Ameisensäure

[421] Ameisensäure (Formylsäure) CH2O2 oder HCO.OH findet sich im Körper der Ameisen, in den Haaren der Prozessionsraupe, im Blut, Harn und Schweiß, im Honig, in Kiefernnadeln und im Kiefernreisig, im sauer gewordenen Terpentinöl, in manchen Mineralwässern und im Guano. Sie entsteht bei Einwirkung von Kohlenoxyd auf erhitzte Kalilauge oder Natronkalk, oder von feuchter Kohlensäure auf Kalium, ferner bei Oxydation von Methylalkohol und Formaldehyd, beim Erhitzen von Cyanwasserstoff (Nitril der A.) mit Alkalien oder Säuren, beim Behandeln von Chloroform oder Chloralhydrat mit Kalilauge etc. Zur Darstellung der A. erwärmt man entwässertes Glyzerin mit entwässerter Oxalsäure auf 50° und fügt, wenn die Entwickelung von Kohlensäure nachgelassen hat, mehr Oxalsäure hinzu. Oxalsäure C2H2O4 bildet hierbei einen Ester des Glyzerins, der in Kohlensäure und den Ameisenester des Glyzerins zerfällt. Dieser wird wieder durch vorhandenes Wasser zersetzt, es destilliert A., und das Glyzerin bleibt unverändert zurück. Das Destillat ist 95–98prozentige A., die durch Borsäure völlig entwässert werden kann. A. ist eine farblose Flüssigkeit vom spez. Gew. 1,223, riecht durchdringend sauer, erstarrt in der Kälte, schmilzt bei 8,6°, siedet bei 100,6°, raucht schwach an der Luft, mischt sich mit Wasser und Alkohol, ihre Dämpfe sind leicht entzündlich, sie scheidet (aldehydartig) aus Gold- und Silbersalzen das Metall ab und wirkt in sauren Flüssigkeiten fäulniswidrig. Bei 160° zerfällt sie in Kohlensäure und Wasserstoff, durch konzentrierte Schwefelsäure in Kohlenoxyd und Wasser. Innerlich erzeugt selbst verdünnte A. intensive Entzündung der Magendarmschleimhaut und hämorrhagische Nierenentzündung und tötet Tiere unter Konvulsionen. Im Ameisenspiritus und in der Ameisentinktur, auch in Bädern mit Waldameisen findet sie medizinische Verwendung als hautreizendes Mittel. Wasserfreie A. erzeugt auf der Haut Blasen. A. ist eine der stärkern organischen Säuren, sie löst Eisen und Zink unter Entwickelung von Wasserstoff und bildet gut charakterisierte, meist lösliche Salze (Formiate). Die Alkalisalze geben bei 250° Oxalsäuresalze und Wasserstoff. Das Kalisalz gibt beim Erhitzen mit Kaliumhydroxyd Karbonat und Wasserstoff. Das Silber- und Quecksilbersalz zerfällt beim Erwärmen in Metall, Kohlensäure und A. Ameisensaures Natron CHNaO2 bildet farblose Kristalle, schmeckt scharf salzig-bitter, verwittert an trockner Luft, löst sich in Wasser und Alkohol und dient zur Darstellung von Ameisenäther. Das Calciumsalz dient zur Darstellung[421] von. Aldehyden. Ameisenäther (Ameisensäure-Äthyläther) CHO2.C2H5 wird durch Destillation von ameisensaurem Natron mit Alkohol und Schwefelsäure oder von Oxalsäure mit Glyzerin und Alkohol dargestellt. Er bildet eine farblose Flüssigkeit vom spez. Gew. 0,945, riecht aromatisch, schmeckt gewürzhaft kühlend, siedet bei 54,5°, löst sich in Wasser und dient zur Darstellung von künstlichem Rum und Arrak (daher auch Rumäther, Rumessenz). Amyläther und Butyläther riechen angenehm obstartig und werden zu Fruchtessenzen benutzt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 421-422.
Lizenz:
Faksimiles:
421 | 422
Kategorien: