XI.

›Tannhäuser‹ in Paris.

[267] Engagements für ›Tannhäuser‹. – Nuitter als Übersetzer. – Ausflug nach Deutschland: Rheinreise. – Beginn der Klavierproben. Vorwort zu den übersetzten 4 Operndichtungen. – Komposition der neuen Venus-Szene. – Umzug in die Rue d'Aumale. – Schwere Erkrankung. – Agitation der Presse gegen den ›Tannhäuser‹: Meyerbeer und Berlioz.


Die ›Tannhäuser‹-Aufführung in Paris kostete mich ein tief zerstreuendes Jahr meines Lebens.

Richard Wagner.


Der kaiserliche Befehl stellte ihm das ganze Institut der großen Oper, so wie jedes von ihm nötig befundene Engagement in reichstem Maße rückhaltlos und unbedingt zur Verfügung: jede von ihm gewünschte Akquisition ward, ohne irgendwelche Rücksicht auf die Kosten, sofort ausgeführt. Unter so ganz ihm ungewohnten Umständen nahm ihn bald immer mehr der Gedanke ein, die Möglichkeit einer durchaus vollständigen, ja idealen Aufführung vor sich zu sehen. Das Bild einer solchen Aufführung selbst, fast gleichviel von welchem seiner Werke, hatte ihn seit langem ernstlich beschäftigt. Was ihm nie und nirgends zu Gebote gestellt war, sollte ganz unerwartet hier in Paris ihm zur Verfügung stehen. Und zwar zu einer Zeit, wo keine Bemühung imstande gewesen war, ihm auch nur eine entfernt ähnliche Vergünstigung auf deutschem Boden zu verschaffen. ›Gestehe ich es offen, dieser Gedanke erfüllte mich mit einer seit lange nicht gekannten Wärme, welche vielleicht eine sich einmischende Bitterkeit nur zu steigern vermochte. Nichts anderes ersah ich bald mehr vor mir, als die Möglichkeit einer vollendet schönen Aufführung, und in der andauernden, angelegentlichen Sorge, diese Möglichkeit zu verwirklichen, ließ ich alles und jedes Bedenken ohne Macht auf mich zu wirken: gelange ich zu dem, was ich für möglich halten darf – so sagte ich mir –, was kümmert mich dann der Jockeyklub und sein Ballet!‹

Von nun an kannte er nur noch die Sorge für die Aufführung.

[267] Ein französischer Tenor, so erklärte Direktor Royer, sei für die Partie des Tannhäuser nicht vorhanden. Von dem glänzenden Talente des jugendlichen Sängers Niemann unterrichtet, bezeichnete er diesen, den er zwar bis dahin noch nie gehört hatte, für die Hauptrolle und lud ihn gleichzeitig behufs mündlicher Vereinbarung zu einem vorläufigen Besuche in Paris ein. Niemann zögerte keinen Augenblick dieser hoffnungsvollen Einladung Folge zu leisten und erschien alsbald auf dem Platze, um daselbst Anfang Juli vor einer eigens zusammenberufenen Prüfungs-Kommission Probe zu singen. ›Wagner bewohnte damals‹, so berichtet er, ›eine sehr schöne Villa in den Champs Elysées. Als ich dieselbe, durch den Garten gehend, betrat, sang ich, um mich anzumelden, eine Stelle aus dem »Tannhäuser«, worauf der Meister persönlich mir entgegeneilte und seiner Freude über meine Ankunft Ausdruck gab. Sofort nach meinem Eintritt in sein Arbeitszimmer teilte er mir zu meiner Überraschung mit, er habe für mich ein Engagement an der Großen Oper, ich müsse den »Tannhäuser« krëieren.1 Ohne langes Besinnen sagte ich zu; rasch waren die Präliminarfragen erledigt, und am anderen Tage wurde ich von Richard Wagner dem Direktor der Großen Oper vorgestellt, mit dem ich einen einjährigen Vertrag mit der damals unerhörten Monatsgage von 6000 Francs abschloß, der mir, wenige Tage darauf, von dem Finanzminister (?) Fould2 unterschrieben, zugestellt wurde‹3. Mit diesem Kontrakt in der Tasche, kehrte er alsbald nach Hannover zurück, wo es ihm leicht gelang, sich vom 1. September ab einen Urlaub auf ein Jahr zu erwirken.4 Von dem gleichen Datum ab lief der dreijährige Kontrakt der zur Darstellerin der Venus bestimmten Mme. Tede sco: die noch immer schöne Stimme der nicht mehr in erster Jugend stehenden Sängerin, die Majestät ihrer äußeren Erscheinung, ihr nicht unbedeutendes dramatisches Talent schienen sie in jeder Hinsicht für ihre Partie geeignet zu machen. Für die Rolle der Elisabeth wählte Wagner die um so jugendlichere Künstlerin Mlle. Marie Sax.5 Die musikalische und darstellerische [268] Ausbildung dieser letzteren, deren Name erst späterhin zu größerem Rufe gelangte, war damals noch ziemlich unvollkommen. Sie besaß, außer einem anmutigen Äußeren, zwar schon die schöne Stimme, welcher sie in der Folge ihr Glück an der großen Oper verdankte; doch war das Organ noch wenig geschult, Vortrag und Spiel verrieten die Anfängerin. Mehrere andere Künstler verdankten ihr Engagement einzig dem Wunsche Wagners, sie für sein Werk zu besitzen. So der Baritonist Morelli, welchen der Meister, ungeachtet seines lediglich im italienischen Stil gebildeten Vortrages, dem berühmten Faure vorzog.6 Sein Scharfblick erkannte die Empfänglichkeit und Bildsamkeit beider jugendlichen Talente und er entschied sich lieber für sie als für gewisse erste Pariser Sänger, deren allzufertige Manier ihn störte, während er jene leichter für seinen Stil zu bilden hoffte. Er täuschte sich nicht; weder Niemann noch Mme. Tedesco vermochten sich ein so uneingeschränktes Lob ihrer Leistungen zu gewinnen, als die Darsteller des Wolfram und der Elisabeth. Auch um die szenisch-dekorative Erscheinung seines Werkes sehen wir ihn gleichzeitig in voller Tätigkeit. In einem Briefe an den alten Heine (vom 10. Juli 1860) bestellt er durch diesen die Zusendung der alten echten Dresdener Kostüm- und Dekorationsskizzen, um danach die Pariser Kostüme und Dekorationen anfertigen zu lassen.7 Die Zeiten hatten sich geändert. Damals – vor fünfzehn Jahren – waren die Dekorationen für das Dresdener kgl. Hoftheater in außerordentlichen Fällen, und so auch für den ›Tannhäuser‹, von Paris verschrieben, resp. daselbst angefertigt worden; jetzt galt es auf der Pariser Bühne die Inszenierung eines durch und durch deutschen Werkes, wofür nun umgekehrt die Dresdener Skizzen als Modell zu dienen hatten. ›Spaß muß Dir's doch machen, daß man Deine Kostümzeichnungen nach Paris als Muster kommen läßt,‹ schreibt er in diesem Sinne an den alten Dresdener Freund. Mit Beziehung auf sein persönliches Ergehen fügt er hinzu: ›Ich bedauere diesen Sommer leider gar nichts für meine Gesundheit tun zu können. Ich kann mich keinen Tag von Paris entfernen, – Gott weiß, wie mir den Winter zu Mute sein wird! Meine [269] Frau ist ins Bad nach Soden gereist, wie es P(usinelli) wünschte. Im ganzen befindet sie sich erträglich, wenngleich meine letzten Lebensabenteuer nicht der Art waren, daß sie mir immer gute Laune und Geduld ermöglicht hätten. Ich hab's nun einmal schwer, sehr schwer, und das einzige, was mich auf sonderbare Weise erheitert, ist, daß man mir aus der Ferne immer nur wie einem zusieht, der vor Glück und Wohlergehen nicht weiß wohin.‹

Die zuletzt erwähnte eigentümliche Täuschung übte ihre seltsame Wirkung indeß nicht bloß in die Ferne, sondern ganz ebenso, und fast noch mehr, in unmittelbarster Nähe aus. Fast alle Berichte der französischen Freunde bieten frappante Beispiele dafür. Sind nun diese, zum Teil recht lebendigen, Schilderungen deshalb als unwahr zu bezeichnen? Gewiß nicht, sondern sie geben nach redlichstem Vermögen den gewonnenen Eindruck wieder, dem eben in seiner Unmittelbarkeit immer etwas Unbeschreibliches anhaftete. Der Zauber in Wagners Persönlichkeit bekundete sich darin, daß sie erregte, berauschte, mit seinem erhöhten Lebens- und Kraftgefühl erfüllte, was in ihre Nähe kam. Was dem hierdurch mit Fortgerissenen in der Erinnerung zurückblieb, war dann eben nur dieses Elastische, Lebhafte, Explosive, zur Betätigung Drängende seines Temperamentes, nicht aber dessen eigenes beständiges Ringen und Kämpfen mit dem realen Untergrunde seiner Existenz. Auch kommt es bei ähnlichen Berichten und Erzählungen, selbst von wohlwollender Seite her, auf das Auge des Beschwerers an. Unter Umständen sah dieses nach seiner Art und Befähigung nicht mehr oder weniger als das, was es sehen wollte; es glaubte wahrzunehmen, was es in Wahrheit als fertiges Vorurteil bereits mit sich gebracht hatte. Als einzelnes typisches Beispiel dafür teilen wir im Anhange den Bericht mit, den der Darmstädtische Kapellmeister Louis Schlösser über einen Besuch abstattet, welchen er in eben diesen Julitagen (20. und 21. Juli) des Sommers 1860 dem Meister gemacht. Dem damals bereits sechzigjährigen alten Herrn ward von seiten Wagners ein liebenswürdiger Empfang zuteil, bei welchem es dem also Bewillkommneten ersichtlich warm ums Herz geworden ist. Recht hübsch nimmt sich dabei aus, was er über den Eindruck der Persönlichkeit seines freundlichen Wirtes erzählt; desto greller sticht davon ab, was er, ohne jede Kenntnis, und namentlich auch ohne irgend ein störendes Bewußtsein dieser Unkenntnis, über dessen äußere Lebensverhältnisse mit einflicht. Ihm war, vermutlich durch Berlioz, mitgeteilt, daß es Wagner sehr gut gehe, daß der reiche Baron Erlanger (den ja Wagner damals erst ganz kürzlich kennen gelernt und dessen Hilfe in Anspruch zu nehmen sein Zartgefühl ihm bis dahin gänzlich verwehrt hatte!) ihn freigebig unterstütze etc. etc. Daraufhin sieht er nun alles mit anderen Augen an. Die teilweise schon niedergerissene Rue Newton hält er für eine erst projektierte, im Bau begriffene; das darin befindliche, zur baldigen Demolierung bestimmte Haus mit seiner stillen Gartenumgebung, für[270] einen Neubau, einen ›luxuriösen Aufenthalt‹, den sein finanzieller Beschützer eigens für Wagner gemietet. Selbst der Diener, der ihn empfängt und anmeldet, das ›Silberservice‹, von dem der Meister soeben gefrühstückt, – alles dient ihm als Bürgschaft seines erfreulichen Wohlergehens. Er beglückwünscht ihn wegen seiner Heiterkeit und des ihn umgebenden Komforts und versichert, er habe ihn auch in der Folge nie wieder in so heiterer Stimmung, in so blühender Frische gesehen! Kurz, es ist die lebendigste Illustration zu den soeben angeführten, an Heine gerichteten Worten. Aus solchen Erzählungen, denen allemal ein Teil Wahrheit auf zehn Teile Irrtum und Einbildung zugrunde lag, machte man sich in der Heimat ein Bild von dem Leben des verbannten Künstlers!

