[1333] Acht und achtzigstes Schreiben.

Nachrichten von Leipzig und Halle.

Mein Herr!


Leipzig ist sowohl wegen seiner ansehnlichen Handlung, als trefflichen Universität, eine der berühmtesten Städte von Europa. Rand links: Schönheit der Stadt Leipzig. Die Höflichkeit der Einwohner, die kostbaren Häuser und die angenehm herum liegenden Gärten geben ihr den Vorzug vor manchen grossen Residenzen. Ich habe meinem Herrn weder von Wien noch Prag oder andern römisch-katholischen Akademien die Namen der daselbst befindlichen Professoren und Gelehrten eingesandt, von hier aus wird solches, obgleich aus ganz unterschiedenen und contrairen Ursachen, noch weniger geschehen. Rand links: Universität. Bey jenen furchte ich das Papier mit unbekannten und vielleicht stets im Dunkeln bleibenden Namen anzufüllen; allhier aber trage ich Bedenken, die Namen und Schriften solcher Leute anzuführen, welche ohnedem allenthalben berühmt genug sind. Rand links: Universitätsbibliothek. Die Universitätsbibliothek ist in dem Collegio Paulino zu sehen, und besteht aus etwan zwölftausend Bänden, worunter die Folianten beynahe die Hälfte ausmachen. Den Catalogum Manuscriptorum hat Feller schon vor langen Jahren her ausgegeben, und sind darunter GENESIIHistoria Byzantina, von Leone Armeno bis an den Tod Basilli Macedonis, und IOSEPHVSde Bello Judaico, beyde griechisch, desgleichen HERMOGENIS, APHTHONII und SYNESII griechische Briefe, vor andern merkwürdig. Man findet allhier auch die vom D. Meyer gemachte Sammlung aller derjenigen Dinge, so zur jüdischen Synagoge gehören, neben einer Copey des Sondershausischen Pusteri, so von etlichen für ein Götzenbild der alten Deutschen, wiewohl ohne sichern Grund, ausgegeben wird1. Unter einem Portrait bemerket man die Worte: Christophorus Preibisius. Sprota-Silesius – – Hic mortales esse Rectores Lipsienses primus exemplo suo docuit. Ergo memento quisquis es, quod sis homo. Unter den alten Drucken sind die Constitutiones Clementinæ durch Johann Faust und Petrum Schorffher de Gernsheim in zween Folianten vom Jahre 1460, nebst den Institutionibus Justinianeis vom Jahre 1468, fol. anzutreffen. Itztgedachte Bibliothek steht alle Mittwochen und Sonnabend von zehn bis zwölf Uhr einem jeden offen.[1334]

