Kongruénz

[375] Kongruénz (lat.), in der Geometrie die besondere Beziehung zwischen zwei verschiedenen Figuren, daß die eine, in geeigneter Weise auf die andre gelegt, diese deckt; zwei solche Figuren, wie z. B. zwei Geradenstücke von gleicher Länge oder zwei Winkel von gleicher Größe, heißen kongruent. Alle einer gegebenen Figur kongruenten Figuren sind gewissermaßen bloße Wiederholungen dieser einen Figur an andern Stellen des Raumes, und jede von ihnen kann erhalten werden, indem man die gegebene Figur im Raume verschiebt und dreht. Der Begriff der K. zweier Figuren ist eine besondere Art der Gleichheit (s. d.), nämlich die Gleichheit der beiden Figuren, wenn von ihrer Lage im Raum abgesehen wird, deshalb gilt auch allgemein der Satz, daß zwei Figuren, die einer dritten kongruent sind, auch untereinander kongruent sind. Anderseits ist die K. zweier Figuren auch ein besonderer Fall der Ähnlichkeit (s. d.), nämlich Ähnlichkeit, verbunden mit vollständiger Gleichheit aller Abmessungen; deshalb ist das Zeichen für die K. (≅) aus dem für die Ähnlichkeit (∼) und dem für die Gleichheit (=) zusammengesetzt. Ohne den Begriff der K. wäre die Geometrie außerstande, die Größenverhältnisse an räumlichen Figuren zu untersuchen. Im Grunde lassen sich aber alle Fragen über die K. von Figuren auf die K. von Dreiecken zurückführen, und über diese geben die sogen. Kongruenzsätze Aufschluß (s. Dreieck). Danach sind z. B. die Dreiecke ABC,[375] A1B1C1, A2B2C2 (s. Figur) kongruent, weil die Seiten AB, BC, CA des ersten der Reihe nach den entsprechend benannten Seiten des zweiten und des dritten gleich sind.

Kongruenz.
Kongruenz.

Will man nun aber das Dreieck ABC mit einem dieser beiden ihm kongruenten Dreiecke zur Deckung bringen, so zeigt sich ein Unterschied: in die Lage A1B1C1, kann man es durch bloße Verschiebung und Drehung innerhalb seiner Ebene (der Ebene des Papiers) bringen, in die Lage A2B2C2 dagegen nicht; um diese Lage erreichen zu können, muß man das Dreieck ABC erst aus seiner Ebene herausbewegen, indem man es etwa um die Seite AC so lange dreht, bis die Ecke B wieder in die Ebene des Papiers (nach B') fällt, dann kann man durch Verschiebung und Drehung innerhalb dieser Ebene dem Dreieck die Lage A2B2C2 geben. Denkt man sich durch AC senkrecht zur Ebene des Papiers einen Spiegel gelegt, so fällt das Dreieck AB'C offenbar mit dem Spiegelbild von ABC zusammen, also kann das Spiegelbild des Dreiecks ABC durch Verschiebung und Drehung innerhalb der Ebene des Papiers mit A2B2C2 zur Deckung gebracht werden. Die Beziehung zwischen zwei Figuren, daß die eine dem Spiegelbild der andern kongruent ist, bezeichnet man als Symmetrie (s. d.). Daß die beiden symmetrischen Dreiecke ABC und A2B2C2 zugleich kongruent sind, beruht auf der Umkehrbarkeit der Ebene (s. d.). – In der Arithmetik (Zahlentheorie) nennt man nach dem Vorgang von Gauß zwei ganze Zahlen kongruent in bezug auf eine dritte (den Modul), wenn sie, durch den Modul dividiert, gleiche Reste geben. Das Zeichen für diese K. ist ≡. So geben 17 und 9 durch 4 dividiert beide den Rest 1, man schreibt daher: 17≡9 (mod. 4), ebenso ist: 13≡6 (mod. 7).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 375-376.
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