Pflanzenbiologie

[720] Pflanzenbiologie (Ökologie, Phytobiologie), die Lehre von den Beziehungen der Pflanzen zu ihrer Umgebung. Unter den lebenden Wesen können nur diejenigen Aussicht auf ein Fortbestehen in ihrer Nachkommenschaft haben, die in ihrem Bau und in ihrer Lebensweise den äußern Lebensbedingungen vorteilhaft angepaßt sind; unvorteilhaft ausgerüstete Formen müssen im Wettbewerb mit den besser angepaßten unterliegen und im Laufe der Generationen früher oder später aussterben. Diesem Grundsatz entsprechend, dürfen wir die Bau- und Lebenseinrichtungen der jetzt lebenden Pflanzen als der überlebenden in der Hauptsache als zweckmäßig an sehen, und es ist zunächst die Aufgabe der P., die Organisationsverhältnisse der Pflanzen rein teleologisch als zweckmäßig zu verstehen und die Beziehungen der einzelnen Bau- und Lebenseinrichtungen zu den einzelnen Faktoren in der Umgebung der Pflanze klarzulegen. Insofern als aber der gegenwärtig herrschende Zustand der Anpassungen der Pflanzen an ihre Umgebung sich als ein gewordener darstellt, erwächst der P. die weitere Aufgabe, das Problem der Anpassungserscheinungen[720] auch ursächlich zu ergründen und das Zustandekommen des Angepaßtseins wenn möglich mechanisch zu erklären. In dem sich dabei ergibt, daß nicht wenige Anpassungsmerkmale der Pflanzen unter der direkten Einwirkung der äußern Faktoren während des Entwickelungsganges des Individuums entstehen, werden die Probleme der P. einer experimentellen Forschung zugänglich. Anderseits aber sind die Anpassungsmerkmale zum großen Teil erbliche Eigenschaften der Arten, über deren Erwerb im Laufe der phylogenetischen Entwickelung vorerst nur Hypothesen aufgestellt werden können. Die P. ist ein noch sehr junger Zweig der Botanik und dementsprechend noch in voller Entwickelung begriffen, sie steht in engster Beziehung zu der Pflanzenphysiologie (s. d.) und zu der Pflanzenmorphologie (s. d.), zwischen denen sie in mancher Hinsicht ein gemeinsames Grenzgebiet ausfüllt. Vgl. Wiesner, Biologie der Pflanzen (2. Aufl., Wien 1902); Kerner von Marilaun, Pflanzenleben (2. Aufl. Leipz. 1898, 2 Bde.); Goebel, Pflanzen biologische Schilderungen (Marburg 1891); Ludwig, Lehrbuch der Biologie der Pflanzen (Stuttg. 1895).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 720-721.
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