2.

Die Violin-Quintetts.

[182] Es scheint, als ob die Arbeiten Mozart's, die Hauptumstände seines Lebens, die Entwickelungen seiner Individualität und die Fortschritte seines Genius bis zum Jahre 1787, nur ein aufsteigender Gang zu Don Juan, dem Meisterwerke der Meisterwerke gewesen wären. Von dieser Epoche an, sehr wahrscheinlich, scheinen die Kräfte des Musikers, welche bis dahin dem Uebermaße von Arbeit und Anstrengungen einer andern Gattung vielleicht, widerstanden hatten, abgenommen zu haben, und daß physische Leiden nach und nach die moralische Krankheit verschlimmerten, welche sich im Alter von dreißig Jahren bei ihm kundgab, wie wir aus dem letzten Briefe an seinen Vater ersehen haben. Nach Maßgabe des immer wankender werdenden Gesundheitszustandes Mozart's mußte die Inspiration, welche er aus den Reizen und Genüssen, die ihm das Leben bot, schöpfte, mit den Quellen des Lebens selbst versiegen. Die dramatischen Werke, welche auf Don Juan folgten, beweisen diese Abnahmen. Così fan tutte, die Zauberflöte und Titus sind weit entfernt, in gleich hohem Grade die Energie und die Leidenschaft auszudrücken, welche die schönen Scenen in Idomeneo, in der Entführung und dem Dissoluto punito ganz auszeichnen, obschon in anderen [183] Beziehungen das Talent des Componisten nie schwächer wurde. Diese Energie und Leidenschaft finden sich nur in einigen musikalischen Meisterwerken wieder, die sich aus den Jahren 1787 und 1788 datiren, namentlich: in den zwei Violin-Quintetts, und in den Symphonieen aus C-moll und G-moll. Sollte Mozart von da an abgenommen haben? Man könnte es glauben, wir gestehen es, wenn la Clemenza di Tito seine letzte Arbeit wäre, da sie es aber nicht war, so müssen wir in dieser scheinbaren Abnahme den nothwendigen Uebergang erkennen, um zum Requiem zu gelangen. Ja, während einiger Jahre schien Mozart herabzusteigen, und er stieg in der That mit reißendem Schritte zum Grabe herab; es geschah dieß aber nur, damit er am Rande des Grabes einen Stützpunkt fände, der ihm helfen sollte, mit lebendigem Leibe gen Himmel zu steigen, gleich einem zweiten Elias.

Wir wollen nun von einigen der berühmtesten Instrumental-Compositionen Rechenschaft ablegen, welche sich, so zu sagen, um Don Juan gruppiren, weil sie sich aus derselben Epoche datiren, und, was noch wichtiger ist, sich an dieselbe Phase des intellectuellen Lebens ihres Verfassers knüpfen.

Nachdem wir in dem Artikel der Haydn gewidmeten Quartetts die Grundsätze auseinander gesetzt haben, welche Mozart unabänderlich zur Grundlage seiner Instrumental-Musik machte, so werden wir jetzt von den Quintetts und hernach von den Symphonieen sprechen. Wir folgen auf diese Weise der chronologischen sowohl als der natürlichen Ordnung der Consequenzen, die sich aus eben diesen Grundsätzen entwickelten. – Unter den Quintetten, welche sich in der Ausgabe von Pleyel finden, trifft man vier, welche sich wahrscheinlich aus der ersten Jugend des Autors datiren, und welche man, aus diesem Grunde, selten mehr [184] spielt. Dann ist ein schönes Quartett für das Piano dabei, welches von Mozart selbst zu einem Violin-Quintett arrangirt wurde. Es bleiben demnach nur noch fünf originale und classische Werke übrig, die einzigen, mit denen wir uns zu beschäftigen haben.

In sofern nach unserer Theorie, welche wir Wort für Wort der Mozart'schen Praxis entnommen haben, die Gedanken und der Charakter eines musikalischen Werkes stets im Verhältnisse zu den Mitteln seiner Ausführung stehen müssen, so hält in dieser Beziehung das Quintett die Mitte zwischen der vierstimmigen Composition und der zu sechs Stimmen, welche in der Regel für Werke für das Orchester ausreichen, abzüglich der Ausfüllungs-Instrumente, d.h. derer, welche die Hauptinstrumente verstärken, sei es buchstäblich, oder mit einigen wenigen Veränderungen in den Figuren. Das Quintett wird daher melodischer, von positiverem Ausdrucke sein, als das Quartett; es wird sich ein wenig mehr dem Charakter der dramatischen Musik nähern, hinsichtlich der Stärke der Empfindung, aus der es fließt, ohne daß es ihm aber deßhalb mehr erlaubt wäre, sich mit den Formen zu bekleiden, welche die Erzählung und die Handlung charakterisiren, oder ein Programm errathen lassen. Auf andere Weise, wie wir bereits gesagt haben und hier wiederholen, würde die reine Musik, die nie etwas Anderem als einem psychologischen Zustande, sei derselbe bestimmt oder nicht, entsprechen darf, zur Opern-Musik, für die Instrumente allein arrangirt. Mit dem Verlust ihrer Unabhängigkeit würde sie einen großen Theil ihres Werthes verlieren.