An eben diesen Tagen ist in den Nachmittagsstunden die Rathsbibliothek eröffnet, in welcher man über fünf und zwanzig tausend Bände zählet. Rand rechts: Rathsbibliothek. Außer den vielen und kostbaren gedruckten Werken, (worunter die Vulgata zu Venedig 1483, eine italienische Version der Bibel zu Venedig 1477, eine hochdeutsche zu Nürnberg 1483, und eine niedersächsische zu Halberstadt Anno 1523 gedruckt, das neue Testament auf Pergamen vom Jahre 1523, Matthäus und Johannes in formosanischer Sprache und Lukas malaisch, nebst vielen raren orientalischen Büchern befindlich sind), trifft man in derselben eine gute Anzahl von Manuscriptis an, unter welchen das Onomasticum Historicum des Pirnischen Dominicanermönchs, welches zu Anfange des sechszehnten Jahrhunderts geschrieben worden, das Chronicon Schwarzahense, so vom Proca der Albanier Könige anfängt, und bis aufs Jahr 1126 geht, PetrideVINEISEpistolæ, KRENZHEIMIIOpus Chronologicum bis aufs Jahr 1596, ein Codex Hebraicus aus der Wagenseilischen Bibliothek, der die Bücher Mosis und Ruth, das hohe Lied Salomonis nebst dem Anfange des Buchs Esther enthält, und sowohl vom Wagenseil, als den Juden selbst sechshundert Jahre alt geschätzt worden, eine lateinische Bibel auf Pergamen vom Jahre 1273, eine kostbare Thora und Hafftarot, nebst etlichen mit sonderbarer Kunst geschriebenen Alcoranen nicht mit Stillschweigen zu übergehen sind. Man zeiget auch ein türkisches Hemde, welches aller Orten mit Sprüchen, Gebethen und Segen in arabischer Sprache beschrieben und mit mancherley mathematischen Figuren bezeichnet ist. Die Türken eignen einem solchen Hemde viele Kraft wider alle Verwundung zu, und giebt man vor, daß der Muffti den Großvezier, wenn dieser zu Felde zieht, mit einem solchen Geschenke zu versehen pflege. Rand rechts: Magisches Schwerr. Von dem magischen Schwerte, welches hier aufgehoben wird, und ehedem fälschlich für des großen Gustav Adolphs Degen, dessen er sich in seinen Kriegen bedient haben sollte, ausgegeben worden, hat Georg Wallin, Doct. Theol. und Bibliothecarius zu Upsal im Jahre 1728 und 1729 drey wohlausgearbeitete Disputationes herausgegeben2. Dergleichen Schwerter zeiget man unter solchem falschen Titel auch an mehrern Orten. Rand rechts: Von den Urnen-Antiquitäten- und Medaillenkabinetten dieser letztern. Die drey allhier befindliche Urnen-Antiquitäten- und Medaillenkabinette sind in guter Ordnung; man sieht auch mit Vergnügen etliche Volumina der auserlesensten Kupferstiche und Zeichnungen von den berühmtesten Meistern; ein Herbarium vivum, den schön illuminirten Hortum Aichstettensem; eine ganze ägyptische Mumie mit ihrem Sarge und hieroglyphischen Schriften, welche Kettler in seinem Schediasmate Historico de Mumiis Ægyptiacis beschrieben hat; vier Globos, unter welchen die zween größten vom P. Coronelli zu Venedig verfertiget sind und zwölf Schuhe im Umkreise haben; verschiedene Petrefacta, Fossilia, Mineralia, Vegetabilia, Exotica, Naturalia, Artefacta, Instrumenta[1335] Mathematica, eine Clepsydram oder Wasseruhr, zwo Antlias, ein vier Ellen langes Unicornu Marinum, auf welchem die Verwandlung der Daphne künstlich en bas-relief abgebildet ist; zwo aus Mineralien und Erzen zusammengesetzte Pyramiden; einen Schwertfisch; ein Grönländisches Canot; viele Schildereyen und Portraite, worunter vier Stücke, nämlich die Bildnisse Martin Luthers, seiner Frau Katharina von Bohren, Philipp Melanchthons und Johann Bugenhagen oder Pomerani (wie er sonst genannt wird), von dem berühmten Maler Lukas Müllern aus Cranach gemalet sind. Rand rechts: Kabinet von Curiositäten. Unter so vielen ansehnlichen Gelehrten hat auch ein Bauer aus dem Dorfe Sommerfeld, welches dem Rathe zu Leipzig gehört, Platz gefunden, weil er durch eigenen Fleiß in der Astronomie es so weit gebracht, daß er mit vielen gelehrten Sternkündigern Briefe wechseln, und einige gute Anmerkungen, die noch im Manuscript in hiesiger Bibliothek aufgehoben werden, machen können. Rand links: Portrait eines gelehrten Bauers. Sein Namen ist Christoph Arnold, und starb er im Jahre 1695 im fünf und vierzigsten Jahre seines Alters.3 Rand links: Inscription der Bibliothek; Ueber der Thüre der Bibliothek liest man die Inscription:


Auspiciis

Serenissimi. & Potentissimi. Principis. ac. Domini

Poloniarum. Regis. ac. Electoris. Saxoniæ. S. R.

