Wirbel [2]

[682] Wirbel (Vertebrae), die Knorpel- oder Knochenstücke, die bei den Wirbeltieren die Wirbelsäule zusammensetzen. Am ausgebildeten W. unterscheidet man den Wirbelkörper, ein auf dem Querschnitt annähernd rundes Stück, und die von ihm ausgehenden Bogen und Fortsätze. Der obere oder dorsale (beim aufrechtstehenden Menschen der hintere) Bogen schließt das Rückenmark ein (Neurapophyse); die obern Bogen sind an der ganzen Wirbelsäule in ungefähr gleicher Ausbildung vorhanden; die untern oder ventralen (vordern) Bogen umschließen wenigstens in den hintern Teilen der Wirbelsäule und bei den primitivern Formen (Fischen) ein Blutgefäß (Hämapophysen); sie fehlen an den Halswirbeln mehr oder weniger und werden an den Brustwirbeln durch die Querfortsätze und die an ihnen eingelenkten Rippen (im engern Sinne) vertreten, umspannen also hier die Leibeshöhle. Ein vom dorsalen Bagen nach oben (hinten) gerichteter unpaarer Fortsatz heißt Dornfortsatz (s. Tafel »Skelett des Menschen I«; III, Fig. 1–4 u. 6); er ist z. B. bei den Wiederkäuern an den Brustwirbeln stark entwickelt. Auch vom Wirbelkörper kann nach unten ein Dornfortsatz ausgehen; ferner gibt es paare, nach vorn (oben) und hinten (unten) gerichtete Gelenkfortsätze, die von dem obern Bogen entspringen und zur Verbindung der W. untereinander dienen. Hierin sowie im Grade der Verknöcherung der W. herrscht große Mannigfaltigkeit. Die Flächen des Wirbelkörpers, mit denen die W. beweglich zusammenhängen, sind ursprünglich konkav (amphizöle W.), und dann wird der bikonvexe Zwischenraum zwischen je zwei Wirbeln von einem Reste der Rückensaite (s. Chorda dorsalis) ausgefüllt wie bei Fischen, manchen Amphibien und fossilen Reptilien. Bei weiterer Entwickelung ist es dann zur Bildung von opisthozölen oder prozölen Wirbeln gekommen, bei denen sich an der vordern (obern), resp. hintern (untern) Fläche ein Gelenkkopf und an der andern eine demselben entsprechende Gelenkpfanne befinden. Bei der Entwickelung der Säugetiere ist zunächst ein ungegliederter Stab aus Gallertsubstanz, die Rückensaite, vorhanden und von einer besondern Hülle umgeben. Von letzterer aus verknorpelt die Rückensaite, jedoch so, daß sie nur an den Stellen gänzlich durch Knorpel ersetzt wird, die den Wirbeln entsprechen, zwischen den Wirbeln aber noch in Resten als Gallertkern bestehen bleibt. Darauf verknöchern die W. meist von drei Punkten aus, doch erhält sich an den Gelenkflächen je zweier W. ein Teil der knorpeligen Substanz als Zwischenwirbelknorpel. Die drei Knochenstücke verschmelzen erst nach der Geburt zu einem Ganzen. Über die Verbindung der W. zur Wirbelsäule s. d. – Von den beiden ersten Halswirbeln dient mit Ausschluß der Fische der erste, der Atlas, als Träger des Kopfes und hat dazu zwei (bei Amphibien und Säugetieren) oder eine (bei Reptilien und Vögeln) Gelenkgrube, denen am Hinterhaupt ebenso viele Gelenkhöcker entsprechen. Im ausgebildeten Zustand besteht er nur aus dem dorsalen und ventralen Bogen, während sein Körper mit demjenigen des zweiten Wirbels, des Drehers oder Epistropheus, verwachsen ist und als dessen Zahnfortsatz bezeichnet wird. (Bei niedern Wirbeltieren zeitlebens und bei den höhern während der Jugendstadien ist diese Verwachsung aber noch nicht eingetreten.) Um den Zahnfortsatz dreht sich der Atlas samt dem Kopf, während letzterer auf dem Atlas nur die Nickbewegungen ausführt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 682.
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