Dieser Art ist auch der Hauptunterschied, welcher Mozart's Quintetts von seinen Quartetts unterschied. Ihre Melodieen sind einschmeichelnder, ihr Charakter ist positiver, widersteht weniger [185] der Definition und der Analyse; ihr Gesang und ihre Gänge haben mehr Ausdruck und mehr Glanz; im Ganzen sind sie leichter zu verstehen als die sechs Haydn gewidmeten Meisterwerke, obgleich sie in demselben Styl und mit demselben contrapunctischen und harmonischen Wissen geschrieben sind. Der Grund liegt darin, weil das Hinzufügen einer fünften Stimme zu den vier übrigen, welche der Componist durchaus nöthig hat, um den Accord auszufüllen, ihm erlaubt, der Verkettung seiner Perioden eine melodischere Reihenfolge zu geben, und den Interessen der Ausführung mehr einzuräumen, indem er sich ganz an die Gesetze des vielstimmigen Styls hält, welcher, Jedem Freiheit lassend, die Freiheit Aller zur Grenze setzend, verlangt, daß die Stimmen so viel wie möglich einen deutlich unterscheidbaren Gang und einen gleichförmigen Charakter sich bewahren. Aber absolute Freiheit und Gleichförmigkeit sind in der Musik so wenig ausführbar, als überall sonst. Mag man auch machen was man will, so wird ein mittelmäßiger Mensch nie dem gleichkommen, der Genie hat, und ebenso wenig wird eine zweite Altstimme einer ersten Violine im Quintette gleichstehen; und wie ein Millionär in seinen Handlungen viel freier ist als ein armer Taglöhner, ebenso gewiß genießt die Melodie, die singt, mehr Freiheit als der Baß, der sie begleitet. Es spricht sich immer irgend ein Vorzug aus, selbst in der stricten Fuge; um wie viel mehr also in den Werken, in welchen der fugirte Styl mit dem melodischen verbunden ist. In Mozart's Quartett dominirt stets die erste Violine; in den Quintetts theilt sie diese oft bestrittene und unterbrochene Herrschaft des Oberhaupts der Republik mit der ersten Bratsche. Aus demselben Grunde, aus welchem die Theile des Quintetts, welche in melodischem Styl gearbeitet sind, mehr Gesang enthalten als die Quartetts, bieten die, welche einer contrapunctischen Analyse [186] unterworfen sind, kräftigere und mannichfaltigere Combinationen. Gehen wir an die Bemerkungen im Einzelnen über, indem wir mit dem Quintett aus C anfangen. Wenn wir nicht nach der Reihenfolge der Ausgabe von Pleyel beginnen, in welcher die Werke sich, nach, was weiß ich, welcher willkürlichen oder ihrer Chronologie zuwiderlaufenden Ordnung folgen, so fangen wir dagegen nach dem autographen Katalog Mozart's, und was noch mehr ist, nach der Tonleiter an.

Das Thema dieser prächtigen Composition ist ein Dialog. Der Baß fängt das Gespräch mit einer vereinzelten Figur, in kurzen Noten, auf den Intervallen des vollkommenen Accordes an. Die erste Violine gibt eine kurze melodische und leidenschaftliche Antwort. Durch andere Tonarten verlängert, unterbricht sich diese Unterredung und knüpft sich stets durch die Modulation vermannichfaltigt wieder an. Man möchte sie einen großen Gedanken nennen, der sich im Fluge auf den Genius herniederläßt, und ihn unversehens erfaßt; eine neue Welt, die sich in der Phantasie eines Columbus aus dem leeren Ocean erhebt, oder auch das Sujet des Don Giovanni, welches Mozart in einer begeisterten Stunde sich ganz enthüllte. Der Genius erbebt bei den wiederholten Anmahnungen an sein Geschick. Andere Sorgen möchten ihn zerstreuen; andere Figuren, welche in Abwesenheit des Themas herrschen, möchten es hintergehen und es an die Windungen ihrer sich schlängelnden Achtel ketten; Gesänge voller Schleichwege halten ihm die Reize der ruhigen Genüsse des Lebens vor; einige Verwickelungen einer flüchtigen Harmonie suchen ihm Verlegenheiten zu bereiten. Vergebliches Bemühen! Der große Gedanke triumphirt über alle diese Hindernisse! Immer kehrt er wieder und glänzt in den Augen des Genius, wie das strahlende Gestirn des Ruhmes und der Unsterblichkeit. Das ist die erste[187] Hälfte des Allegro. Beim Beginne der zweiten gewinnen die Dinge ein anderes Aussehen. Sie bringt das Motiv zurück, das Violoncell streicht in Dissonanzen und die Antworten scheinen Unsicherheit und Zweifel auszudrücken; die anderen, Anfangs bloß einfach begleitenden Stimmen des dominirenden Gedankens, nehmen für oder gegen das Thema Partei; sie empören sich, so daß die Sätze der ersten Violine in Klagen ausarten und endlich ersterben. Dann, nachdem das Motiv verschwunden ist, kommen die gegentheiligen Einflüsse, die Figuren in verbundenen Achteln angestürmt, dießmal aber nicht mehr sanft und einschmeichelnd, mit guter Gesinnung und freundschaftlichem Rathe, sondern abgerissen, in Unordnung hadernd, aus verschiedenen Tönen pfeifend, wie eine Legion erzürnter Schlangen. Die nach und nach von diesem anarchischen Joche befreiten Stimmen bekämpfen die gewaltsam sich eindrängende Figur, mit einer Menge Synkopen und Retardationen, aber es fehlt an Einheit und Zusammenwirken, sowohl dem Widerstande als wie dem Angriffe. Die eine sagt D auf dem starken, die anderen Es auf dem schwachen Takttheil; die dritte gibt ein G an, welcher die vierte ebenso in einer Nachahmung in der kleine Secunde antwortet und sofort. Ein unentwirrbares Chaos das heißt eine auserlesene harmonische Gährung. Die von uns aufgestellte Analogie gibt ganz natürlich den Sinn dieser bewundernswürdigen Arbeit. Es sind dieß die unermeßlichen Schwierigkeiten, welche der Genius in der Begeisterung seiner ersten Conception nicht bemerkt hatte, tausendfache Verlegenheiten, eine augenblickliche, aber furchtbare Entmuthigung, endliches Mißtrauen seiner Kräfte, deren Umfang man nicht eher kennen lernt, als wenn man sie in Ausübung gebracht hat. Es wächst der Mensch mit seinen größern Zwecken, sagt Schiller. Bald fallen die geistigen Nebel, in welchem die zu gewagten Plane der Menschen [188] untergehen, welche nicht den Keim des Wachsthums in sich tragen, von dem der Dichter spricht, vor den flammenden Blicken des Genius. Der Genius findet sich wieder, er gelangt zur Klarheit, zum Bewußtsein seiner selbst; das verdunkelte Thema erscheint in seinem ersten Glanze wieder; die so eben noch so feindlichen Elemente gestalten sich gegen das Ende harmonisch, um einen großen Triumph der Seele zu feiern. Jubel, der aber kein lärmendes Gepräge hat, weil er innerlich, verschlossen und darum um so tiefer ist. Der große Mann hat unwiderruflich die Zukunft erobert. Er schweigt und ruht entzückt von dieser Gewißheit aus.

Die andern Theile des Quintetts, ohne, wie es uns scheint, hinsichtlich der Schönheit der Gedanken oder der melodischen Erfindung dem ersten Allegro zu gleichen, zeichnen sich durch dieselbe Vollkommenheit in der Arbeit aus, und bringen mit den eigenthümlichen Nuancen bei jedem Tempo den Hauptcharakter des Werkes wieder zum Vorschein; eine gewisse nachdenkliche Ruhe und eine ruhige Freude, deren Ursache mehr im Verstande, als im Herzen zu liegen scheint. Dieser rationelle Ausdruck findet sich ganz besonders im Menuet, das aus zwei Figuren zusammengesetzt ist, wovon die eine ernst und förmlich, den Anschein eines Beweises hat, die andere kurz und zweifelnd, wie eine Art von Einwurf hingeworfen zu sein scheint. Das Menuet, welches aus dem Tone der Quarte F-dur geht und viel verwickelter als das Menuet ist, stellt einen Dialog in kurzen und abgerissenen Fragen und Antworten vor. Es ist eine Auseinandersetzung und kein Streit; im Ganzen scheinen die Sprechenden derselben Ansicht zu sein. Ein eben so originelles als angenehmes Stück.

Im Andante aus F-dur3/4 herrscht die Poesie vor der Logik vor; eine sentimentale Meditation, welche aber durchaus nichts [189] Leidenschaftliches hat, tritt dort an die Stelle der Besprechung. Was die melodischen Umrisse dieses Andante bestimmt und dessen Hauptreiz ausmacht, ist ein anhaltender Wettstreit der Violine mit der Bratsche. Buchstäbliche Wiederholungen derselben Sätze, Umkehren derselben, Austausch der Figuren, vollständige und abgekürzte Nachahmungen, abwechselnde oder nach den Regeln des Contrapunctes combinirte Passagen, welche sogar mit dem – Doppeltriller endigen; kurz die beiden Nebenbuhler versuchen Alles, um sich zu übertreffen, und es gelingt ihnen beides so gut, daß der auf dem Papiere unentschiedene Sieg endlich nur dem Gewandtesten unter den Executirenden verbleibt.

