Esperanto

[111] Esperanto, Name der von ihrem Erfinder, Dr. med. L. Samenhof in Warschau, auch lingvo internacía (internationale Sprache) genannten künstlichen Sprache. »Esperanto« bedeutet eigentlich »der Hoffende« und ist Pseudonym des Erfinders, der seine Sprache 1887 zuerst unter dem Deckmantel des Namens Dr. Esperanto veröffentlichte. Die Sprache zeichnet sich durch außerordentliche, das Volapük auch in seiner neuesten Form (als »Neutralsprache«) weit übertreffende Einfachheit aus. Der Wortton ruht immer auf der vorletzten Silbe; alle Substantive enden auf -o, alle Adjektive auf -a, alle Adverbien auf -e; der Artikel ist la, auch für den Plural, der mit -j gebildet wird, und auch für alle Kasus, die durch Präpositionen und ein Suffix gebildet werden: der Genitiv mit de, der Dativ mit al, der Akkusativ mit -n. Also z. B. la patro (der Vater), de la patro, al la patro, la patron, la patroj, de la patroj etc.; la bona patro (der gute Vater), de la bona patro, al la bonaj patroj etc.; la patro estas bone = der Vater befindet sich wohl. Verbalbildung: Infinitiv auf -i, Präsens -as, Präteritum -is, Futurum -os, Konditional -us, Partizip -ant-, -int-, -ont- für Präsens, Präteritum, Futurum etc.: ami = lieben, mi amas = ich liebe, vi amas = du liebst, amonta = (adjektivisch) der lieben wird, (substantivisch) einer, der lieben wird, etc. Für den gewöhnlichen Gebrauch genügen etwa 1900 Sprachelemente (Wurzeln), die geschickt hauptsächlich aus den romanischen und germanischen Sprachen ausgewählt sind, so zwar, daß der Deutsche nur etwa 800 auswendig zu lernen braucht. Mit diesen und den internationalen Wurzeln, wie biskvit, doktor, grup, telegraf, algebr etc., kann er unbeschränkt durch Suffixe, Präfixe, Infixe und Zusammensetzung neue Wörter für jeden Bedarf bilden: patro = Vater, patrino = Mutter, gepatroj = Eltern, patreco = Vaterschaft, pragepatreco = Vorelternschaft etc. Die leichte Erlernbarkeit, Sprech- und Schreibbarkeit und die Entbehrlichkeit großer Wörterbücher lassen diese Sprache, für die sich zahlreiche gelehrte, Handels-, Touristen- etc. Körperschaften schon jetzt lebhaft interessieren, in der Tat als internationale Hilfs sprache, welche die Nationalsprachen nicht verdrängen, wohl aber ergänzen soll, durchaus geeignet erscheinen, und sie gewinnt auch sichtlich immer mehr Anhänger. Praktische Hilfsmittel zu ihrer (für gewöhnliche Zwecke tatsächlich nur einige Stunden beanspruchenden) Erlernung sind: L. E. Meier, Vollständige methodische Grammatik der internationalen Sprache E. (2. Aufl., Münch. 1903), und A. H. Fried, Vollständiges Lehrbuch der internationalen Hilfssprache E. (Berl. 1903), beide mit Wörterbüchern.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 111.
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