Türme dienen als Kommando- und Steuerstellen sowie als Niedergänge zu den Offiziers- und Mannschaftsräumen. Die letzteren sind sehr beschränkt, da der größte Teil des Schiffsraumes von der Maschinen- und Kesselanlage nebst Kohlenbunker in Anspruch genommen wird. Die Armierung der Torpedoboote besteht außer einigen Schnellfeuer- oder Maschinenkanonen meist aus drei Ueberwasserlanzierrohren mit Pulverausstoß für Whiteheadtorpedos, und zwar ein Rohr fest im Bug und zwei auf Oberdeck zum Schwenken eingerichtet. Ueber die Bauweise der Torpedoboote s. [5].


Literatur: [1] Armstrong, Torpedoes and Torpedo Vessels, London 1901. – [2] Gercke, H., Die Torpedowaffe, Berlin 1898. – [3] Brassey, The Naval Annual, Portsmouth (jährlich). – [4] Engineering, London 1878–1908. – [5] Croneau, Construction pratique des navires de guerre, Paris 1894. – [6] Ledieu et Cadiat, Le nouveau matériel naval, Paris 1890. – [7] Ueber die Entwicklung der Torpedofahrzeuge, Mitteil. a. d. Gebiet d. Seew., Pola 1892. – [8] Nauticus, Die neueste Entwicklung der Torpedowaffe, Berlin 1907. – [9] Thornycroft, J.E., Modern Torpedoboats and Destroyers, Engineering 1908, I, S. 487.

T. Schwarz.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 573-574.
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