Wie man es an einigen anderen Quartetten und Quintetten Mozart's bemerken kann, so ist auch das Allegro des Quintetts aus C hinsichtlich der Gedanken das schwächste. Es gleicht aber diesen relativ geringern Gehalt durch die ausgesuchte Zartheit der thematischen Analysen aus. Der Fall ist ungefähr derselbe, wie eine jener Unterhaltungen über den Regen und das schöne Wetter, die zwischen Leuten von Geist und Welt, durch, man weiß nicht welche Uebergänge, zu den genialsten Bemerkungen, zu einem Austausche und einer Combination der Ideen führen, welche in einem scherzenden Tone, aber auf eine neue, originelle Weise, und voll Tiefe sich kund geben. Folgende Bemerkung ist jedoch sehr wichtig für die Herren Liebhaber auf der Violine, Viole und dem Violoncell. Bei der Vergleichung der einzelnen Stimmen des Quintetts (Pariser Ausgabe) mit seiner Partitur, in Offenbach erschienen, habe ich in dieser den ungeheuern Unterschied von 140 Tacten mehr für dieses Allegro gefunden. Violin-Passagen, ganze Gesänge sind durch die ungeheuren Ausscheidungen des Pariser Herausgebers verschwunden, und nichts berechtigt uns zu dem Glauben, daß diese Ausscheidungen von Mozart selbst gemacht [190] oder angedeutet worden wären. Das Stück ist ziemlich lang, das ist wahr; nachdem wir es aber mit unseren Freunden nach dem Texte der Partitur gespielt hatten, so fanden wir es einstimmig weit interessanter als mit der Abkürzung.

Das Quintett aus G-moll, das beinahe zu derselben Zeit, wie das Quintett aus C entstand, könnte als Beweis dienen, daß die Zwillingsgeschwister sich nicht immer gleichen. Dieses Quintett aus G-moll ist ein vollständiges kleines Drama, mit seiner Exposition, seinen Verwickelungen und seiner glücklichen Auflösung, welches zum Theater den innern Richterstuhl und zur Handlung eine Reihenfolge psychologischer Zustände hat, welche aus einander entspringen und sich gegenseitig erklären. Welch unaussprechlichen Genuß auch die Ausführung dieses Meisterwerkes den Dilettanten verschafft haben mag, so muß man es doch bei'm Durchlesen studiren, wenn man mit den süßesten Rührungen des Herzens einen der lebhaftesten Genüsse des Geistes verbinden will. Das Durchlesen allein läßt dieses Wunder von einer Composition erkennen und begreifen, welche einem mit der alten contrapunctischen Wissenschaft, mit den zartesten Kunststücken des Kanons und der Fuge auf allen Intervallen, Thränen entlockt. Das Thema des ersten Allegro, welches von der Violine auseinandergesetzt und mit einigen Abänderungen von der Viole wiederholt wird, gibt sich sogleich für die Sprache einer Liebe zu erkennen, welcher Betrübniß und Abwesenheit den Charakter einer wahrhaft chronischen Krankheit der Sele verliehen haben. Dieses Thema ist aber nicht der einzige Hauptgedanke des Stückes. Eine andere Hauptidee, die noch viel bezeichnender ist, ist der Gasang, der mit dem 31. Tacte anfängt, ein entwickelter Gesang, mit zahlreichen Perioden, von melancholischem und leidenschaftlichem Ausdrucke, der aber in gewissen Sätzen hart und unentschieden wird. Das entsteht aus der häufigen [191] und sehr charakteristischen Verwendung der kleinen None, als melodischer Intervall und zugleich als Harmonie. Nach und nach zerreißt die Wolke der Betrübniß; die Modulation geht in das wechselbezügliche Majore der Tonica über; Nebengedanken, welche aus dem sangbaren Thema genommen sind, erheitern die Seele wie mit einem Strahle von Hoffnung; Violinengänge lassen sich in zusammenhängenden Achteln hören, zu zwei und zwei, welche Bruchstücke des ersten Themas begleiten, in die sich die zweite Violine und der Baß theilen. Die fortschreitende gute Laune führt eine andere Passage in Sechszehnteln herbei, worauf das Violoncell sich des vorhergehenden Ganges bemächtigt, während die Bratsche es in der Figur ersetzt, welche es verlassen hat. Man sieht, wie Mozart es verstand, selbst bei Stellen, welche der Concertmusik am nächsten kommen, stets die Einheit aufrecht zu halten, indem er die Bedingungen des polyphonen Styls mit seiner mehrfachen Anlage erfüllte. Diese Freude ohne Grund, die nur zufällig in der Seele entsteht, kann zu keinem Schlusse kommen. Sie endigt zweifelhaft in einer Reihenfolge fragender Sätze, und der erste Theil des Allegro schließt mit einem förmlichen Stillstande auf dem Accorde H, As, F, D. – Zweiter Theil. Ein Bruchstück des ursprünglichen Themas erscheint im Basse wieder in einer unerwarteten Tonart. Neue Figuren zeigen sich in den oberen Stimmen, Verwirrung in der Harmonie, ungewisse Tonart; die wundervolle Analyse des sangbaren Themas fängt an. Welcher Andere als Mozart hätte diesen so melodischen, so ausdrucksvollen, so leidenschaftlichen Gesang aller Arten von Nachahmungen, Umgestaltungen, Zergliederungen und harmonischen Wiederzusammensetzungen gefügig gemacht, um ihn noch ausdrucksvoller und leidenschaftlicher zu machen, welcher Andere hätte das Ohr durch eine sanftere und anziehendere Steigerung der Effecte, [192] zu der melodischen Einfachheit des Anfangs, das heißt zum ersten, in seiner ersten Form vorgetragenen Thema geführt. Der Schluß des Allegro's ist eine Art von duftiger Coda, in welcher die Bruchstücke des Gesangthemas sich in Erinnerungen auflösen, sich in Echo's verlieren und in nebelhafter Form ausschwingen. Und die Spielenden legen ihre Bogen nieder, um sich anzusehen; und dieser unübersetzbare Blick sagt, was sie von dem Quintett halten.