Neben allen einleitenden Schritten für das Engagement der darstellenden Künstler und die szenische Erscheinung der Oper verursachte die, in monatelanger Arbeit mit so viel Mühe angefertigte Übersetzung des Textes, bei ihrer Überreichung an den Direktor der großen Oper, schließlich noch ganz besondere Schwierigkeiten.8 Dieser entsetzte sich über die beiden unbekannten Autoren, Roche und Lindau; auch gefielen ihm die Verse nicht, die der arme Roche auf Grund der mangelhaften Prosaübersetzung Lindaus zustande gebracht, vor allem schon, weil sie größtenteils reimlos waren. In dieser Gestalt verwarf er kurzweg die ganze Arbeit und erklärte sie für unmöglich: sie bedürfe einer erneuten gründlichen Feile und Durcharbeitung, und müsse vor allem in Reime gebracht werden, um den üblichen Anforderungen der großen Oper zu entsprechen. Für diesen Zweck empfahl er ihm den tüchtigen jungen Charles Nuitter, bereits damals Archivar der Académei Impériale de musique, und führte damit dem Meister zugleich einen seiner zuverlässigsten und ergebensten Freunde zu. Nun unternahm Nuitter eine völlige Neubearbeitung des Textes und brachte sie in die gewünschten Reime; als er damit fertig war, richtete Wagner die Partitur nach diesem französischen Texte ein. Auf dem Theaterzettel sollten Nuitter und Roche als Übersetzer genannt werden. Übrigens gab es keine Verhandlung zwischen dem Meister und Royer, in welcher letzterer nicht auf die Angelegenheit des Ballets zurückkam. Wie schon erwähnt, hatte ihn die angekündigte Erweiterung der Tanzszene im ersten Tableau (S. 258) keineswegs befriedigt; es sollte durchaus ein Ballet im zweiten Akte sein. Es war die ganze Willenskraft Wagners dazu erforderlich, um diese lästige Forderung von sich abzuweisen ›Erst gestern habe ich dem Direktor (zum so und so vielten Male) erklärt, der Tannhäuser werde so gegeben wie er ist, oder er werde garnicht gegeben. Was diese [271] Obstination heißt, können Sie gerade jetzt, wie Sie meine Lage kennen, am besten beurteilen.‹9 Trotzdem tauchte dieselbe Zumutung in wechselnder Gestalt immer wieder von neuem auf. Entweder man wollte den Abonnenten vor dem zweiten Akte ein, von der eigentlichen Oper ganz getrenntes, ›Tanz-Intermezzo‹ zum besten geben, worin die beliebte Ferraris und mehrere andere Tanzkoryphäen die Jockeys befriedigen sollten, oder: es sollte der zweite Akt in zwei Tableau gespalten, und das erste dann mit einem Ballet geschlossen werden! Er stünde sich selbst im Lichte und verhindere den Erfolg seines eigenen Werkes, wenn er auf dem Ausfall der in der großen Oper gebräuchlichen Zutat bestehe. Und jedesmal drangen diese erneuten dringenden Vorschläge als ebenso viele tatsächlich erfolgte Zugeständnisse Wagners in die Zeitungsöffentlichkeit.10 ›Halten Sie mich immer für so feig als Sie wollen‹, heißt es in einem darauf bezüglichen, vom 23. Juli datierten Protest an das Journal des Débats, ›aber seien Sie überzeugt, daß nur die Unkenntnis meines Werkes das durchaus Unmögliche als möglich erscheinen lassen kann.‹11

Eine weitere Arbeit fand sich der Meister durch eine Anregung seines mehrgenannten, hochgeschätzten Freundes Fréderic Villot auferlegt. Durch eine besonnene Darlegung der Ideen des Künstlers, so hatte dieser gemeint, würde viel Irrtum und Vorurteil der öffentlichen Meinung über ihn sich zerstreuen; mancher befangene Kritiker würde sich dem fremden Werke gegenüber besser orientiert finden und bei der bevorstehenden Aufführung nur das dramatische Kunstwerk selbst, nicht aber gleichzeitig eine bedenkliche Theorie beurteilen zu müssen glauben. Daneben erschien es geeignet, das Interesse des Publikums auch auf die übrigen Schöpfungen des Meisters zu lenken, was am passendsten durch die Mitteilung der ihnen zugrunde liegenden Dichtungen bewirkt werden könnte. Zu diesem Zwecke mußten letztere übersetzt werden. Die schier endlosen Schwierigkeiten, welche die Übersetzung des ›Tannhäuser‹ in Versen gekostet, und schon der dafür unerläßlich gewesene Zeitaufwand, ließen leicht erkennen, daß für den gegenwärtigen Zweck von dem poetischen Eindruck durch Vers und Reim ganz abzusehen sei und er sich daran genügen lassen müsse, durch eine Prosaübersetzung den jedesmaligen [272] Charakter des Sujets, die dramatische Behandlung und ihre Tendenz zu zeigen. Es handelte sich dabei um den ›fliegenden Holländer‹, ›Tannhäuser‹, ›Lohengrin‹ und ›Tristan und Isolde‹. Für den Zweck dieser Übersetzung bot sich ihm die Mitarbeit eines Mr. Challemel-Lacour, der sich seiner Aufgabe durch eine hinreichende Kenntnis der deutschen Sprache gewachsen zeigte und auch die französische Übertragung des einleitenden Briefes an Fr. Villot übernahm.

Schon in seinem am 20. Juli mit Schlösser geführten Gespräch hatte er darauf hingedeutet, sein Exil werde, wie er hoffe, nicht mehr von langer Dauer sein, nachdem man sich in gewissen Regionen endlich von seiner Ungefährlichkeit überzeugt und zu der Einsicht gelangt sei, daß man seiner Person eine politische Bedeutung beigelegt, die er in Wirklichkeit weder besessen noch erstrebt habe. Der entscheidende Anlaß zu dieser erwünschten Wendung war das neuerdings von ihm ausgegangene, durch seine schwierige Lage nach dem Fehlschlagen seiner Pariser Unternehmungen motivierte Gesuch (S. 259). Durch Befürwortung desselben von seiten hochgestellter Gönner war endlich der Damm gebrochen und an höchster Stelle beschlossen worden, seinem Aufenthalt in anderen deutschen Staaten, als Sachsen, kein Hindernis mehr in den Weg legen zu wollen. Demgemäß erhielt der Meister die offizielle Anzeige der sächsischen Regierung, sie werde in denjenigen Fällen, wo er zum Zweck der Aufführung seiner Werke ein deutsches Bundesgebiet betreten wollte, keinen Antrag auf Auslieferung bei den übrigen Landesregierungen stellen, dagegen aller dings eine Verfolgung gegen ihn eröffnen, wenn er gesonnen sein sollte, Sachsen selbst zu betreten! Mit einer wirklichen Amnestie oder Begnadigung hatte diese ihm übermittelte Anzeige auch nicht die mindeste Ähnlichkeit. Noch immer war und blieb er unter politischem Bann. An bedeutende und ausreichende Entschließungen zu seinen Gunsten konnte er daher von seiten keines Hofes noch denken, und seine Pläne für die Aufführung seiner letzten Werke waren durch diese neueste Entscheidung noch nicht erheblich gefördert. Der ihm persönlich sehr wohlwollende sächsische Gesandte Herr von Seebach12 eröffnete ihm dabei im Vertrauen, es würde dem König von Sachsen angenehm sein, wenn er der soeben in Baden-Baden befindlichen Prinzessin von Preußen seine Aufwartung machte, um ihr für ihre Teilnahme an dieser getroffenen Entscheidung zu danken. Dieser Umstand und der Wunsch, durch eine persönliche Unterredung sich Gewißheit zu verschaffen, ob er für weitere Unternehmungen auf deutschem Boden auf eine verständnisvolle Mitwirkung der hohen Dame rechnen könne, bestimmten ihn schnell zu dem Beschluß [273] einer kleinen Reise in die Rheingegend, womit er zugleich die Absicht verband, seine dort zur Kur befindliche Frau aus ihrem Badeort abzuholen. Da sich diese in der Nachbarschaft Wiesbadens, dem kleinen Soden, aufhielt, und an ersterem Orte Niemann für eine Reihe von Vorstellungen, von Leipzig her, als Gast erwartet wurde, geriet Wiesbaden in einige Erregung bei dem Gedanken, der große Tondichter werde bei einem Besuche der Stadt dort zum ersten Male seinen ›Lohengrin‹ hören – etwa wie Meyerbeer, der seit einigen Jahren im Sommer die Schwalbacher Eseltreiber in Nahrung zu setzen pflegte, gelegentlich desselben Niemannschen Gastspiels seinen Besuch verheißen hatte, um einer dortigen Aufführung seines ›Propheten‹ beizuwohnen!! Die Spannung war vergeblich. Um die Mitte August traf Wagner in Frankfurt a. M. ein, wohin ihm seine Gattin bereits entgegengekommen war. Wiesbaden mußte sich mit Meyerbeer begnügen13. Dagegen hielt sich der Meister einen Tag in Darmstadt auf, und reiste von dort nach Baden-Baden, wo er verabredetermaßen, in Begleitung ihrer Palastdame, der Gräfin Adele Haacke, die Prinzessin Augusta von Preußen antraf. ›Ich kann nicht sagen‹, meldet er darüber an Liszt, ›daß ich so kühn war, mit Erwartungen eines bedeutenden Eindruckes von dieser Seite her, vor die Prinzessin von Preußen getreten zu sein: ich war ganz zufrieden, in ihr eben die erwartete geistvolle, gescheite und lebhafte Frau zu finden, die ich mir vorgestellt hatte. Es genügte mir, ihr meine Anerkennung und meinen Dank für ihr ununterbrochenes Gefallen an meinen Arbeiten auszudrücken, ohne mich andererseits im mindesten verleiten zu lassen, irgend welchen Plan, irgend welchen Wunsch ihr mitzuteilen.‹14 Ganz in gleichem Sinne verlautbart er sich gegen Wesendonck über diese Begegnung: ›Sie (die Prinzessin) hat mir einen guten Eindruck gemacht, äußerte sich lebhaft und verständig und bezeugte mit vieler Wärme mir ihre Anhänglichkeit Kurz zuvor hatte ich aber so niederschlagende Berichte über den Stand der Berliner Oper erhalten, daß ich mich nicht bewogen fühlte, näher auf das Detail einer Aufführung meiner neuen Werke in Berlin gegen sie einzugehen.‹ ›Auch muß ich dir gestehen‹, fährt er gegen Liszt fort, ›daß mein Wiederbetreten des deutschen Bodens auf mich nicht den mindesten Eindruck gemacht [274] hat, höchstens daß ich mich über die Albernheit und Ungezogenheit der Sprache um mich herum verwunderte. Glaub' mir, wir haben kein Vaterland! und wenn ich »deutsch« bin, so trage ich sicher mein Deutschland in mir; und dies ist ein Glück, denn die Mainzer Garnison hat mich nicht eben begeistert. Mit eigentlichem Grauen denke ich jetzt nur an Deutschland und meine für dort berechneten zukünftigen Unternehmungen. Verzeih' es mir Gott, aber ich sehe dort nur Kleinliches und Erbärmliches, Anschein und Dünkel der Gediegenheit, ohne allen realen Grund und Boden. Halbheit in Allem und Jedem, so daß ich den Pardon de Ploërmel doch noch am Ende lieber in Paris sehe, als dort, im Schatten der berühmten, glorreichen deutschen Eiche!‹15 Das eine Angenehme hatte der schnell beschlossene und durchgeführte Ausflug, daß er ihm zum ersten Male zu näherer Kenntnis des Rheines und seiner Umgebung Gelegenheit bot. ›Ich fuhr mit dem Dampfschiff von Mannheim bis Köln und verwunderte mich über mich selbst: mich durch die interessante Wanderung noch so angeregt zu finden, wie ich es kaum mehr vermutet hätte. Der Drachenfels hat bei mir entschieden den Preis gewonnen: er gab der Fahrt einen schönen Schluß.‹16 Dagegen mußte er es bedauern, ein herzlich ersehntes Zusammentreffen mit Liszt auch auf dieser Reise unermöglicht zu sehen. Er hatte den Freund zuerst nach Frankfurt a. M., sodann (in einem zweiten Briefe) nach Baden-Baden berufen;17 beiden Einladungen konnte dieser leider nicht auf der Stelle entsprechen, und Wagner war aus guten Gründen verhindert, auf ihn zu warten, wie er es sonst gerne getan haben würde. Er hatte die ganze sechs- bis achttägige kleine Rheinreise seinen dürftigen Finanzen angepaßt; ein bis zwei Tage Erweiterung seines Reiseplanes hätten ihn notwendig in die peinlichste Verlegenheit bringen müssen. Nach Ablauf einer Woche war er wieder in der Rue Newton, in welcher die Abgrabungen bereits ihren Anfang nahmen und sein Asyl Schritt für Schritt der Vernichtung näher brachten.

Es diente ihm noch während des ganzen Monates September zur Vollendung seiner bereits erwähnten literarischen Arbeit, und zur musikalischen Komposition der neuen Venusberg-Szene. ›Bis zu meinem Rheinausflug hielt mich ausschließlich die Übersetzung (des Tannhäuser) gefesselt‹, meldet er brieflich an Liszt. ›Zurückgekehrt, hatte ich zunächst eine kleine schriftstellerische Arbeit auszuführen, welche jetzt eben erst (13. September) beendet ist.‹18 Obgleich seinem nächsten Zwecke nach für Frankreich und zur Einführung eines fremden Publikums bestimmt, geht dieses letztere Schriftstück, wie alle Kundgebungen[275] des Genius, weit über diese nächste Bestimmung hinaus. Es gewährt die lehrreichsten Aufschlüsse nicht minder über die Kunstziele Wagners, wie über seinen gesamten Bildungsgang, und flößt dem Leser, gleichsam als eine gedrängte Rekapitulation des Gedankeninhaltes seiner früheren Schriften, das zwiefache Interesse ein: ihm den künstlerischen Denker auf einer neuen Stufe seiner theoretischen Einsicht, dem Kerne nach aber durchaus als denselben zu zeigen, wie in den Schriften der vorausgegangenen Epoche. Verlag, Druck, Korrektur etc, ganz ungerechnet die Revision der Übersetzung selbst, kosteten viel Zeit, Umständlichkeiten und Besorgungen. Ein französisch geschriebenes Briefchen an den Übersetzer, Mr. Challemel-Lacour, vom 22. August, also bald nach seiner Rückkehr, meldet diesem die Bedingungen seiner Übereinkunft mit dem Verleger, Herrn Bourdillat, Inhaber der Librairie nouvelle (Boulevard des Italiens 15), in welcher vor kurzem auch Liszts geistvolles Buch: Des Bohémiens et de leur musique im Druck erschienen war. Wir entnehmen demselben die Tatsache, daß der Übersetzer dafür den bescheidenen Betrag von 60 Francs für den Bogen, mithin im ganzen etwa 1000 Francs, davon die Hälfte als sofortige Anzahlung, als Lohn für seine Mühe empfing. Von einem Honorar für den Autor ist dagegen mit keinem Worte die Rede. Es ging damit im kleinen gewiß genau so, wie mit der Aufführung des ›Tannhäuser‹ im großen, die z.B. Niemann jeden Monat kontraktlich bare 6000 Francs, dem Autor aber, der durch seine Werke Hunderten und Tausenden zu leben gab, für alle aufreibenden Bemühungen gar nichts eintrug, als die Aussicht auf eine Tantieme von 500 Francs für jede Vorstellung, wovon er für die ersten zwanzig Vorstellungen die Hälfte an den Übersetzer abtreten mußte. Es bedurfte demnach rund 22 Aufführungen, bis auf seinen Anteil auch nur der Betrag einer einzigen Monatsgage seines Sängers entfallen wäre! So fern dem strengen Idealismus des Künstlers, der nie und nirgends nach etwas anderem fragte als nach seiner Kunst, derartige vergleichende Berechnungen lagen, so bitter müssen sie hingegen einem jeden nahetreten, der teilnehmend seinen Lebensgang verfolgt. Um eben diese Zeit sehen wir ihn es fast schon bereuen, seinem Gönner Baron Erlanger auf dessen Anerbieten zögernd geantwortet zu haben. Die Situation, der er durchaus ein Ende machen mußte, wenn er sich Ruhe für seinen Geist finden wollte, kehrte schon gegen die Mitte September wieder: er bedurfte von heute zu morgen 5000 Francs, sein freundlicher Gönner war verreist, und alles ließ ihn im Stich.19 Wiederum vernehmen wir nur seinen Notschrei, nichts Näheres aber über die Palliativmittel, mit denen er sich vorübergehend, bis zu Erlangers sehr verzögerter [276] Rückkehr, aus seiner peinlichen Verlegenheit half. Daneben fehlte es nicht an fortgesetzten Verdrießlichkeiten mit seinem Hauseigentümer und Advokaten. Es galt demnach, sich aus allen Kräften zusammenzunehmen, um unter solchen Umständen eine große höchst schwierige Szene seines Werkes ganz neu zu komponieren, während andererseits, seit dem 24. September, im Foyer der großen Oper bereits die Klavierproben ihren Anfang nahmen. Es geschah dennoch, und geschah mit heißer Schöpferglut und großer innerer Befriedigung; ja, gerade der Beginn der Proben und die dadurch erfolgte erste Wiederberührung mit den Organen seiner Kunst trug das Ihrige dazu bei. ›Die bei uns ganz unbekannte Sorgsamkeit, mit welcher hier die Gesangsproben am Klavier betrieben wurden, überraschte mich, und unter der verständigsten und feinsinnigsten Leitung des Chef du chant Vauthrot sah ich bald unsere Studien zu einer seltenen Reise gedeihen. So faßte auch ich selbst wieder Lust zu diesem meinem älteren Werke: auf das Sorgfältigste arbeitete ich die Partitur von neuem durch, verfaßte die Szene der Venus sowie die vorangehende Balletszene ganz neu, und suchte namentlich auch überall den Gesang mit dem übersetzten Texte in genaueste Übereinstimmung zu bringen.‹20 Bemerkenswert ist die Tatsache, daß hierbei Wagner – von jenen Romanzen seines frühesten Pariser Aufenthaltes abgesehen – zum ersten und einzigen Male tatsächlich eine französische Wortunterlage in Musik gesetzt hat.21 Nach vollendeter Dichtung hatte er dieselbe, noch vor der Komposition, dem Übersetzer Nuitter zur Ausführung in französischen Versen übergeben, und dann erst nur eine einigermaßen geeignete Stimmung abgewartet, um den fertig übersetzten Text zu komponieren und zu instrumentieren.22