Imperii

Vicarii

Patris. Patriæ Pii. Clementis. Fortis. Magnanimi

Bibliothecam. hanc

Ab. Hulderico. Grossio. pro. singulari. quo. ferebatur

ad. juvandas

Literas. amore. ultimo. elogio. primum. fundatam

Post. æmula. aliorum. liberalitate. quin. &. sua. haud. mediocri

Impensa. auctam. &. instructam. ne quid. urbis

Honori. deesset

Bonæ. Menti. Lubens. dedicavit. Publicis. que

Vsibus. aperuit

Senatus. Lipsiensis

Abrahamo. Christophoro. Plazio. JCTO. Tertium. Consule

Ipsis. Nonis. Aug. A. R. S. MDCCXI.


Ueber dem Eingange des großen Saales auf dem Rathhause steht das Distichon: Rand links: imgl des Rathhauses.


Hæc Domus odit, amat, punit, conservat, honorat,

Nequitiam, pacem, crimina, jura, probos.


Bey dem Professore Chymiæ D. Pezold, sieht man verschiedene Felle von kleinen Thieren, plattgedruckte Vögel und ganze Insecta mit einem Guß von Börnstein überzogen, allein solcher ist weder an der Härte noch Durchsichtigkeit mit dem natürlichen Börnsteine zu vergleichen. Rand links: Börnsteingüsse. Man giebt diesem einen starken Zusatz von einem menstruo oleoso, davon die Hälfte einsiedet, und braucht es vier bis acht Tage, ehe er hart wird. D. Kerkering in Hamburg behauptete ehemals, daß er ganze Fœtus in Börnstein gießen könne, ohne daß[1336] dieser von seinen Eigenschaften etwas verliehre; es wundert mich aber sehr, daß man nirgends einige Proben dieses Geheimnisses, welches zu kostbaren Gräbern vornehmer Herren und schöner Personen trefflich dienen würde, zu sehen bekömmt. Rand rechts: Sammlung von Mineralien bey Hrn. Richter. Linkisches Kabinet. Der Banquier Richter besitzt ein schönes Kabinet, worinnen die Mineralia das meiste und vornehmste ausmachen. Vornehmlich aber verdienet die treffliche Sammlung, welche der gelehrte Apotheker Johann Heinrich Link, in dem Regno Animali, Minerali, und Vegetabili gemacht hat, betrachtet zu werden. Es hat der Besitzer derselben selbst eine kurze Beschreibung davon entworfen, und solche dem D. Kanold, der sie dem Anhange seiner Museographiæ einverleibet, mitgetheilet, es hat aber seit solcher Zeit dieser Schatz von natürlichen Seltenheiten um vieles zugenommen, und mehret er sich noch täglich. Das Regnum Animale enthält achthundert Gläser mit allerley in spiritu balsamico auf behaltenen Thieren, worunter viele amerikanische Schlangen, fliegende tunquinische Katzen und Ratzen, kleine guineische Rehe, Crocodile, sechs Arten von Affen, vielerley Eydexen, Scorpionen, Cameleon, Schildkröten, ostindische Fische und mehrere dergleichen auswärtige Creaturen zu sehen sind.

Unter den surinamischen Fröschen kommen etliche Pipal vor, aus deren einem und zwar aus seinem Rücken die Jungen schon deutlich gebildet heraus kriechen, auf dem andern aber noch geschlossene Cellulæ oder Ovula erscheinen. Menschliche Embryones sind von verschiedener Größe und mancherley andere vorhanden, desgleichen ein Kind, so mit einem Löwengesichte zu Leipzig gebohren worden, und ein Skeleton eines Kindes von sechs Monaten. Die Conchylien und Muscheln füllen acht und neunzig bis hundert Schubladen an, und in fünf Schubladen sind dreyßigerley Sorten von Meersternen, an deren genauen Beschreibung Herr Link schon lange Zeit gearbeitet und zu solchem Ende schon viele Kupferplatten hat stechen lassen. Funfzehn Schubladen sind voll von allerley Meerkrebsen, fünf und vierzig Schubladen von Mücken, Fliegen, Wespen, Käfern, inländischen und fremden Papillons, ausgestopften Vögeln etc. und vier Schubladen von Echinis Marinis. Unter den noch übrigen hieher gehörigen Curiositäten ist eine Ratze mit fünf Köpfen, und ein Caput Medusæ aus Muscau. Die großen langen Muscheln, davon einige hier vorhanden sind, und dergleichen man auch bey Venedig im Mari Adriatico findet, brauchen die Indianer, um die Dächer von ihren Häusern damit zu decken.

