Das Lied von der Königin.

[281] 1. Leb', o lebe unser Gott!

Lebe grosser Herr und Gott!

Leb' als König, Sonne du!

Leb' als Königin, o Mond!

Land der Väter, lebe hoch,

Land als Lehen uns vererbt!


2. In den alten Tagen herrschte

Kunti,A1 Mutter der fünf Pândus,

In den sechsundfünfzig Reichen

Des berühmten Jambudwîpa.

Doch in unsern Tagen herrscht

Durch des Allerhöchsten Gnade

Auf dem hehren Thron von England

Unsre edle Königin,

Strahlend wie ein Kranz von Perlen,

Lieblich wie die Jasminblume.
[281]

3. Und der grosse Herr und Führer

Ihrer tapfern Siegesheere

Pflanzte auf in jedem Lande

Seiner Königin Panier,

Und, das Schwert in starker Hand,

Nahm er ein die Länder alle,

Und erobert' unser Kurgland,

Das, dem Sternenhimmel gleichend,

Voller Dörfer, voller Häuser,

Häuser, voll von schönen Kindern,

Wie ein Garten voller Blumen,

Jungen Männern, schön und stattlich

Gleich dem Blütenbaume Campak;

Strahlend wie ein Kranz von Perlen

Sind die Frau'n, die Kinder alle

Lieblich gleich der Jasminblume.

Wie das Wild im heil'gen Forste,

Wo man nie die Flinte feuert,

Also mehren sich die Herden.

Unser Land hat Reis die Fülle

Gleich dem Sand am Kâv'ristrande.

Durch die Gunst der Königin

Leiden keinen Mangel wir,

Leben alle froh und glücklich.


4. Reitend auf dem stolzen Streitross,

Zog des Heeres tapfrer Führer

Aus, die Lande zu erobern;

Sitzend auf dem Thron der Ehren,

Richtet er die Könige.

Wie das Reh, vom Blei getroffen,

Fielen vor ihm seine Feinde.

Als der Held mit starker Hand

Hingestreckt den Königstiger,A2[282]

Lebten alle Herden glücklich!

Sicher leben alle Völker

Weit und breit in den Gebieten

Unsrer edlen Königin.

Lange lebe sie und glücklich

Durch des allerhöchsten Gnade,

Schirmend unser teures Kurgland!


Fußnoten

A1 Konti oder Konti-dêvi.


A2 Tipu Sultan. Tipu bedeutet Tiger.


Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Anthologie aus der asiatischen Volkslitteratur. Weimar: Verlag von Emil Felber, 1898, S. 283.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Vögel. (Orinthes)

Die Vögel. (Orinthes)

Zwei weise Athener sind die Streitsucht in ihrer Stadt leid und wollen sich von einem Wiedehopf den Weg in die Emigration zu einem friedlichen Ort weisen lassen, doch keiner der Vorschläge findet ihr Gefallen. So entsteht die Idee eines Vogelstaates zwischen der Menschenwelt und dem Reich der Götter. Uraufgeführt während der Dionysien des Jahres 414 v. Chr. gelten »Die Vögel« aufgrund ihrer Geschlossenheit und der konsequenten Konzentration auf das Motiv der Suche nach einer besseren als dieser Welt als das kompositorisch herausragende Werk des attischen Komikers. »Eulen nach Athen tragen« und »Wolkenkuckucksheim« sind heute noch geläufige Redewendungen aus Aristophanes' Vögeln.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon