Kaltdampfmaschine

[492] Kaltdampfmaschine (Abwärmekraftmaschine), Kraftmaschine, die mit den Dämpfen einer bei niederer Temperatur siedenden Flüssigkeit (schweflige Säure, Ammoniak, Äther, Benzol etc.) betrieben wird. Zur Erzeugung dieser sogen. Kaltdämpfe wird die aus den Wärmemotoren abgeführte Wärme,[492] die Abwärme, herangezogen. Die Wärmemengen, die aus Dampfmaschinen und Dampfturbinen durch den Abdampf, bez. den Kondensator, bei Gasmotoren durch das Kühlwasser und die Abgase abgeführt werden müssen, sind recht erheblich und können zum Teil in der K. nutzbar gemacht werden. Bis jetzt sind Kaltdampfmaschinen im Anschluß an Wasserdampfmaschinen ausgeführt worden. Als Arbeitsmittel wird schweflige Säure benutzt. Der von der Wasserdampfmaschine kommende Abdampf wird in einen Oberflächenkondensator geleitet, der als Kühlflüssigkeit nicht das gebräuchliche Kühlwasser, sondern schweflige Säure erhält. Die Wärme des Wasserdampfes wird nun zur Verdampfung der schwefligen Säure, also zur Bildung von Kaltdampf benutzt, und die Wärmeentziehung aus dem Wasserdampf bewirkt die Kondensation des letztern; der Kondensator für den Wasserdampf stellt also zugleich den Verdampfer für den Kaltdampf dar. Das sich bildende Kondensationswasser kann in den Wasserdampfkessel zurückgepumpt werden, der erzeugte Kaltdampf aber wird einer K., die genau so wie eine gewöhnliche Dampfmaschine arbeitet, zugeleitet, in der er expandiert und Arbeit leistet. Nach Austritt aus der K. wird der Kaltdampf in einem zweiten Oberflächenkondensator mit Wasser gekühlt und verflüssigt und durch eine Speisepumpe dem ersten Kondensator (Verdampfer) wieder zugeführt, um von neuem verdampft zu werden. Es finden also andauernd zwei Kreisläufe einer verdampfenden und wieder verdichteten Flüssigkeit statt, von denen der eine die höhern Wärmegrade (bei der Wasserdampfmaschine) und der andre die bei der gewöhnlichen Dampfmaschine unbenutzt bleibenden niedern Wärmegrade (bei der K.) verwertet. Die Dämpfe der schwefligen Säure erreichen je nach der Kondensatortemperatur (gewöhnlich 50–65°) eine Spannung von 10–12 Atmosphären (Überdruck). Nach Versuchen werden für 1 Pferd und 1 Stunde der indizierten Leistung der K. je nach der Temperatur des zur Verfügung stehenden Kühlwassers 13–18 kg Abdampf der Wasserdampfmaschine verbraucht. Im Anschluß an Gasmotoren sind Abwärmekraftmaschinen wohl in Aussicht genommen, aber noch nicht in Betrieb gekommen. – Die K. in Verbindung mit der Wasserdampfmaschine ist nicht neu. Versuche mit einer vonDu Trembley gebauten K., die als Arbeitsflüssigkeit Äther benutzte, fanden schon 1853 auf einem Transportdampfer statt. 1847 war eine kombinierte Wasserdampf- u. Ätherdampfmaschine von 50 Pferdekräften zu Lyon in einer Glaswarenfabrik in Betrieb. In beiden Fällen soll sich eine bedeutende Brennmaterialersparnis ergeben haben. Später beschäftigten sich Behrend und Zimmermann mit der Konstruktion der K., wobei sie mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Erst vor wenigen Jahren ist es Josse gelungen, die K. so weit auszubilden, daß sie nunmehr in mehreren Fällen in industriellen Betrieben Verwendung gefunden hat.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 492-493.
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