Széll

[262] Széll (spr. ßēll), Koloman von, ungar. Staatsmann, geb. 8. Jan. 1842 zu Rátát im Eisenburger Komitat, studierte in Pest und Wien, ward 1867 als Anhänger Deáks zum Deputierten in den Reichstag gewählt und war auf allen bisherigen Reichstagen eins der tätigsten Mitglieder des ungarischen Abgeordnetenhauses. 1875 wurde S. Finanzminister und führte große Ersparnisse ein. Wegen der großen Kosten der bosnischen Okkupation nahm er Ende 1878 seine Entlassung und wurde Präsident der Ungarischen Kreditbank in Pest, blieb aber als Deputierter bis heute einer der einflußreichsten liberalen Politiker Ungarns. Als die liberale Partei gefügig die Eigenmächtigkeiten Bánffys genehmigte, trat er aus ihr aus und vereinbarte 1899, als Bánffys Sturz unvermeidlich wurde, ein Paktum mit der Opposition. Dann trat er 26. Febr. als Ministerpräsident und Minister des Innern an die Spitze der Regierung. Als er auf Verlangen der Krone das Rekrutenkontingent um 9362 Mann und die Zivilliste erhöhen sollte, griff die Opposition abermals zur Obstruktion. Dennoch erlangte S. vom Reichstag Indemnität und erneuerte Ende 1902 mit dem österreichischen Ministerpräsidenten Körber den handelspolitischen Ausgleich unter Zugrundelegung eines neuen Zolltarifs. Da er aber die erwähnte Vorlage nicht durchbringen konnte, nahm er 16. Juni 1903 seine Entlassung. Gegenwärtig ist er der Präsident der Verfassungspartei Andrássys.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 262.
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