Was das Regnum Minerale anlangt, so nehmen die versteinerten Muscheln, Fische, Kräuter, Dendriten, Krebse, Stellæ Marinæ und dergleichen andere Petrefacta, welche man auch theils ad regnum animale, theils ad vegetabile ziehen kann, über hundert und dreyßig Schubladen ein. Rand rechts: Petrefacta von Elephanten und Crocodilen. Es findet sich darunter ein versteinertes Vogelnest4, ein halber aus der Erde gegrabener Elephantenkopf von Jakutzky Ostroff in Siberien, darinnen ein sehr großer Dens molaris sitzt, imgleichen der in den Actis Eruditorum Lips. 1718.Mens. April. beschriebene große und vier und neunzig Pfund schwere Schiefer, worinnen das Skeleton eines Crocodils bis auf ein Stück vom Kopfe vollkommen zu sehen ist. Dieses rare Petrefactum kömmt von Suhla, man hat aber auch im Jahre 1718 ein ihm gar ähnliches in England entdecket, welches in der Galerie der königlichen Societät zu London aufgehoben wird. An beyden Stücken scheinen mir die Knochen, so zu den Füßen gerechnet werden, allzu lang, als daß sie sich zu einem Thiere, das so niedrig wie die Crocodile kriecht, schicken sollten.[1337]

In den Actis der königlichen preußischen Societät der Wissenschaften findet sich die Figur eines versteinerten Crocodils aus dem Kabinette des berlinischen Hofmedicus Maximilian Speners.

Ferner besitzt Herr Link bey hundert Schubladen voll Erz, Stuffen, Salz, Alaun, Börnstein, gesiegelter Erden, Talk, Amianth, Topfstein, Drusen, Quarz, Krystall, Alabaster, Marmor, Chalcedon, Achat, Jaspis, und kostbarer orientalischen Edelgesteine, unter welchen letzten drey Perlen zusammen auf zwölftausend Thaler geschätzet werden.

Aus dem Regno Vegetabili zeiget sich ein zahlreiches Herbarium vivum, auswärtige Wurzeln, fremde und einheimische Arten Holzes, Rinden und Saame, Früchte, Gewürze; Gumata, Corallengewächse, Seekräuter etc.

Unter den artificialibus verdienen die Microscopia, Brennspiegel, Brenngläser, und die durch den berühmten Chymicus Kunkel aus verschiedenen Metallen gezogene Bechergläser gesehen zu werden. Man findet auch allhier die zu einemgewissen chinesischen Spiele gehörige Muschelschalen, welche verguldet und gemalt, so wenig aber hier, als anderwärts vollkommen beysammen sind, weil ihrer in allen hundert seyn müssen. Von vielen Naturalien sind schöne Zeichnungen und trefflich illuminirte Bücher vorhanden, es wird auch beständig alle Sorge und Unkosten angewandt, um diese Sammlung zu einer der vollkommensten zu machen.

Die Börse ist wohl angelegt, und der Plafond ihres Saales gut gemalet.

Den Appelischen Garten machen die vielen Taxisbäume, Statuen, Wasserkünste und Canäle, nebst den darauf befindlichen Bucentauris angenehm. Rand links: Appelischer Garten. Es sind auch Fabriken vonDrap d'or, d'argent und Sammet dabey angelegt.

Der große Bosische Garten ist etwas ungleich, und nicht so regular, als der vorhergehende, hat aber eine schöne Orangerie, und in dem Gartenhause gute Gemälde nebst einer zahlreichen Sammlung von merkwürdigen Dingen, die in das regnum animale und die Botanik laufen. Rand links: Bosens Garten. In einer eingeschlossenen Feldung des Gartens sieht man weiße kleine Hirsche, so von dem Tannenwildprät unterschieden und mit gewöhnlichen Geweihen versehen sind.

