Arithmētik

[768] Arithmētik (griech., Zahlenlehre), Teil der Mathematik, der sich mit den verschiedenen Arten und Verbindungen der Zahlen beschäftigt, im engern Sinne die Lehre vom Rechnen mit in Ziffern geschriebenen oder durch Buchstaben bezeichneten Zahl en. Man teilt die A. in die gemeine (elementare) A. und in die höhere. Jene umfaßt die vier Spezies der Rechenkunst in ganzen und gebrochenen Zahlen und ihre praktischen Anwendungen (kaufmännisches Rechnen), die Lehre von den Potenzen, das Ausziehen der Wurzeln und die Logarithmenrechnung. Die höhere A. spaltet sich in die Algebra oder Lehre von den Gleichungen (s. Gleichung) und in die Zahlentheorie, die Lehre von den Eigenschaften der ganzen Zahlen. Auch unterscheidet man die theoretische A. (allgemeine A., Arithmetica speciosa, Buchstabenrechnung), welche die Rechenregeln wissenschaftlich begründet, von der praktischen (numerischen) A., der Rechenkunst schlechthin, die nur das Rechnen mit bestimmten, in Ziffern geschriebenen Zahlen pflegt. Politische A. nennt man zuweilen die Anwendung der A. auf die in der Staatsverwaltung vorkommenden Verhältnisse, Sterblichkeit, Statistik, Lotterien, Schuldentilgung etc., doch gehören diese Aufgaben mehr in das Gebiet der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Vgl. M. Cantor, Politische A. (Leipz. 1898) und das gleichlautende Werk von Schlimbach (Frankf. a. M. 1902). Das älteste Rechenbuch, das wir kennen, ist das ägyptische des Ahmes von 2000 v. Chr.; es rechnet schon mit Brüchen. Die alten Griechen verstanden unter A. mehr das, was wir Zahlentheorie nennen, die eigentliche Zahlenrechenkunst hieß Logistik und war (besonders die Division) wegen der Mangelhaftigkeit ihrer Zahlenbezeichnungen höchst zeitraubend. Ihr Wissen von der A. ist im 7., 8. und 9. Buche der Elemente Euklids enthalten. Etwa um 100 n. Chr. ist die A. des Nikomachos von Gerasa zu setzen, in das 4. Jahrh. n. Chr. fallen die »Arithmetika« des Diophant, der, weit über seine Vorgänger hinausgehend, vielleicht dem Abendland schon indisches Wissen übermittelte. Sehr früh war die A. bei den Indern entwickelt, denen wir die Erfindung der Null (0) und der dezimalen Schreibweise der Zahlen verdanken. Durch Vermittelung der Araber kam dieses Zahlensystem nach dem Abendland und wurde hier um 1200 hauptsächlich durch Leonardo Fibonacci allgemeiner bekannt. Nunmehr entwickelte sich allmählich die Kunst des Zahlenrechnens. Jordanus Nemorarius oder Saxo, Ordensgeneral der Dominikaner, schrieb ein Werk über A., das 1496 und dann 1514 gedruckt wurde. Im 15. Jahrh. erschien die »Summa« von Luca Pacioli, das erste Lehrbuch der Algebra. Aus dem 16. Jahrh. stammt das lange geschätzte Rechenbuch des noch heute sprichwörtlichen Adam Riese. In das 16. Jahrh. fällt die Erfindung der Dezimalbruchrechnung durch Stevin und den Schweizer Jost Bürgi. Im 17. Jahrh. verbreitete sich durch die Engländer Neper und Briggs die Logarithmenrechnung. Anderseits entwickelte sich auch die theoretische A., die in Newtons »Arithmetica universalis« 1707 eine für lange Zeit grundlegende Darstellung erhielt. Die Zahlentheorie als besonderer Zweig der A. ward durch Fermat begründet und durch Euler, Legendre, besonders aber durch Gauß zur Blüte gebracht. Vgl. M. Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik (Leipz. 1894–1901, 3 Bde.).[768]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 768-769.
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