Die Melancholie grenzt in dem Menuet an die Verzweiflung. Ein herber und stechender Schmerz, herzzerreißende und gebrochene Accorde, auf welche eine weicher stimmende Modulation aus D-moll folgt, welche wie Thränen Erleichterung schafft. Durch eine jener Inspirationen, welche man mit Recht einen Glückszug des Genius nennt, wie dieser klagende Satz aus Moll, welcher das Menuet schließt, und welchen die zweite Violine nach der ersten wiederholt, geht dieser Satz mit einem Zusatze von Schmerz in Majore über und wird das Thema des Trio's, ein Gesang des Trostes, eine psycholochische Reaction, die das Uebermaß des Schmerzes hervorbringt. In dem zweiten Theile des Trio wurde dieser Gesang nach Art eines Subjects behandelt und einer bewunderungswürdigen Erweiterung unterworfen. Häufige Cadenzen, welche durch die Synkopen der Figur retardirt und verwickelt werden, geben dieser Entwickelung einen leichten Anstrich von Kirchenmusik.

Adagio 4/4 Es-dur, con sordini. Ein erhabener religiöser Gedanke geht durch diese Composition, ohne jedoch dahin zu gelangen, sie zu beherrschen. Die von Schmerz gedrückte und abgespannte Seele kann den erhabenen Aufflug nicht ertragen, den die Sätze zu Anfang bezeichnen. Nach vier Tacten verliert sie die Sammlung; sie verliert den Faden des Gebetes; sie fällt in sich selbst versunken zurück, eine Beute der Entmuthigung, von tausend [193] trostlosen Ungewißheiten gequält, Fragen an sich stellend, welche nur Zweifel beantworten. Dieß führt natürlicher Weise einen neuen und noch tiefern Rückfall in die Verzweiflung herbei. Die Violine stimmt einen Gesang voll des furchtbarsten Grames an, welcher die zweite Bratsche auf der Baßsaite Seufzer entlockt, gleich der Stimme eines Sterbenden, und verliert sich mitten unter peinlichen Klagen, welche die seinigen hervorgerufen haben, in den düstersten Tonweisen. Bis dahin ist Alles schön, Alles erhaben. Ist aber das, was hernach folgt, eben so? wir glauben mit Nein antworten zu dürfen. Der anmuthige und fast heitere Gang, der mit dem 26. Tacte beginnt, scheint uns in keinem psychologischen Zusammenhang, weder mit dem fürchterlichen Wehklagen des vorangegangenen, noch mit dem religiösen Thema des Stückes zu stehen. Wenn der Gedanke, eine profane Hand an ein Meisterwerk Mozart's zu legen, uns nicht ebenso erschreckte, wie ein Kirchenraub, so würden wir vom 25. Tacte zum 36. übergehen, welcher zur Wiederaufnahme des Themas führt, und ebenso würden wir zu einer analogen Abkürzung im zweiten Theile des Adagio rathen. Es finden sich aber so wenige allgemeine Fehler, und Fehler dieser Art insbesonders in Mozart's classischen Werken, daß die Kritik, von immerwährendem Loben und Bewundern müde, sich Glück wünscht, endlich einmal etwas zu entdecken, was unauffindbar schien.

Selten kommt ein Glück allein, sagt das Sprüchwort; da wir einmal im Zuge sind, zu tadeln, so wollen wir von einer andern Sünde Mozart's sprechen, aber einer Sünde von nur 38 Tacten, eine Sünde, in die er nur einmal verfallen ist, und zu welcher unsere modernen Componisten sich Glück wünschen dürften, wenn sie sie begangen hätten. Nach dem Adagio ausEs folgt ein anderes Adagio, aus G-moll3/4, in einem Styl, [194] der durchaus, weder dem durchcomponirten Quartett noch Quintett angehört. Es ist dieß eine sehr elegische Cavatine, von der ersten Violine gesungen, ohne Vertheilung der Sätze und Figuren, sondern bloß begleitet wie eine Opernarie. Ein Eingriff in das Gebiet der dramatischen Musik folglich. Uebrigens ist dieses Adagio nur eine Einleitung zu dem Schluß-Allegro aus G-dur,6/8.

In der Seele, deren Leiden uns der Componist erzählt hat, ist ein glücklicher Umschwung vorgegangen. Geschah es in Folge einer Prophezeihung des Herzens, des untrüglichen Vorgefühles einer guten Nachricht, oder der guten Nachricht selbst, von Hoffnung oder Wirklichkeit, wir wissen es nicht; aber die erotische Trunkenheit des Motivs, die geräuschvollen Gänge, im Gemische mit dem zärtlichen Geplauder der Figuren, die mit dem Hauptgedanken vorherrschen, die fortwährenden Wiederholungen des Themas, welches man unausgesetzt zu hören bekommt, Alles dieß zeigt Vereinigung, Glück an! Man hat hier eines jener einsilbigen Geplauder, das in Ausrufungen und Empfindungsausdrücken, in stets immer wiederholten Worten besteht, in dem jeder Zuhörer eine Sprache erkennen wird, die er selbst auch schon gesprochen hat, die beredte Sprache der Liebe. O mein Kind! meine Lust! mein Leben, mein Herz! würden wir sagen und zwanzigmal wieder sagen, wenn es sich darum handelte, das Motiv in unsere Sprache zu übersetzen; das sind die bei solchen Veranlassungen üblichen und dazu bestimmten Ausdrücke der Individuen aller Classen. Welche Zufriedenheit in gewählten Sätzen, und welche anmuthige Zärtlichkeit liegt in dieser Musik! Weder die eine noch die andere schließen aber die Wissenschaft aus. Das anmuthige und zarte Geplauder der Melodie, besteht nichts desto weniger die[195] Probe eines strengen Contrapunctes und geht noch zarter und anmuthiger daraus hervor.