Leipzig soll so viel als ein Lindenwald heißen, weil die Wenden eine Linde Leipó nennen. Rand links: Leipziger Gegend. Die ganze Gegend ist angenehm und mit fruchtbaren Feldern bebauet, daher sich eine so große Menge Lerchen dahin zieht, daß die leipziger Lerchen durch ganz Deutschland wegen ihres guten Geschmackes und ihrer Fettigkeit berühmt sind. Rand links: Lerchen. Die Accise von diesen Vögeln bringt in Leipzig allein jährlich bey sechstausend Thaler, und werden sie doch nicht nur hier, sondern auch in der Gegend um Naumburg, Merseburg und Halle eben so häufig gefangen. Ueberhaupt soll die Stadt Leipzig ihrem Landesherrn jährlich bey viermal hundert tausend Reichsthaler einbringen. Rand links: Leipziger Petrefacta. In den leipziger Sandgruben findet man Corallen, Asterias, Muscheln und andere Meergeschöpfe, so die Wahrheit der allgemeinen Sündfluth erläutern.[1338]

Denn obgleich das Land meist eben ist, so liegt es doch hoch. Die Pleiße, Elster und Bahra machen keine Ueberschwemmungen; die Mulda und Elbe sind zu weit entfernet, und alle diese Flüsse führen dergleichen Marina, als man hier ausgräbt, nicht mit sich.

Von Leipzig bis Halle sind fünf Meilen. Rand rechts: Halle. Dieser Ort ist aus einem Dorfe Döbresöl, oder wie es die Wenden heut zu Tage aussprechen Diebresüli (welches so viel als gutes Salz heißt) entstanden. Rand rechts: Salzwerke. Allem Vermuthen nach deutet Tacitus auf die hiesigen Salzquellen, wenn er meldet, daß zwischen den Catten und Hermundurern vornehmlich aus Aberglauben und sonderbarem Vertrauen zu dergleichen Oertern, ein blutiger Krieg entstanden5. Dieser Muthmaßung steht nicht entgegen, daß Tacitus eines Flusses amnis & fluminis gignendo sale fœcundi gedenkt. Denn hierinnen hat sich dieser Autor offenbar geirret, weil kein einziger Fluß in ganz Deutschland zu finden ist, der Salzwasser führet, und aus solcher Ursache auch die Saale nicht gemeynet seyn kann.

Die Art, wie nach Tacitus und anderer6 Geschichtschreiber Berichte unsere Vorfahren das Salz bereiteten, war gar mühsam, indem sie das Salzwasser oder die Sulze auf brennend Holz gossen, und aus denen mit Salz imprägnirten Kohlen und Aschen das Salz wieder abkochten. Rand rechts: Wie die Alten das Salz bereitet. Noch zu Ende des sechszehnten Jahrhunderts wußte man in Seeland und Walchern keine andere Art das Salz zu bereiten, als daß man die schwarze salzigte Erde an der Seeküste ausgrub, dieselbe zu Asche verbrannte, und vermittelst zugegossenen Wassers ein gutes und weißes Salz daraus bereitete, welches von oberwähnter salzigten Erde Ziltzout genennt wurde7. Die völlige Ordnung und alle Anstalten dieser Arbeit sind in einem Gemälde, das neun Fuß lang und drey Fuß breit ist, vorgestellet, davon ich etliche Copeyen in den Niederlanden und insbesondere eine bey dem berühmten Hadrian Reland zu Utrecht angetroffen habe. Von dieser mühsamen Salzbereitung ist man gänzlich abgekommen, nachdem das spanische und portugiesische Meersalz, welches mit geringen Kosten raffinirt und weiß gesotten wird, in großer Menge zu haben ist.