Die gleiche Stimmung einer warmen Befriedigung an diesem ersten Werden und Entstehen seines Werkes spricht sich in einem Briefe an Liszt aus: ›Für jetzt‹, heißt es darin, ›nimmt mich nun mein Pariser Vorhaben ausschließlich in Anspruch, und verdeckt mir wohltätig den Blick auf mein zukünftiges deutsches Misère. Mich dabei glücklich zu fühlen, wirst Du wahrscheinlich nicht von mir erwarten: doch empfinde ich die Ruhe des Fatalisten, der sich seinem Schicksale überläßt, vielleicht verwundert über die oft sonderbare Art, wie es über mich disponiert und mich in unvermutete Bahnen leitet – im stillen mir sagend: es muß am Ende wohl so sein! Noch nie ist mir das Material zu einer ausgezeichneten Aufführung so voll und unbedingt zu Gebote gestellt worden, als diesmal in Paris an der großen Oper, und ich kann nicht anders wünschen, als daß je ein deutscher Fürst für meine neuen Werke mir ein Gleiches erweisen möchte, als was mir hier [277] erwiesen wird. Es ist der bisherige einzige Triumph meiner Kunst, den ich persönlich erlebe. Ein wirklich kaiserlicher Befehl macht mich zum Meister alles Materiales und gibt mir Schutz gegen jede Intrigue. Ich weiß nicht, welche Gerüchte bei Euch kursieren über mir bereitete Schwierigkeiten: sie sind vielleicht gut gemeint, aber irrig. M(eyerbeer), der hier jetzt sein scheues Wesen treibt, kann am Ende nichts gegen den Kaiser und die Sache ausrichten. Er sucht sich dagegen der guten Engagements, die man zu meinen Gunsten gemacht, zu seinem späteren Vorteil zu versichern. Nun, das gönne ich ihm; Initiative hatte dieser Mensch doch nie. Die endlich wirklich nach höchster Möglichkeit gelungene Übersetzung läßt mich nach jeder Seite hin einen glücklichen Erfolg hoffen. Der bestmöglichen Sänger bin ich versichert; für jeden Zweig der Ausstattung herrscht ein Eifer und eine Sorgsamkeit, an die ich von Deutschland her wenig gewöhnt bin. Das sämtliche Direktionspersonal geht mit Lust an eine Arbeit, die ihm eine interessantere Beschäftigung als die gewöhnliche verspricht. Auch ich betrachte die Sache ernst. Von mir in der Partitur erkannte Schwächen werden entfernt. Mit großer Lust bearbeite ich die Venus-Szene neu; auch die Balletszene wird, nach einem von mir erweiterten Plan, ganz neu ausgeführt.‹23 So kam der Anfang Oktober und damit die gebieterische Notwendigkeit des Umzuges heran. Die Newtonstraße war durch die vorgerückten Um- und Ausgrabungen (um sie bis auf viertehalb Meter zu vertiefen) schlechterdings nicht mehr passierbar. Er hatte bis zuletzt darin ausgehalten. Die große neue Venus-Szene war so weit gediehen daß er nur noch zwei Tage zu ihrer Vollendung brauchte; aber er mußte sich fügen und das Unvermeidliche vor sich gehen lassen.

Wie dieser Umzug vor sich ging, erfahren wir durch ihn selbst: er war dabei ›auf seiner Seite der einzige französisch Sprechenkönnende‹.24 Das Wetter war rauh, Minna leidend, von einer Schonung seiner Gesundheit nicht die Rede. Aus der schönen Villa der Champs Elysées ging es in einen düstern zweiten Stock der rue d'Aumale Nr. 3, die in der Erinnerung Malvidas von Meysenbug als eine unsympathische Wohnung fortlebt und von Niemann als eine ›außerordentlich dürftige Behausung‹ bezeichnet wird. Gewiß war dies auch des Meisters eigene Ansicht, doch hören wir darüber von ihm nicht ein Wort der Klage. Hätte er über 6000 Francs monatlich zu verfügen gehabt, gewiß hätte er sich angenehmer installiert. ›Nun bin ich denn in der eigentlichen Stadt, in einer verhältnismäßig stillen Straße, nicht sehr weit von der Oper. Vieles wird mir dadurch leichter. Die Wohnung selbst, nicht sehr geräumig, ist doch wieder wohnlich eingerichtet, und – es muß nun einmal wieder gehen.‹ ›Als ich mir das letzte Häuschen einrichtete, hatte ich ja auch für Paris nichts anderes im Sinne, als bald wieder meine Arbeiten [278] vornehmen und dafür ruhig und ungestört wohnen zu können. Nur wenn ich die Muse zu mir zaubern und festhalten will, denke ich ernstlich daran, meinen Hausraum mir mit Ruhe und Traulichkeit herzurichten: habe ich Geschäfte zu besorgen, mich müde zu hetzen und halb tot nach Hause zu kommen, so genügt der engste Winkel, mir dann Ruhe zu geben. Denn diese Ruhe ist etwas weit Geringeres als die Ruhe zum Schaffen.25 Als eine Unterbrechung widerlichster Art empfand er die Umzugsbeschwerde hauptsächlich für die Vollendung der großen Venusszene, deren letzter Abschnitt ihm noch zu komponieren blieb. Es war nicht etwa bloß die veränderte Umgebung, die ihn hinderte, da wieder anzuknüpfen, wo er zehn Tage vorher stehen geblieben war, sondern tausend störende Zwischenfälle und mühsam zurückgestaute verdrießliche Alltagssorgen waren dabei mit entfesselt, die ihm den Schlaf der Nächte raubten.26 Der Herbst machte sich fühlbar, ein Erkältungsunwohlsein lag ihm von den Umzugstagen her in den Gliedern. Dazu seit vier Wochen tägliche Proben, tägliche Konferenzen mit Dekorationsmalern, Regisseur, Kostümier etc. ›Sie denken wohl‹, schreibt er an Wesendonck, ›wie, bei dem übermäßigen Ernste, den ich jeder meiner Beschäftigungen gebe, dies mich angreift! Meine Haupttendenz für meine Lebensweise geht darauf hin, soviel wie möglich schnell auf einmal abzutun, um dann mich isoliert in meiner Klause halten zu können. Seit dieser Nacht stellt sich auch der Schlaf wieder etwas ein‹. Endlich – trotzte er es ab, und vollendete (18. Oktober) die Szene, wenigstens in der Komposition, so daß ihm nur die Orchestrierung noch übrig blieb.27

Was ihn guten Mutes erhielt, war eine fortgesetzte Lust und Liebe des ganzen Personales für die Aufgabe, wie er sie an deutschen Bühnen kaum je noch er lebt hatte. ›Man studiert mit einem Eifer, einem Ernst, einer Genauigkeit, die mir, als das immer gewünschte Muster eines solchen Studiums, bisher als unerreichbar gegolten haben. Diese Pünktlichkeit und minutiöseste Sorgsamkeit auf jedes Detail verwendet, habe ich bei einem Institute dieser Art noch nie auch nur annähernd kennen gelernt. Mein deutscher Sänger Niemann reißt die Augen auf und gesteht, nun erst seine Partie kennen zu lernen. Außer der ungemeinen Vortrefflichkeit der ganzen Institutionen der Oper,28 habe ich namentlich die persönliche außerordentliche Befähigung [279] der Vorgesetzten zu loben. Vor allem ist der Directeur du chant, welcher die Sänger am Klaviere einstudiert, ganz unschätzbar. Alles Technische des Studiums wird mit einer unvergleichlichen Genauigkeit und Sauberkeit erledigt, die mindesten Unebenheiten des Textes etc. auf das Feinste ausgeglichen – der Übersetzer (Nuitter) ist stets zugegen – so daß ich eben nur dem technisch ganz Vollendeten den eigentlichen Geist einzuhauchen habe. Diesselbe gilt von jedem Teil der vorbereiteten Aufführung. Dekorationen und alles die mise-en-scène Betreffende wird das Ideal meiner Wünsche erreichen. Dazu finde ich bei allen und jeden einen so vollständig guten Willen, einen so ganz ungekannten Fleiß, daß ich mit solchen Dispositionen die feinsten Schwierigkeiten zu überwinden sicher bin.‹29 Namentlich freute es ihn zu sehen, wie nach und nach die jüngeren französischen Talente zum Verständnis der Sache gelangten: in wenigen Wochen schwanden unter so sorgfältiger Anleitung alle vorgefundenen üblen Vortragsgewohnheiten. Von Wolfram-Morelli war in diesem Sinne schon im voraus die Rede; mit Mlle. Sax ging in seinen Händen binnen kurzem die gründlichste Umwandlung vor sich.30 Von der Tedesco als Venus meldet später Bülow, als er sie zu hören bekam: ›Diese Person singt mit einer Reinheit der Intonation und einem ins Zeug gehen, daß einem das Herz im Ohre lacht. Diese Italienerin hat mich gelehrt, daß eine deutsche Sängerin sehr lumpig sein muß, wenn sie die Partie der Isolde nicht bewältigt!‹ Am schwierigsten hielt es, eine geeignete Vertreterin für die Partie des jungen Hirten zu finden; ein nach mehrfachen Versuchen gewählter Zögling der Gesangsabteilung des Konservatoire, Mlle. Reboux, erwies sich im Verlaufe der Proben als wenig tauglich. Zu den Gesangsproben am Klavier, im Foyer der großen Oper, stellten sich auch der Orchesterdirigent, sowie endlich der Regisseur als regelmäßige Zuhörer ein: hier ward das darzustellende Werk nach allen Richtungen hin durchgegangen und dem technischen Plane nach die ganze Aufführung im voraus angeordnet. In der Person des Chef d'orchestre, des Mr. Louis Dietsch, machte er die nachträgliche Bekanntschaft seines einstigen Nebenbuhlers um die Komposition des ›fliegenden Holländers‹ für die große Oper. Er war jener bevorzugte ältere Kandidat, dem damals Wagner das ihm zugesagte Vorrecht abtreten mußte, und der dann mit seinem, wirklich zur Aufführung gelangten ›vaisseau fantôme‹ ein so beschämendes Fiasko erlitt, daß er sich nie wieder an eine dramatische Komposition gewagt hatte.31 Die völlige [280] Dirigentenunfähigkeit dieses, trotzdem sehr selbstbewußten ›Meyerbeerschen Unteroffiziers‹ (wie ihn Herwegh nennt) sollte er erst von dem Augenblicke an kennen lernen, als derselbe an die Spitze des Orchesters trat, um durch seine Mitwirkung mit einem Schlage alle während der Klavierproben erweckten Hoffnungen zu vernichten.32 Wo die Solistenproben im Foyer der Oper noch nicht ausreichten, nahm Wagner diesen oder jenen Sänger noch eigens in seiner Wohnung vor. Ein Beispiel davon berichtet die getreue Malvida, als sie, im Oktober von London nach Paris zurückgekehrt, einen ihrer ersten Gänge in die Wohnung des Meisters richtete. Ich fand ihn nicht mehr in dem freundlichen Häuschen vom vergangenen Winter, sondern in einem zweiten Stock, in einem großen, von vielen Menschen bewohnten Hause, in einer der geräuschvollsten, dunkelsten Straßen von Paris. Dieser Wechsel hatte aus pekuniären Gründen stattfinden müssen. Es schnitt mir tief in das Herz, das zu sehen. Ich fühlte, wie schrecklich es für Wagner sein mußte, in einer so unsympathischen Wohnung zu weilen. Als ich hinkam, hörte ich schon von außen, daß musiziert wurde. Ich wurde in den Saal geführt; Frau Wagner kam mir entgegen, hieß mich flüsternd willkommen, und bot mir einen Sitz an, auf den ich mich schweigend niederließ. Er selbst war am Flügel mit einer jungen Sängerin beschäftigt, die den Gesang des Hirtenknaben aus dem ›Tannhäuser‹ studierte. So kam ich denn gleich zu den ersehnten Studien. Nach beendigter Probe kam Wagner auf mich zu, bewillkommnete mich herzlich und sagte: ›Wie gut, daß Sie gekommen sind! Eine bessere Aufführung als die hiesige werden Sie nie hören. Sie wird ausgezeichnet.‹33

Die täglichen Klavierproben im Foyer, denen sich seit dem 6. Oktober regelmäßig dreimal wöchentlich noch die Chorproben zugesellten, waren, unter stetem Beisein des Meisters (nur drei Proben, am 10., 13. und 19. Oktober hatten ohne ihn stattgefunden) bis über das erste Viertelhundert vorgeschritten. Bereits war man im dritten Akte – da empfing (27. Oktober) einer seiner Mitarbeiter von seiner Hand ein Billet folgenden Inhaltes: ›Lieber Freund, wären Sie wohl so gut mich bei Mr. Croharé für die heutige (Sonnabend-) Probe zu entschuldigen. Ich bin dermaßen ermüdet oder vielmehr überreizt, daß ich einige Tage völliger Ruhe bedarf. Ich werde Montag wiedererscheinen. Einstweilen würde mich Herr Croharé außerordentlich verpflichten, wenn er Herrn Morelli die Noten des dritten Aktes gänzlich [281] beibringen wollte.‹ Es war anders bestimmt. Er konnte am ›Montag‹ nicht wiedererscheinen. Die vorstehenden Zeilen waren seine letzten vor dem Ausbruch einer schweren Krankheit. Der Mangel an Schonung während des Sommers,34 mit allem was darauf folgte, bis zu den letzten Überanstrengungen, warf ihn – kaum drei Wochen nach seinem Einzug in dierue d'Aumale – auf das Krankenlager. Es war ein typhöses Fieber, das auf seinem Höhepunkte mit allen Symptomen einer Gehirnentzündung auftrat. Im heftigen Ringen auf Tod und Leben behauptete sich seine energisch zähe Natur gegen den erbitterten Ansturm der Krankheit; aber der Kampf war schwer und erschöpfend und dauerte auch nach überstandener Krisis noch wochenlang fort. Der überwundene Feind zog sich nur langsam zurück, und er bedurfte der äußersten Schonung, um allmählich wieder zu Kräften zu kommen. In diese Zeit des schweren Ringens mit der Krankheit und erster Rekonvaleszenz spielen zwei jener an sich so unbedeutenden Vorfälle, die der Mitwelt gegenüber so angelegentlich dazu ausgebeutet wurden, um ihr das Charakterbild des Meisters in der gebräuchlichen entstellenden Weise auszumalen. Der eine hat den bekannten dramatischen Dichter Friedrich Hebbel, der andere den Theaterdirektor Franz Wallner zum Helden. Der große ›Nibelungendichter‹35 befand sich damals in Paris und hielt es für angemessen, dem Komponisten des ›Tannhäuser‹ einen Besuch zu machen. Gewiß gab es manche Personen, deren Besuche der Meister abgelehnt oder nicht erwidert haben würde; bei Hebbellag dazu nicht die mindeste Veranlassung vor. Daß er diesen zu jeder anderen Zeit mit Vergnügen empfangen haben würde, hat er ihm später in Wien durch einen Gegenbesuch bewiesen. Damals hat er schwerlich nur ein Wort von der beabsichtigten Aufmerksamkeit erfahren, und seine besorgte Umgebung hatte zu viel mit seiner unmittelbaren Pflege zu tun, um auf jeden einzelnen der zahlreichen Besuche besonders zu achten, die von den verschiedenen befreundeten Seiten her mit begreiflicher Teilnahme seinem Befinden nachfragten. Der ›nicht vorgelassene‹ Dichter aber hielt ›die angebliche Krankheit Richard Wagners für einen leeren Vorwand‹; er war darüber ›ziemlich indigniert‹, und sprach sich nach mehreren Seiten hin ganz offen in diesem Sinne aus.36 Ähnlich, nur noch absonderlicher in seinen Einzelheiten, ist der von Franz Wallner nach langen Jahren (1868) mit all seinen abenteuerlichen Details hervorgesuchte Vorfall, auf Grund dessen er den Meister in einer beliebigen Zeitungsfeuilletonplauderei [282] öffentlich der ›Rücksichtslosigkeit‹ bezichtigte, nachdem er vermutlich dasselbe schon vorher unzählig oft privatim gegen einen jeden getan, der daran Gefallen fand!37

Nach dem urkundlichen, aus den Archiven der großen Oper geschöpften Probenplan in Nuitters vortrefflichem Aufsatz über die ›Tannhäuser‹-Proben ist Wagner trotz seiner schweren Krankheit im ganzen überhaupt nur vierundzwanzig Tage (also nicht einmal einen vollen Monat) von den Klavierproben entfernt gewesen: am Dienstag d. 20. November war er schon wieder auf dem Platze. Der Grund seines beschleunigten Wiedererscheinens ist aus eben demselben Probenplan ersichtlich. Während der Dauer seiner Abwesenheit waren die Arbeiten schlaff und lässig betrieben und endlich ohne jeden Grund zehn Tagelang völlig ausgesetzt. So sehr hatte er alles durch seine eifrige Mitarbeit verwöhnt. Anderenfalls hätte die Aufführung schon im Dezember (worauf eigentlich gerechnet war!) oder doch spätestens im Januar stattfinden können. In jedem Sinne wäre dies im Interesse des Meisters und des Werkes gewesen, welches alsdann bis zum Ablauf von Niemanns Kontrakt (im Monat Mai) unausgesetzt hätte gegeben werden können. So aber schien ohne seine persönliche Gegenwart nichts vonstatten zu gehen. Und doch erholte er sich nur unmerklich; bei der geringsten Anstrengung brach ihm der Schweiß aus. Er mußte sich auf die Vorschrift seines Arztes (Gasperini) trotz der spätherbstlichen Jahreszeit für vierzehn Tage auf das Land – nach Meudon – begeben, und kam dann jedesmal [283] nur zu den Proben zur Stadt. Mit welcher Pünktlichkeit, – das beweist das von Nuitter veröffentlichte Probenverzeichnis! ›Meine Kräfte kommen nur sehr langsam wieder,‹ schreibt er am 15. Dezember, ›und was meine Wiedergenesung so sehr erschwert und für jetzt sogar unmöglich macht, sind die außerordentlichen Anstrengungen und Aufregungen, denen ich meine kaum sich erholende Gesundheit aussetzen muß. Meine ganze Tagesbeschäftigung besteht darin, daß ich durch äußerste Schonung und durch Enthaltung von jeder anderen, noch so geringen Tätigkeit es mir möglich mache, den täglichen Proben beizuwohnen‹38. Die Korrekturen der ›Rheingold‹-Partitur, welche die Schottsche Firma so gern zu Weihnachten veröffentlicht hätte, lagen seit sieben Wochen unberührt auf seinem Tische, ohne daß er sie fördern konnte. Dazu kamen gegen den Jahresschluß und im besonderen Anlaß seiner Krankheit auch wieder die alten materiellen Sorgen. Diesmal faßte er sich kurz; er wußte, an wen er sich – so dicht vor den verhofften bedeutenden Einnahmen – zu wenden hatte, und der Entschluß fiel ihm nicht schwer. Vor einem Jahre hatte ihm Wesendonck für den Fall der Not ein Darlehen angeboten; jetzt war der entscheidende Zeitpunkt gekommen, für den er das Anerbieten des Freundes mit Dank entgegennahm. ›Ich habe alles erschöpft, und bin selbst aufs äußerste erschöpft,‹ heißt es in seinem Briefe vom 6. Dezember, dem er schon zehn Tage später den Dank für die Sendung des Erbetenen folgen läßt. ›In dem Studium des Tannhäuser‹, berichtet er dabei, ›ist durch meine mehrwöchentliche Krankheit doch eine Verzögerung eingetreten. Doch rechne ich immer noch auf die letzte Woche des Januar, nämlich, wenn ich durch ein Wunder noch meine Kompositionen zur rechten Zeit fertig bekomme.39 Jetzt beginnen wir mit den Vorbereitungen zur eigentlichen mise-en-scène; d.h. in einem mit einer Bühne versehenen Foyer werden die feineren Züge und die Hauptmomente des dramatischen Spieles festgestellt. Bereits ist in dieser Art die neue Szene mit Venus und Tannhäuser geordnet; sie macht einen außerordentlichen Eindruck. Bald denken wir denn auch auf die wirkliche Szene hinabzusteigen; dann kommt – als letztes – das Orchester dazu, das bisher für sich einstudiert wird Meine Macht dauert ununterbrochen fort und ist jetzt eher stärker als früher, da die Metternich, die mir immer ergebener wird, und Walewski‹ (der neue Staats- und Hausminister) ›besonders befreundet sind. Also – wie Gott will!‹40

