[206] 67. Der Lohn für die Rettung des Teufels

Es ging einmal ein Mann nach Schützenart mit einer Flinte in den Wald. Er kam an einen Fluß. Was sieht er aber da am Flußufer? Ein graues Männchen hat sich dort schlafend lang hingestreckt und scheint weder von der Erde noch vom Himmel etwas zu wissen.

Der Mann bleibt stehen und denkt nach, wo solch ein Männchen hergekommen sein könne.

Plötzlich sieht er aber, daß ein großer Wolf schnaufend an das schlafende Männchen heranschleicht und es zerreißen will. Der Mann läßt das aber nicht zu, sondern schießt den Wolf mit seiner Flinte tot.

Und das graue Männchen, welches niemand anders war als Vanapagan1, springt plumps! in den Fluß und verschwindet.

Der Mann bleibt stehen und denkt nach: ›Was für ein Teufelsmensch ist das gewesen?‹ Alsbald kommt aber der graue Mann wieder aus dem Wasser hervor, tritt vor den Schützen und fragt: »Hör, was willst du als Lohn dafür, daß du mich gerettet hast?«

Der Mann antwortet: »Gib mir aus gutem Herzen das, was du selber willst!«

Vanapagan sagte dem Manne, er solle an dem und dem Tage an dieselbe Stelle kommen, und fügte hinzu: »Nimm dann demjenigen mit, der dir am allernächsten steht!«

Der Mann versprach es. Vanapagan war verschwunden, und der Mann ging nach Hause ...

Zur verabredeten Zeit ging er wieder dorthin an das Flußufer, wo er Vanapagan gerettet hatte, und nahm seine Frau mit.

Er wartete schon eine Zeitlang auf Vanapagan. Der aber kommt und kommt nicht. Endlich sagt der Mann zu seiner Frau:

»Nimm das Messer und such mir den Kopf ab, bis Vanapagan herkommt!«

[206] Die Frau tat so. Der Mann schlief sogleich auf dem Schoße seiner Frau ein.

Alsbald kam auch Vanapagan mit einem Goldkasten. Er sprach zur Frau:

»Hör, du hast jetzt ein Messer in der Hand; stoß es deinem Mann in die Kehle, daß er stirbt, dann bekommst du alles Gold für dich allein!«

Die Frau war in ihrem Leichtsinn gleich bereit, ihren Mann zu ermorden. Da legte aber Vanapagan seine Hand vor das Messer und erlaubte es nicht. Dann weckte er den Mann und sprach:

»Nun, Mann, sind wir jetzt nicht quitt? Du hast mich vor dem Tode gerettet, als der Wolf mich zerreißen wollte – jetzt habe ich dich vor dem Tode gerettet, denn deine Frau hätte jetzt mit dem Messer deinem Leben ein Ende gemacht, wenn ich dir nicht zu Hilfe gekommen wäre.«

Das Gesicht der Frau war schamrot. Der Mann jedoch sagte:

»Wenn die Sache so steht, so sind wir natürlich quitt!«

Vanapagan aber sprach wieder:

»Nein doch; ich bleibe bei meinem Wort und zahle dir deinen Lohn aus. Ich wollte bloß deine Frau prüfen, ob sie bereit sei, ihren Mann zu ermorden, und zweitens wollte ich dich prüfen, ob du auf meine Worte eingehen wirst. Nimm aber jetzt dieses Gold und geh nach Hause. – Du hättest lieber deinen Hund mitnehmen sollen als deine Frau. Die Frau war bereit, dich zu töten, der Hund hätte das aber nimmer getan und hätte auch keinen Fremden an dich herangelassen.«

Vanapagan war verschwunden. – Der Mann ging mit seiner Frau nach Hause. Daheim prügelte er sie durch und sagte:

»Du leichtsinniges Ding! Du wolltest mich ermorden? Hättest du es dann besser gehabt als jetzt, wenn du mich ermordet und du den Schatz für dich allein genommen hättest? Wart nur, du Galgenstrick! Ich werde dich lehren!«

Darauf lebten sie in ihrem Reichtum zusammen ein glückliches Leben.

Fußnoten

1 Der Teufel.

Quelle:
Löwis of Menar, August von: Finnische und estnische Volksmärchen. Jena: Eugen Diederichs, 1922, S. 206-207.
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