Zunftgebräuche

[1017] Zunftgebräuche, volkstümliche Zeremonien, öffentliche Auszüge, Spiele und Tänze, die der Sage nach bestimmten Gewerken oder Gilden für ewige Zeiten gestattet worden seien, weil ihre Angehörigen[1017] in Notzeiten hervorragende Dienste geleistet hätten. Diese Z. sind indessen auf uralte Volksgebräuche, wie z. B. auf die Schwertertänze der germanischen Frühlingsfeier oder jenen großen Umzug des Isisschiffes auf Rädern, den alle Küstenstädte ehemals bei Eröffnung der Schiffahrt feierten, auf die Maiumzüge etc., zurückzuführen. Hierher gehören die ehemals in vielen Städten üblichen Schwerttänze der Messerschmiede und Schwertfeger, das 1539 vom Rat aufgehobene Schönbartlaufen in Nürnberg, der Umzug der Metzger mit dem Fastnachtsochsen, das Fahnenschwingen der Egerer Metzger und Tuchmacher und der Schäfflertanz und Metzgersprung der Münchener. Mehr den Charakter eines allgemeinen Volksfestes hat das Sechseläuten in Zürich angenommen, das am Montag nach der Frühlingsnachtgleiche stattfindet und nach dem Umstande benannt ist, baß an diesem Tage zum erstenmal die Abendglocke geläutet wird. An ihm nehmen alle Gilden in ihren volkstümlichen Trachten mit ihren Emblemen und allerlei Schaustücken teil. Der in vielen niederländischen Städten und mit besonderer Pracht in Antwerpen am Sonntag nach Mariä Himmelfahrt gefeierte Ommegane (Umgang) erinnert stark an die alten Schiffsumzüge und anderseits an Fastnachtsgebräuche. In dem niederländischen Ommegane bilden Riese und Riesin, die jede größere Stadt in besonderer Ausstattung bewahrt, das Hauptstück, dazu kommen volkstümliche Figuren, wie Roland, die vier Haimonskinder, der große Drache etc. Auch fehlt das Schiff selbst nur selten in dem Aufzug. Ebenso kehren gewisse Scherze, wie spritzende Delphine u. dgl., meist überall wieder.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 1017-1018.
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