[284] Was in diesen Nachrichten nicht besonders hervorgehoben wird, so sehr der Meister darunter litt, war die betrübende Wahrnehmung, daß nach der durch seine Krankheit hervorgerufenen Unterbrechung der schöne eifrige Zug unter sämtlichen mitwirkenden Kräften nicht mehr derselbe war, wie zuvor Gleichzeitig waren ganz in demselben Maße, als es mit dem ›Tannhäuser‹ Ernst wurde, die Bestrebungen der feindlich gesinnten Presse in ein Stadium der Rührigkeit getreten, das dem gewünschten Erfolge von außen her verhängnisvoll zu werden drohte. ›Es steht als eine ausgemachte Tatsache fest‹, berichtet Ed. Schelle41, ›daß der Sturz Wagners schon längst vor der Aufführung von einer gewissen Partei fest beschlossen war, und daß eine ebenso unwürdige, wie systematisch angelegte Kabale die Stimme der öffentlichen Meinung im voraus in Beschlag genommen hatte. Das ganze Gebahren dieser feilen und bei aller Anmaßung unglaublich armseligen Partei ließ schon seit Monaten erraten, daß von ihrer Seite nur Haß und Widerspruch zu erwarten war.‹ Handelte es sich doch für den moralischen und finanziellen, verborgenen Urheber dieses ganzen illoyalen Kampfes um eine letzte äußerste Entscheidung: ob die mit umsichtiger Ausnutzung aller Umstände, Verbindungen und Beziehungen bis dahin behauptete Herrschaft über die Pariser Bühne künftig noch in seiner Hand bleiben sollte oder nicht? Noch im September hatte ihn Wagner in Paris auf dem Schauplatze seiner Tätigkeit beobachtet (S. 278); mit Humor berichtet Liszt über einen Anfang Dezember ihm in Berlin in seiner Wohnung am Pariser Platz abgestatteten Besuch. Seine dienstbeflissenen Journale hatten soeben von der Seine bis zur Spree als neuestes Bulletin die Nachricht ausposaunt: sogleich nach dem ›Tannhäuser‹ solle die famose ›Afrikanerin‹ an der Pariser Oper in Szene gehen.42 Hierüber befragte nun Liszt ausforschend den illustrissimo maestro, worauf dieser ablehnend erwiderte, die Nachricht sei unbegründet: ›er ziehe es vor zuwarten.‹43 ›In Paris fand ich zu meinem Erstaunen‹, sagt Wagner selbst, ›daß namentlich [285] auch diese sorgsamste Leitung (dieser Kabalen) gar kein Geheimnis war. Jeder wußte die wunderlichsten Züge davon zu berichten, namentlich in betreff der bis in das Kleinlichste gehenden Sorge, das Geheimnis, da es nun doch einmal durch zu viele Mitwisser der Unverschwiegenheit ausgesetzt war, wiederum dadurch wenigstens vor öffentlicher Denunziation zu bewahren, daß jedes noch so winzige Löchelchen, durch welches es in ein Journal dringen konnte, verstopft würde, und sei dies selbst durch eine Visitenkarte im Schlüsselloche eines Dachkämmerchens. Hier gehorchte denn auch alles wie in der bestdisziplinierten Armee während der Schlacht.‹44 Und wo, außer in Paris, seinem angestammten Heerlager, hätte sich ein so ausgiebiges Arsenal von Waffen bereit gefunden? Entfesselung schlechter Instinkte jeder Art, bis zur Ausbeutung der gleichzeitigen politischen Emotionen, bis zur künstlichen Aufstachelung eines nationalen Gegensatzes, wie er damals (lange Jahre vor dem Kriege von 1870) in dem unbefangenen französischen Publikum gar nicht vorhanden war, die leicht zu reizende natürliche Oppositionslust der Pariser, die Eifersucht französischer Kunstgenossen, die den deutschen Künstler mit einer Auszeichnung bevorzugt sahen, wie sie der kaiserliche Hof bisher noch keinem französischen Komponisten bewiesen, – das waren die mannigfach gemischten Elemente, aus deren geschickter Verflechtung die Intrigue kunstvoll ihr Netz spann, um es der vielhäuptigen Pariser Öffentlichkeit unvermerkt über die Köpfe zu werfen. ›Der Tannhäuser muß tot intriguiert werden, lautete die Parole schon seit Monaten‹, so faßt Herwegh in einem Artikel für eine Züricher Zeitung das Ergebnis seiner Beobachtung der französischen Presse in Paris und Brüssel zusammen, – und die dazu wirkenden Kräfte waren überall ›Moses und die Propheten, oder vielmehr: Moses und der Prophet‹.45 Nach Schelle hätten sich mit Beginn des neuen Jahres ›sechs Pariser Blätter durch geheime Übereinkunft verpflichtet, in fester Reihe abwechselnd jeden Tag einen Ausfall gegen den Tannhäuser zu bringen, wozu das Personal der Oper selbst, oder wenigstens dessen unzufriedener Teil, bereitwillig den Stoff lieferte‹. ›Man nennt dies Verfahren: »faire la scie«‹, fügt er erläuternd seiner Schilderung bei.46

Zum Teil ein bloßes Werkzeug in Meyerbeers mächtigerer Hand, dem er, wie Wagner wohl wußte, tief verschuldet war,47 hegte unter allen Pariser Musikern doch Hektor Berlioz noch einen ganz besonderen persönlichen Haß gegen ihn, den weder Liszts noch Wagners eigene aufrichtige Bemühungen[286] je hatten besiegen können.48 Aus diesem Grunde sehen wir Wagners Freunde bemüht, zur Abschwächung aller noch in Aussicht stehenden Feindseligkeiten von dieser Seite her den Meister in eine direkte freundschaftliche Beziehung zu Mr. Bertin, dem Besitzer und Direktor des ›Journal des Débats‹, zu setzen. ›Ihre Kombination der »Débats« für Wagner ist bewundernswert‹, schreibt Liszt in dieser Beziehung an Mme. Street in Brüssel, ›vorausgesetzt, daß unser Freund sich derselben auch nur ein wenig zu bedienen weiß.‹49 Genau auf die gleiche Art hatte sich einst der weltkluge Meyerbeer mit dem ihm unbequemen Kritiker Fiorentino in ein dauerndes gutes Einvernehmen gesetzt, indem er sich planmäßig mit dem Besitzer des ›Pays‹ befreundete. Dem wohlgesinnten Drängen seiner Freunde in solchen Dingen einen schroffen Widerstand entgegenzusetzen, wo er sich nichts damit vergab, hat Wagner stets fern gelegen, aber der Ausgang seiner Bemühungen ist charakteristisch. ›Es gibt mir eine eigentümliche Genugtuung‹, schreibt er darüber nach Brüssel (27. Dezember 1860), ›Ihnen zu berichten, daß meine schönen, mir sehr kostbaren Besuche bei Herrn G. auch nicht das mindeste Resultat hervorgerufen haben. Nach ungemeiner Freundlichkeit seinerseits, und nach erhaltener Versicherung, daß er in der »anderen Woche« ein Zusammentreffen von Bertin und mir veranstalten werde, hat seitdem nichts wieder verlautet. Ich suchte ihn, mit großer Beschwerde – und sehr gegen meine Neigung wieder auf; als ich ihn endlich antraf (er hatte mich währenddem auch einmal nicht angetroffen), berichtete er mir: Herr Bertin sei voller Feuer für mich; unglücklicherweise sei er jetzt im Begriff eine neue Wohnung zu beziehen, was ihn – begreiflicherweise – verhindere mich zu sehen. Und so – ist's denn aus! Die Sache spielt nun sieben Wochen!! Ich sagte, es gäbe mir dieser Ausgang Genugtuung, und ich wiederhole dies: 1) weil er meine Erfahrung von allem, was Franzose und namentlich Pariser heißt, bestätigt;50 2) weil es meiner Abneigung, in ähnlichen Dingen etwas zu tun, eine sehr weise Begründung gibt, und zugleich auch Ihnen erklären wird, warum ich nicht sonderlich eifrig war, Ihrem so freundlich gemeinten Winke zu folgen. Woraus Sie denn ersehen, daß ich ein besserer Diplomat bin als Sie, und vielleicht selbst Papa!!51

[287] In rastloser Tätigkeit war dem Meister der Monat Dezember dahingegangen; die täglichen Solistenproben am Klavier hatten nur Sonntags und am Weihnachtstage, sowie in der Zeit vom 28. Dezember bis 2. Januar ausgesetzt. Mit seiner Gesundheit ging es nun wieder zur Not; doch war er sich vollbewußt, daß seine Anstrengung eine ›übermenschliche‹ sei: ›mein Bestehen dabei – ein reines Wunder!‹ Auch hier wieder das ›alte Lied‹, daß er ›alles und jedes Accessoir selbst zu besorgen hatte‹. Unter anderem galt dies von den Hornisten zur Jagdmusik des ersten Aktes. Geeignete Hornbläser in der gewünschten Anzahl, ja selbst nur die dazu erforderlichen Instrumente, waren in dem weiten großen Paris gar nicht aufzutreiben; und wenn ihm dies endlich dennoch gelang, so war es nur durch persönliche Bemühungen undenklichster Art. Nuitter gibt den Wortlaut eines im Archiv der Oper aufbewahrten Blättchens, auf welchem von Wagners Hand die erforderlichen Ergänzungsinstrumente auf, hinter und unter der Szene verzeichnet sind; das Blatt sei mit Radierungen und Bleistiftkorrekturen bedeckt, infolge von Reduktionen, in die er habe einwilligen müssen.52 ›Da es in Paris nicht genug Hörner geben wird‹, heißt es darin, ›müßte Mr. Sax gebeten werden, einen Teil derselben durch Instrumente seiner Erfindung von gleicher Klangfarbe, vielleicht Saxophons, zu ersetzen.‹ Tatsächlich hat es dieser Herr Sax nicht unterlassen, der Administration für die von ihm gelieferten Instrumente eine Entschädigungsforderung von 3000 Francs zu überreichen, die zu den anderweitigen Unkosten der Aufführung geschlagen wurde.53 Was eine wirkliche Herabstimmung der Hoffnungen Wagners herbeiführte, war nicht so sehr der drohende Widerstand von außen her, als vielmehr das Innewerden dessen, daß die Aufführung selbst sich nicht auf der von ihm erwarteten Höhe halten würde. Die günstigen Hoffnungen, die er im Laufe der Klavierproben genährt, sanken immer tiefer, je mehr man sich mit der Szene und dem Orchester berührte. Er sah, daß sie wieder auf dem Niveau einer gewöhnlichen Opernaufführung ankamen und daß alle Forderungen, die weit über dieses Ziel hinausführen sollten, unerfüllt bleiben mußten. Das Bedenklichste war jedenfalls, daß der verwöhnte Sänger der Hauptrolle, infolge seines für nötig erachteten Verkehrs mit den Rezensenten, welche ihm den unerläßlichen Durchfall [288] der Oper voraussagten, je mehr man sich der Aufführung näherte, in wachsende Entmutigung verfiel, und sich von der gemeinsamen Sache loszusagen begann. Weder öffentlich, noch in irgendwelchen, uns bekannt gewordenen brieflichen Auslassungen hat sich der Meister des Näheren darüber ausgesprochen, mit welcher besonderen Bitterkeit er dieses Verhalten seines Hauptsängers empfand, der ihm doch im Grunde einzig für den Erfolg seines Werkes zu bürgen hatte. Desto mehr sagt uns wohl gerade sein Schweigen über diesen Punkt. Selbst als er, nach Verlauf eines vollen Jahrzehntes, seinen lange unterbrochenen persönlichen Verkehr mit dem genialen Sänger wieder aufnahm, hat er – nach Niemanns eigenem Zeugnis – in ihren vielfachen vertraulichen Gesprächen jener Pariser Kampagne niemals mehr mit nur einem Wort gedacht. Dagegen weiß sich Bülow in seinen gleichzeitigen und nächstfolgenden brieflichen Äußerungen in den Ausdrücken seiner Empörung über Niemanns Benehmen nicht genug zu tun: er habe sich als Mensch und als Künstler miserabel bewiesen, wiewohl er von dem ganzen Experiment ›allein den Profit hatte‹. ›Szarvady lobt ihn: das ist genug. Der schlechteste Gueymard wäre für die Pariser prächtiger gewesen.‹54

Fußnoten

[289] 1 Den Ausdruck ›krëieren‹ hat Wagner bei jener Gelegenheit gewiß ebenso wenig gebraucht, als sonst; er kommt in seinen sämtlichen Schriften und Briefen bekanntlich nur an einer einzigen Stelle (Ges. Schr. X. 376) vor, und daselbst im ironischen Sinne gebraucht, als Zitat aus dem Theaterjargon. Es ist demnach etwas stark, ihn, wie hier geschieht, dem Meister selbst gleichsam in den Mund zu legen.


2 Fould war Staats- und Hausminister Napoleons III, von welchem Posten er bald darauf (Herbst 1860) zurücktrat, um dem Grafen Walewski Platz zu machen. Die Administration der Oper hatte nichts mit dem Finanzministerium zu tun, sondern gehörte zum kaiserlichen Hause.


3 Berliner Lokalanzeiger 1897, Nr. 535.


4 Neue Berl. Musikzeitung v. 1. August aus Hannover: ›In diesen Tagen kam Herr Niemann aus Paris zurück und erhielt nach Vorlegung seines Kontraktes mit der großen Oper einen einjährigen Urlaub, mit der einzigen Verpflichtung, an den Geburtstagen des Königs und der Königin hier zu singen. Herr Niemann hat vom Direktor der großen Oper einen einjährigen Kontrakt erhalten gegen eine Gage von 72000 Francs.‹


5 Sie nannte sich späterhin Sasse.


6 ›»Je le guérirai bien de ses mauvaises habitudes«, disait le maître en riant; et de fait, il obtint de Morelli des sacrifices dans sa façon de phraser, de poser la voix, de lier les sons, qui devaient coûter bien cher à ce digne enfant de l'Italie‹ (Gasperini). Seltsamerweise behauptet Mr. Nuitter gerade das Gegenteil. Wagner hätte seinerseits darauf Gewicht gelegt, die Rolle Wolframs in Faures Händen zu sehen, und dieser sei bloß aus Sparsamkeitsrücksichten nicht engagiert worden. ›Man bot letzterem 5000 Francs monatlich, den höchsten Betrag, den man zu jener Zeit einem Bariton offeriert hatte. Faure verlangte 8000 Francs; man war genötigt auf seine Mitwirkung zu verzichten, und Morelli wurde engagiert.‹ Nuitter, les 164 répétitions etc. du ›Tannhäuser‹ à Paris, in den ›Bayreuther Festblättern‹, München 1884, S. 38/40.


7 Briefe an Uhlig, Fischer und Heine S. 406.


8 Wir folgen in den nachstehenden Angaben den Erinnerungen Charles Nuitters im ›Journal des Débats‹ (Mai 1895), die sich innerhalb der, im Zusammenhang publizierten, längeren Reihe von Erinnerungen noch lebender Zeitgenossen der 1861er Aufführung bei weitem als die zuverlässigsten erweisen.


9 22. Juni 1860, an M. v. Meysenbug.


10 ›R. Wagner hat für die Schaulust der Pariser ein Ballet zu Anfang des zweiten Aktes eingeschoben‹ (N. Berl. Musikz. 11. Juli). ›Der zweite Akt wird in 2 Tableaus zerfallen, von denen der erste ein choreographisches Divertissement (vulgo Balletstück) in ganz neuer, den W.schen Grundsätzen entsprechender Manier bietet; das zweite Tableau umfaßt den Einzugsmarsch und den Sängerkrieg‹ (Ebenda, 28. Juli). ›Um die Abonnenten der großen Oper zu befriedigen, wird man ein von Ws. Oper ganz getrenntes Tanz-Intermezzo einschieben‹ (Ebenda, 3. Oktober) etc. etc.


11Croyez moi toujours si lache comme vous voulez, mais soyez convaincu que ce n'est que l'inconnaissance, de mon ouvrage qui a pu faire paraître possible une chose absolument impossible.


12 Vgl. Liszt an Wagner (Briefwechsel II, 270): ›Hast Du etwas von Seebach erfahren? Mme. Kalergi‹ (mit ihm verschwägert) ›kann Dir am besten und fügsamsten als Vermittlerin in dieser Sache behilflich sein.‹


13 ›Amüsiert hat es mich, daß ich zu gleicher Zeit in Wiesbaden erwartet wurde, um dort sofort meine Opern aufzuführen: wie ich erfahre, hat alle Welt es für Ernst genommen! Mein Gott, nein! nun kann ich auch noch länger warten, und so pressiert bin ich wahrlich nicht, mich mit der deutschen Opern-Misère zu befassen. Ich habe Wiesbaden gar nicht berührt und denke überhaupt in Zukunft sehr wenig nur noch zu berühren. Von Ergriffenheit beim Wiederbetreten des deutschen Bodens habe ich – leider! – auch nicht das Mindeste verspürt. Gott weiß, ich muß recht kalt geworden sein!‹ (Brieflich an Wesendonck, 23. August 1860.)


14 An Liszt, Band II, Seite 274. ›Wo somit mein Tristan das Licht der Welt erblicken wird, ist mir zur Stunde noch ein rätselvolles Geheimnis. An Berlin z.B. könnte ich doch gar nicht denken, ohne zugleich die Möglichkeit eines gänzlichen Umsturzes der dortigen Theater- und Direktions-Verhältnisse ins Auge zu fassen.‹


15 An Liszt, II, 276.


16 Ebendaselbst.


17 Beide Briefe sind nicht erhalten, vgl. aber Briefwechsel II, 272.


18 In der französischen Übersetzung trägt das an Frl. Villot gerichtete Vorwort zu den ›Quatre poèmes d'Opéra‹ das Datum des ›15. Septembre 1860.‹ Sie erschien Ende November; fast gleichzeitig die deutsche Originalfassung bei J. J. Weber in Leipzig (unter dem Titel ›Zukunftsmusik, ein Brief an einen französischen Freund‹).


19 Zwei auf uns gekommene Briefe vergegenwärtigen uns diese seine schwierige Lage, der eine vom 11. September 1860 an den gemeinschaftlichen Bekannten, der ihm den Baron Erlanger zugeführt, der andere vom 5. Oktober an diesen Letzteren selbst, sogleich nach dessen verzögerter ›mehr als ängstlich erwarteten Wiederkehr‹.


20 Ges. Schr. VII, 188


21 Il n'y a qu'a feuilleter les premières pages du Tannhäuser publié a Paris pour s'en convaincre:, bemerkt Gasperini. ›L'appropriation de la musique aux paroles, à l'accentuation de notre langue, mot par mot, syllabe par syllabe, saute aux yeux des moins exercés.‹ –


22 Vgl. S. 260 dieses Bandes.


23 An Liszt II, S. 274–76.


24 An Wesendonck, 20. Oktober 1860.


25 ›Wenn ich nicht arbeite‹, fügt er hinzu, ›drückt mich alles, was nach Unnötigkeit aussieht; und entsage ich einmal erst jeder Hoffnung, der Muse wieder zu begegnen, so wird mancher einmal darüber staunen, wie wenig ich zu jener anderen Ruhe bedarf.‹ (An Wesendonck, 5. Juni 1860.)


26 Vgl. den bereits erwähnten Brief vom 5. Oktober – noch aus der Rue Newton – an den nach mehrwöchentlicher Abwesenheit endlich wiedergekehrten Emil v. Erlanger: ›Verzögerung, Ungewißheit hat mich gelähmt; ich leide darunter Unsägliches.‹ S. 278 Anm.


27 Brieflich an Wesendonck, 20. Oktober 1860.


28 Eine genaue Schilderung dieser mustergültigen Institutionen, denen die große Oper zu Paris Jahrzehnte hindurch die unerreichte Korrektheit und Vorzüglichkeit seiner Aufführung verdankte, gibt Wagner später in seinem Artikel über das ›Wiener Hofoperntheater‹.


29 Brieflich an Wesendonck, vgl. Ges. Schr. Bd. VII, S. 379/380.


30 Der liebenswürdig scherzenden Art, in der er dabei mit ihr, der damals noch ganz jungen Sängerin, verkehrte, gedenkt diese noch nach mehr als 30 Jahren, als sie i. J. 1895 im ›Journal des Débats‹ ihre Erinnerung an die ›Tannhäuser‹-Studien veröffentlichte.


31 Vgl. Band I, S. 411. 411/42. 510/11.


32 Erst seit Beginn des Jahres, als am 17. Jan. 1860 der bisherige Orchesterchef Girard, nachdem er noch an demselben Abende drei Akte der ›Hugenotten‹ dirigiert, durch einen Schlagfluß seiner Stellung entrissen worden, hatte man, mit Umgehung größerer Talente (z.B. Berlioz') den bisherigen Chordirektor Dietsch in diese verantwortungsvolle Stellung eingesetzt, der er in keiner Weise gewachsen war. Auch gelang es ihm kaum 31/2 Jahre sich in dieser Funktion zu behaupten.


33 Memoiren einer Idealistin III, 285.


34 Vgl. den vorahnenden Ausruf an Heine: ›wie wird mir im Winter zur Mute sein?‹ auf S. 269.


35 Die erste Aufführung von Hebbels ›Nibelungen‹, (›Der gehörnte Siegfried‹ und ›Siegfrieds Tod‹) fand – welche Ironie! – ganz frisch aus dem kaum vollendeten Manuskript des Dichters, am 31. Januar 1861 in Weimar (unter Dingelstedts Leitung) statt, – die erste vollständige Aufführung aller 3 Stücke am 16/18. Mai 1860.


36 So berichtet Herr Ed. Kulke, ein Freund Hebbels, in den ›Monatsheften für Theater und Musik‹, herausgegeben von Sacher-Masoch, 1. Jahrgang, Heft 6, S. 179.


37 Hier folgt diese kuriose Erzählung: Von einem Wiener Freunde des Meisters, so erzählt Wallner mit eignen Worten, habe er den Auftrag erhalten, über den Erfolg der dortigen Erstaufführung des ›Fliegenden Holländer‹ (2. November 1860) ihm Nachricht zu übermitteln. ›Ich gab mein Wort, diese Kommission auszuführen, ohne zu ahnen, wie schwer mir dies werden wurde. Wagner wohnte außerhalb der Stadt in einer teilweise niedergerissenen, teilweise noch nicht wieder aufgebauten Straße, in einem noch nicht ganz fertigen Hause, ohne Nummer oder sonstige Bezeichnung. Nach endlosem Hin-und Herfahren und ameisenartigem Suchen gelang es mir endlich, den Meister auf-, aber nicht zu Hause zu finden. Nachdem ich noch ein zweites Mal meine Karte und Adresse vergebens in den am Haustor befestigten, mit »Richard Wagner« bezeichneten Briefkasten geworfen, schrieb ich ihm, daß ich ihn in einer für ihn angenehmen Angelegenheit zu sehen und zu sprechen wünschte, und daß er Zeit und Ort bestimmen möge, wo ich ihn treffen könne. Brief und Karte wurden von Richard Wagner vollkommen ignoriert und im fuhr, nicht ohne Ärger über die mir widerfahrene Rücksichtslosigkeit, nach Deutschland zurück.‹ Von der schweren Krankheit des Meisters scheint auch er gar nichts gewußt zu haben. Die amüsanteste Seite an seinem Bericht bildet jedoch die genaue Beschreibung der Lage von Wagners Wohnung, welche einzig auf die Villa in der Rue Newton paßt, in welcher eben damals, nämlich 5–6 Wochen nach Wagners Auszug, die Abtragungen im besten Gange gewesen sein müssen, so daß ihm das Hausallerdings als ›noch nicht ganz fertig‹ (!) erscheinen konnte. Es scheinen demnach die Erkundigungen des deutschen Theaterdirektors nach Wagners wirklicher Wohnung immerhin ziemlich oberflächlich gewesen zu sein!


38 An Liszt II, S. 282


39 Wörtlich so an Liszt, einen Tag früher: ›Für den Tannhäuser habe ich noch die große neue Szene der Venus zu instrumentieren, und die Venusberg-Tanzmusik ganz und gar zu komponieren!! Wie das noch zur rechten Zeit – ohne Wunder – fertig werden soll, begreife ich nicht!!‹ (An Liszt II, S. 283.)


40 Brieflich an Wesendonck. 16. Dez. 1860. Die letzte Erwähnung der persönlichen Beziehungen seiner Gönnerin zu dem neuen Minister tritt in das rechte Licht, wenn wir dazu die ebenso gelegentliche briefliche Erwähnung aus dem folgenden März halten, wo er sich deutlich bewußt wird, das Ministerium nicht mehr für sich zu haben! ›In dem Haß der Gräfin Walewska gegen die Fürstin Metternich liegt meine größte Gefahr‹, heißt es da. Welche Rolle die ewigen Hofintriguen spielten, mußte er hierbei an sich selbst erfahren!


41 In seiner sachlich höchst exakten und zuverlässigen Studie: ›Der Tannhäuser in Paris und der dritte musikalische Krieg‹, Leipzig, Breitkopf und Härtel 1861.


42 Vgl. z.B. die Nachricht der ›Signale‹: ›Noch ist der »Tannhäuser« nicht auf die Bretter gekommen, und schon nennt man uns eine Reihe bedeutender Werke, welche nach ihm zur Vorstellung gelangen Zunächst eine fünfaktige Oper von Ch. Gounod, wenn Meyerbeer dieselbe nicht mit seiner »Afrikanerin« verdrängt. Meyerbeer wünscht, daß Niemann die Tenorrolle in seiner Oper singt‹ etc. etc. (Signale vom 28. Febr. 1861).


43 ›Sie erinnern sich‹, so glossiert Liszt mit sarkastischer Ironie diese Antwort, ›des charmanten Grundsatzes aus dem Kochbuche: das Kaninchen verlangt, daß man ihm noch warm das Fell über die Ohren ziehe – der Hase zieht es vor zu warten.‹ (2. Dezember 1860, an Mme. Street.)


44 Ges. Schr. Bd. VIII, S. 309


45 ›Überall dasselbe Lied: »Niemann ist ein großer Sänger, wenn er nur erst Musik zu singen bekäme« – es heißt übrigens: Niemann studiere bereits den Johann von Leyden ein‹ etc. etc. Vgl den Herweghschen Artikel im Anhange dieses Bandes.


46 Schelle, der Tannhäuser in Paris S. 10.


47 Briefw. mit Liszt I, 125.


48 ›Berlioz' Privatbriefe‹, versichert H. Fink, ›gewähren einen schauerlichen Einblick in die unglaubliche Bosheit und Tücke, welche die Eifersucht gegen Wagner in ihm hervorrufen konnte‹ (Fink, Wagners Leben und Werke II, S. 84) Vgl. dazu auch H. v. Bülows Briefe an R. Pohl, a. a. O. S. 470. 589/90.


49 La Mara, Franz Liszts Briefe, III, S. 140


50 Vgl Band I, S. 339


51 An Mme. Street-Klindworth, mitgeteilt nach einer Kopie des im Besitze von Mr. Alfred Bovet (Valentigney) befindlichen Originals, mit gütiger Bewilligung des Besitzers. Zur Sache noch die briefliche Erwähnung Bülows in einem Briefe aus Berlin vom 16. Januar 1861 an Alexander Ritter: ›durch Mme. Street sei Wagner mit der Redaktion der »Débats« so befreundet geworden, daß Hektor ihm nichts werde anhaben können; Letzterer habe dazu große Lust.‹ Der weitere Verlauf zeigt denn freilich das Vergebliche aller freundschaftlichen Vor-, Für- und Nachsorge in Brüssel, Weimar und Berlin, und das Tiefbegründete der Abneigung Wagners dagegen – große Ziele durch kleine Mittel zu erreichen!


52 Für den dritten Akt (Annäherung des Venusberges) handelte es sich um ein vollständiges unterirdisches, in den Versenkungen der Bühne zu verteilendes Bläser-Orchester, bestehend aus 2 kleinen, 4 großen Flöten, 4 Hoboen, 2 D-Klarinetten, 4 gewöhnlichen Klarinetten, 4 Cors à pistons, 4 Fagotten, 1 Schellentrommel, 1 Paar Castagnetten, 1 Triangel und 4 Trombonen.


53 Vgl. Charles Nuitter, ›die 164 Proben etc. des Tannhäuser in Paris‹ in den ›Bayreuther Festblättern‹, München 1884.


54 Brieflich an Alexander Ritter, 10. April 1861.

Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 3, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 267-290.
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