Zu Halle in Sachsen sind vier reiche Salzquellen, aus welchen anitzt das Wasser ohne andere Weitläuftigkeiten genommen und sechs Stunden gesotten wird. Hiebey thun die von Wettin kommenden Steinkohlen sehr gute Dienste, weil das Holz in diesen Gegenden etwas rar ist. Was in diesem Jahrhunderte für eine Veränderung im Salzwesen zu Halle vorgegangen, und wie nun auch der König von Preußen in besondern Kothen die Sulze sieden lasse, ist bekannt.

Die Rathsbibliothek ist in gutem Staude, und wöchentlich etliche Tage zum Gebrauche der Professoren und Studenten offen. Rand rechts: Rathsbibliothek. Es finden sich darinnen des LeonardideVTINOSermones aurei de Sanctis, so im Jahre 1446 ohne Meldung des Ortes gedruckt sind.

Von den löblichen Anstalten des Weysenhauses sind viele Schriften herausgekommen, und ist es gewiß ein Werk, so nicht nur den itzigen Zeiten überhaupt, sondern insbesondere[1339] auch den Protestanten Ehre machet, und wäre nur zu wünschen, daß man in Ansehung der Uebung des Christenthums einen Unterschied unter den Discipeln machen und endlich einmal glauben wollte, daß es auf eine Heucheley oder Profanation der heiligsten Wahrheiten hinaus laufe, wenn man die Jugend mit Zwange und wider ihren Willen zu Christen machen will. Rand rechts: Weysenhaus. In der Bibliothek desselben trifft man eine ansehnliche Zahl griechischer und rußischer Bücher an, und so viele malabarische Manuscripte auf Palmenblättern, als vielleicht keine Bibliothek in Europa aufweisen kann. Rand links: Bibliothek. Seit langen Jahren hat man auch angefangen verschiedene Curiositäten zu sammlen, worunter viele Naturalia und andere merkwürdige Dinge von der Seeküste, desgleichen allerley Mineralien, die Materia Medica, Conchylien, eine Zaubertrummel und dergleichen mehr anzutreffen sind. Rand links: Curiositätenkabinet. In einem besondern Zimmer werden die zwey Systemata cœlestia des Tychons und Copernikus mit allen in die Augen fallenden Sternen gezeiget. Rand links: GroßeSphæra armillaris. Jede dieser Sphærarum armiliarium hat einen Diameter von zehn Schuhen, das ganze Werk ist aus Eisen und Draht, an theils Orten verguldet, und von dem Prediger an der hiesigen Ulrichskirche, M. Semler, verfertiget, welchem man auch die hier befindliche Stiftshütte nebst der Vorstellung der Stadt Jerusalem mit ihrer Gegend zu danken hat.

Alle Häuser der Stadt Halle sind auf königlichen Befehl mit gelber Farbe angemalt, welches wegen der Wohlfeile der gelben Erde nicht viel kostet, aber auch zu keiner sonderlichen Zierde dienet. Rand links: Gelbe Farbe der Häuser.

Ich bin – – –

Halle, den 4 November,

1730.

Fußnoten

1 Unsre Bedenklichkeiten sind viel zu wichtig, als daß wir diesen Astergötzen als gültig erkennen sollten. In allen alten Geschichtschreibern ist nicht ein Buchstabe von dem Püstrich zu finden. Caspar Sagittarius kann solches selbst nicht leugnen antiqu. Thur. gentil. & christ. l. I, c. 2, p. 10: Wer zuerst dieses Götzen in Schriften gedacht, kann ich nicht eigentlich wissen, jedoch muthmaße ich, daß solches nicht eher als nach seiner neuen Erfindung, welche den Junkern von Tutgeroda zugeschrieben wird, geschehen sey. Albinus, ein neuerer Schriftsteller, ist, wie es scheint, der erste, der desselben Erwähnung thut. Dazu kömmt die Abbildung des Püstrichs, welche einem muthwilligen Knaben sehr ähnlich sieht, und sein Alterthum verdächtig machet. Das Abschneiden der Haare ist niemals bey unsern Vätern Mode, wohl aber ein großer Schimpf gewesen. Tenzel in seinen monatlichen Unterredungen J. 1689, S. 271 entdeckt uns daher seine gegründeten Zweifel: Ich kann nicht wohl glauben, daß der Püster ein heydnischer Abgott gewesen sey, weil die Gestalt gar nichts Götzenhaftiges repräsentiret, vielmehr giebt die Bildung seiner Haare zu erkennen, daß er nicht gar viel hundert Jahre zählen könne, und zu einer solchen Zeit ge macht worden sey; da man solche Haare zutragen pflegen. Will man sogen, daß die heydnischen Pfaffen ihren Betrug mit diesem Bilde getrieben, so wird man solches mit eben so vieler Wahrscheinlichkeit den Mönchen im Pabstthume zuschreiben können. Vielleicht verdienet Leukfeld den meisten Beyfall, wenn er den Püstrich als eine Erfindung eines Mönchs betrachtet der chymische Versuche damit angestellet hatantiqu. Kelbr. c. 10. Die vollständigste Abhandlung von dem Püstrich hat uns Immanuel Weber geliefert diss. de Püstero vet. Germ. idol. Giessen, 1716.


