Formularprozeß

[771] Formularprozeß, eine ältere Form des römischen Zivilprozesses, nach der das Verfahren in zwei Teile zerfiel. Zunächst fand eine Vorverhandlung vor dem richterlichen Beamten (magistratus) statt, die Verhandlung in jure genannt wurde, die mit der schriftlichen Abfassung einer formula schloß. In dieser wurde aus der Geschwornenliste ein Richter (judex) für den vorliegenden Fall ernannt; ferner wurde diesem in genau bestimmter Weise gesagt, wann er der Klage stattgeben und wann er sie zurückweisen solle. Das weitere Verfahren fand dann vor diesem judex statt, der in der Sache selbst zu entscheiden hatte. Wenn der magistratus sich überzeugte, daß die Klage völlig grundlos sei, konnte er übrigens auch die formula verweigern (formulam [actionem] denegare). Im Laufe der Zeit wurden für gewisse Arten von Klagen bestimmte Formeln festgesetzt, die einen Bestandteil des prätorischen Edikts bildeten. Dadurch hatte es der Prätor in der Hand, neue Klagen zu schaffen; so erlangte das prätorische Formalsystem große Bedeutung für die Rechtspflege und Rechtswissenschaft. In der Kaiserzeit ist der F. nebst der Geschwornengerichtsverfassung verschwunden, zufolge des Aufkommens der sogen. extraordinaria cognitio, d. h. dem Verfahren, nach dem der angegangene Beamte, ohne einen judex zu ernennen, selbst entschied.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 771.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: