Tontīnen

[612] Tontīnen, Anstalten, die gegen Entgelt Einzahlungen unter der Verpflichtung annehmen, dieselben mit Zinsen nach Ablauf bestimmter Zeit denjenigen der Einleger, die dann noch am Leben sein werden, als Kapital oder Rente (s. d.) zurückzugewähren. Sie erhielten ihren Namen nach dem italienischen Arzt Lorenzo Tonti, der zwar nicht ihr Erfinder war, aber 1689 die erste Tontine in Frankreich einführte. Sie hatten vornehmlich in den romanischen Ländern großen Anklang gefunden. In Frankreich wurde das Tontinengeschäft bald nach seiner Erfindung vom Staate betrieben, verwickelte ihn aber in arge Finanzschwierigkeiten und wurde deshalb wieder aufgegeben; die letzte größere Tontine wurde 1759 eingerichtet. Die T., die sehr verschieden gestaltet sein können, gehören nicht zu den Versicherungsanstalten, wenn nicht der Unternehmer ein Risiko dabei zu tragen hat (z. B. wenn die Auszahlungen in Form von Leibrenten bis zum Tode des letzten Überlebenden erfolgen). Die oft und noch neuerdings versuchte Verbindung der T. mit einer Lotterie ist auch in romanischen Staaten meistens ausdrücklich verboten, z. B. in Italien. Vgl. Versicherung. – Tontine heißt auch ein französisches Kartenglücksspiel, das mit der vollständigen Whistkarte von 12–15 Personen gespielt werden kann.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 612.
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