2 Wallin behauptet ohne Grund, daß der Degen, welchen der König Gustav bey Lützen geführet, nach Schweden gebracht sey, und noch itzo in dem Zeughause zu Stockholm verwahret werde. Man lese Adam. Frid.GLAFEYdiss. de gladio, quocum Gustavus Adolphus rex Sueciæ in prælio Lützenensi occubuit, Leipzig, 1749, 4.


3 Man kann hier noch nachsehen des Anton Weitzen kurze Nachricht von der Leipziger Rathsbibliothek.


4 Dergleichen man auch mit seinem versteinerten vier oder fünf weißen Eyern bey Kindelbrück, einem thüringischen Orte, in Stein gefunden. Ja Valvasor hat im Herzogthume Crain bey Lands Preiß unter vielen Meermuscheln auch einen kleinen auf den Eyern sitzenden Vogel, alles zusammen versteinert angetroffen Conf.VALVASOR Ehre des Herzogthums Crain, lib. IV, c. 2, p. 478.


5 TACIT. Annal. lib. XIII, c. 57: Super libidinem cuncta armis agendi, religione insita, eos maxime locos propinquare cœlo, precesque mortalium a Diis nusquam propius audiri. Inde indulgentia numinum illo in amne illisque silvis salem provenire, non ut alias apud Gentes eluvie maris arescente unda, sed super ardentem arborum struem fusa, ex contrariis inter se elementis, igne atque aquis concretum. Wie die Burgunder mit den Alemanniern wegen der Salzquellen in Krieg verfallen, beschreibtAMMIAN. MARCELL. lib. XXVIII, c. 5.


6 TACIT. l. c. PLIN. lib. XXXI, c. 7 de generibus salis & ratione illud conficiendi:Galliæ Germaniæque ardentibus lignis aquam salsam infundunt.VARROde re rustica lib. I: In Gallia Transalpina intus Rhenum, cum exercitum ducerem, aliquot regiones accessi, ubi necvitis, nec olea, nec poma nascerentur, ubi agos stercorarent candida fossicia creta: (wird vermuthlich Mergel seyn sollen) ubi salem nec fossicium nec maritimum haberent, sed ex quibusdam lignis combustis, carbonibus salsis pro eo uterentur. Ich zweifele aber sehr, daß diese Leute, von welchen VARRO schreibt, die gesalzenen Kohlen nicht sollten wieder abgekochet, sondern ohne fernere Zubereitung bey ihren Essen gebraucht haben.


7 Conf, LEMNIVSMedicus Zirizæi in occultis nat. mir. L. 3, c. 9, p. 340. Hadr. IVN. Batav. p. 278. In vielen an der Seeküste gelegenen Orten, auch des Königreichs England, machte man ehemals Haufen Sandes; welche mit Seewasser so lange begossen und wieder von der Sonne getrocknet wurden, bis sich vieles Salz, welches man hernach auskochete, darinnen angesetzet hatte.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 1340.
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