Indifferentismus

[794] Indifferentismus (neulat.), »Gleichgültigkeit« sowohl im allgemeinen (als Charaktereigenschaft) als speziell in bezug auf Wahl und Bevorzugung eines Gegenstandes vor dem andern und dann entweder auf Mangel an Kenntnis von ihm oder an Interesse für ihn beruhend. So fehlt dem moralischen I. das Gefühl für den wesentlichen Unterschied zwischen dem Guten und Bösen. Der religiöse I. verhält sich den verschiedenen Religionsformen gegenüber gleichgültig, weil er die Religion überhaupt als bedeutungslos betrachtet. Der politische I. verkennt die Wichtigkeit der verschiedenen staatlichen Verfassungsformen in bezug auf das allgemeine Wohl und stellt sich ins besondere vaterländischen Interessen gegenüber auf einen willen- und haltlosen kosmopolitischen Standpunkt. Der philosophische I. bestreitet den Wert und die Bedeutung der philosophischen Probleme und Systeme für Wissenschaft und Leben. In keinem Fall ist der I. mit der Duldsamkeit (s. d.) zu verwechseln, mit der er nur insofern übereinstimmt, als beide dem Fanatismus (s. d.) entgegengesetzt sind und ihn ausschließen. – In der Metaphysik bedeutet I. auch die Annahme einer Indifferenz des Willens, d. h. einer absoluten Unabhängigkeit desselben von (äußern wie innern) Bestimmungsgründen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 794.
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