Indem wir immer der chronologischen Ordnung folgen, kommen wir an das Quintett aus D-dur, vielleicht das schönste der Quintetts Mozart's in seinem Ensemble. Es schreibt sich vom Ende des Jahres 1790 her. Die Wahl der Tonart zeigt uns schon eine Composition, welche von denen, welche wir geprüft haben, sehr verschieden ist. D-dur ist eine muntere, klare, glänzende Tonart, welche sich sehr leicht zu den Aeußerungen des Heroismus und aller lebhaften und heiteren Gefühle herbeiläßt. Sie ist deshalb auch der classische Ton der Militairmusik. Unser Quintett hat aber durchaus nichts Kriegerisches an sich. Es fängt mit einem ziemlich mystischen Larghetto 3/4 an, in welchem der Baß, in einer ungewissen Melodie einherschreitend, jeden seiner Schritte zu leiten scheint. Führt uns der Compositeur in die Höhle des Trophonius, oder will er uns ganz einfach zu Freimaurern aufnehmen? Durchaus nicht, es ist eine ganz andere Ueberraschung, welche er uns vorbereitet. Durch die Windungen eines dunkeln Ganges gelangt man plötzlich an einen wohl hergerichteten, erleuchteten, wohlduftenden und behaglichen Ort, wie es nur ein Salon im Lande Eldorado sein könnte. Allegro 4/4, Musik einer heitern, geistreichen und interessanten Conversation. Die Gedanken sind im Ueberflusse vorhanden und alle sind so glücklich gewählt, so gut entwickelt, sowohl getrennt als vereinigt, daß es sehr schwer wird, die Haupt- von den Nebengedanken zu unterscheiden. Man fühlt sich gleich behaglich, wenn man in dieses Allegro tritt, von welcher Seite man auch dahin gelangt. Violine, Baß oder Bratsche, man nimmt sogleich an der Unterredung Theil. Man darf über Alles sprechen; und die Anderen lassen einen nicht nur Alles sagen, sondern sie stimmen einem bei, [196] und commentiren einen mit Wohlwollen; sie wiederholen die Worte, die man gesprochen, wie wenn sie von einem der Weisen Griechenland's kämen, und das in der That darum, weil man immer gut spricht. Hier fällt kein Bonmot zu Boden, in Folge dieser scheinbaren Zerstreuung, welche sich den Anstrich gibt, nichts gehört zu haben, weil sie nur zu gut verstanden hat; Worte, die aus dem Herzen kommen, stoßen hier nicht auf jenes aufgeblähte, trockene und neidische Lächeln. Im Gegentheile, die glücklichen Einfälle fliegen wiederholt von Mund zu Mund, die herzlichen Worte werden mit Theilnahme und Mitgefühl wiederholt. O die köstliche Gesellschaft! Eine völlige Gleichheit herrscht aber im Quintett so wenig wie in der Gesellschaft. Die erste Violine, welche die Initiative der Stoffe zu ergreifen hat, erhält häufiger das Wort, als die anderen; das ist ein Recht, das überall und immer dem Geistreichsten und Beredtesten zukommt. Die zweite Violine gehört zu sehr zu ihren Freunden, als daß sie diese Ueberlegenheit bestritte, welche sie im Gegentheile durch alle ihr zu Gebot stehenden Mittel geltend zu machen sucht. Nicht ganz ebenso verhält sich's mit der Bratsche. Diese macht einige Ansprüche auf Nebenbuhlerschaft, sie ist von Natur etwas streitsüchtig und rechthaberisch, wovon wir uns später überzeugen können. Das Violoncell scheint gleich einem Kammerpräsidenten darüber zu wachen, daß man sich nicht zu weit von der Frage entferne, denn der Baß war zu allen Zeiten der beste harmonische Logiker. Die zweite Bratsche endlich gleicht jenen Leuten von Geist, welche aus Angewöhnung wenig sprechen, die aber mit bewunderungswürdiger Geduld zuwarten und mit bewunderungswürdiger Gewandtheit die Gelegenheit ergreifen, ein Wort am rechten Orte anzubringen. Die himmlische Conversation würde am Ende schleppend werden, wenn Jedermann gleicher Ansicht wäre. Zu Anfang des zweiten [197] Theiles versucht die Violine das Thema inF-dur zu geben; aber diese neue Art von Ansicht des Gegenstandes findet nicht allgemeinen Anklang; man antwortet durch verschiedenartiges Geklatsch. Leicht erregbar von Natur, wie es gewöhnlich die Vielsprecher sind, zeigt die Violine ihr Mißvergnügen durch eine gewisse unfreundliche Bitterkeit, welche einen lebhaften Streit in Triolengängen zur Folge hat. Der, welcher denselben hervorgerufen, sieht sein Unrecht ein und gibt bald das Motiv, so wie man es verlangt hat, das heißt in D, worauf man dasselbe einer neuen freundschaftlichen Discussion unterwirft, in welcher man aber gründlicher und gelehrter die in der ersten Hälfte des Allegro bestrittenen Materien untersucht. Alles scheint gesagt zu sein, was die Sprechenden so schön ausdrücken; und sie würden noch sprechen, wenn nicht eine Fermate ihnen Stillschweigen auferlegte. Das geheimnißvolle Larghetto vom Anfange holt uns wieder ab und führt uns auf Umwegen, welche aber wenig von denen verschieden sind, auf welchen es uns geleitet hatte an jenen wonnevollen Ort. Hierauf macht das plötzliche Wiedereinfallen in das Motiv und in das Tempo des Allegro, einen raschen, geräuschvollen und ganz unerwarteten Schluß von acht Tacten.

