Virĭal

[186] Virĭal (v. lat. vis, Kraft), nach Clausius ein Ausdruck, den man erhält, wenn man bei einem Körper, dessen Teilchen sich in stationärer Bewegung befinden, die auf jedes Teilchen wirkende Kraft multipliziert mit dem Abstand des Teilchens von einem gegebenen Punkt, und den Mittelwert der Summe aller dieser Produkte für den ganzen Körper bestimmt innerhalb einer Zeitdauer, die so groß ist, daß während derselben viele Wechsel in der Bewegungsrichtung der Teilchen stattfinden. Unter stationärer Bewegung versteht man eine solche, bei der die bewegten Punkte sich nicht immer weiter von ihrer ursprünglichen Lage entfernen und die Geschwindigkeiten sich nicht fort und fort in gleichem Sinn ändern, sondern bei der die Punkte sich innerhalb eines begrenzten Raumes bewegen und die Geschwindigkeiten nur innerhalb gewisser Grenzen schwanken. Es gehören dahin alle periodischen Bewegungen, wie die Bewegungen der Planeten um die Sonne und die Schwingungen elastischer Körper, ferner solche unregelmäßige Bewegungen, wie man sie den Atomen und Molekülen eines Körpers zuschreibt, um seine Wärme zu erklären. Man versteht ferner unter lebendiger Kraft oder Bewegungsenergie eines Körperteilchens das halbe Produkt aus seiner Masse und dem Quadrat seiner Geschwindigkeit; bildet man die Summe aller dieser Produkte für den ganzen Körper innerhalb der genannten Zeitdauer, so erhält man dessen mittlere lebendige Kraft. Es gilt nun der Satz: »Die mittlere lebendige Kraft eines stationär bewegten Körpers ist gleich seinem V.« Betrachtet man die Wärme, wie dies in der mechanischen Wärmetheorie geschieht, als eine stationäre Bewegung der kleinsten Körperteilchen und die absolute (vom absoluten Nullpunkt -273° an gerechnete) Temperatur als Maß der lebendigen Kraft, so ergibt sich aus dem vorstehenden Satz vom V. der zweite Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie: »Die Arbeit, welche die Wärme bei irgendeiner Änderung eines Körpers tun kann, ist proportional der absoluten Temperatur, bei der die Änderung geschieht.« Hierdurch ist dieser wichtige Satz der Wärmetheorie auf allgemein mechanische Prinzipien zurückgeführt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 186.
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