Das Adagio, G-dur,3/4, eines der erhabensten, welche Mozart je componirt hat, eine wahrhaft elysäische Musik, wir finden kein anderes Beiwort dafür, drückt einen Zustand der Ruhe und Glückseligkeit aus, in welche sich die Erinnerungen an eine unlängst noch leidenschaftliche, thränenreiche Zuneigung mischen. In diesem Zustande wird selbst die Melancholie eine Würze des Glückes, und immer lösen sich die Gesänge der Violine, auf dem Tone klagender und zärtlicher Erinnerungen modulirt, in eine entzückende Cadenz auf. Die Realität von ehemals ist nur noch ein Traum, und die Träume der Vergangenheit sind nun zur unaussprechlichen [198] Wirklichkeit geworden. Wenn die Poesie des Wortes in ihrer Sphäre etwas Analoges zu schaffen hätte, so müßte sie abwechselnd zwei Weisen durchlaufen; den Ton der Elegie, welcher etwa das Echo einer dahingeschwundenen Existenz wäre, und den Ton der contemplativen Extase, als Charakter der Gegenwart. Die Musik vermochte bei weitem mehr; sie konnte diese beiden Weisen vereinigen und zu gleicher Zeit die Bewegung des Herzens und die erhabene Heiterkeit des Gedankens ausdrücken. Das hat sie auch gethan. Während die göttlichen Gesänge der Violine in langen Gefühls-Sätzen hervortreten, verfolgt der Gang des Basses, durch Achtel-Pausen gehemmt, die in Gruppen von kleinen Noten in den drei Theilen des Rhythmus vertheilt sind, den Verlauf der erhabenen Meditationen, welche mit dem Adagio angefangen haben, in einer Reihenfolge von rasch ineinander greifenden, ebenso thematischen als rationellen Figuren20. Dieser merkwürdige Gang, welcher mit dem 17ten Tacte anfängt, und hinter einander dem Violoncell, der ersten Violine und der Bratsche anvertraut ist, ist noch am Schlusse bemerkbar, aber abgesondert von dem elegischen Gesange, gegen welchen er sich Anfangs vernehmen ließ. Hier stehen ihm aber nur noch zwei halbe Noten entgegen, ein F und ein E, welche sich nach und nach in den hohen Corden der extremen Stimmen, mit ungemeiner Lieblichkeit erheben, die Modulation nach dem Tone der Quarte zu sich neigen machen, wo sie aber nur einen Augenblick sich aufhält, um in kräftigem Falle auf die Tonica herabzusteigen. Das Stück endigt oder verflüchtigt sich vielmehr wie ein bezaubernder Traum.

Menuetto allegretto, D-dur,3/4. Ein anderes Wunder. Wenn man dieses Menuet entweder sieht oder nur die erste [199] Violinstimme desselben hört, so glaubt man eine rein melodische Composition darin zu erkennen. Die Verkettung der Perioden zeigt einen klaren und vollständigen musikalischen Sinn; alle Accorde zeigen sich folgerichtig in der Melodie enthalten; da ist auch keine unentschiedene Note, keine Lücke, aus welcher man auf Mit-Oberherrschaft eines andern Instrumentes schließen könnte; mit einem Worte, diese vereinzelten Linien sind voll Feuer, Geist, anmuthigen und zierlichen Gängen; das Wiedereinfinden des Themas durch eine Reihenfolge von Passagen, welche seine Rückkehr vorherahnen und wünschen lassen, und der Glanz des Schlußsatzes, grenzen an die Concert-Musik. Wenn sonst eine vereinzelte Stimme diesen Charakter zeigt, schließt sie gewöhnlich den contrapunctischen Styl mit seinen vielfachen Anlagen aus; oder, wenn der Compositeur in der Begleitung ihm besonders hervorragende Nebenbuhlerschaften entgegensetzt, so entsteht daraus eine Ueberladung, welche das Solo verdirbt. Eine Menge moderner Werke liefern dafür den Beweis. Wir haben bereits gesagt, was das Menuet dem Violinisten, der es betrachtet oder in seiner einzelnen Stimme durchspielt, sein zu müssen scheint; sehen wir nun auf der Partitur nach, was es in Wirklichkeit ist. Wenn die Violine, nachdem sie das Thema im ersten Theile des Stückes auseinander gesetzt hat, im zweiten zu melodischen Figuren übergeht, die darauf folgen, so wiederholt der Baß dasselbe, halb in Minore in seiner männlichen und ausdrucksvollen Sprache; die erste Bratsche ahmt in der Octave die Figur der ersten Violine nach; die beiden übrigen Stimmen contrapunctiren abwechselungsweise dieselbe Figur, je nach dem Gange der Nachahmung. Das ist schon ziemlich verwickelt; warten wir aber bis das Thema wieder an den Chorführer kommt, und wir werden dann sehen, wie die Bratsche sich sogleich desselben bemächtigt und es ihm auf die Entfernung einer Achtel Pause [200] streitig macht, mit förmlichem Umkehren des Ausdruckes des Rhythmus, wie wenn es der Violine sagen wollte: du gehst ganz verkehrt; so muß man gehen. Nach der Fermate mischt sich die zweite Violine ein und redet ihrem Kameraden das Wort; die Anderen erklären sich für die Bratsche, und das Menuet wird buchstäblich zum zweistimmigen Kanon. Augenscheinlich sind es die tiefen Stimmen, welche sich bei diesem Streite irren, Mozart aber irrte sich nicht; er hat seine Melodie nicht durch die Wissenschaft verdorben. Wäre das Menuet als einfacher Contrapunct behandelt worden, so wäre es eine sehr angenehme kleine Composition gewesen; wie es aber ist, ist es ein köstliches Meisterwerk, welches einen mit Bewunderung und Vergnügen erfüllt. Fürchten wir nicht, auf Etwas zurückzukommen, was wir bereits gesagt haben. Mozart, welcher Alles zusammen war, ein alter und ein neuer Mensch, ein tiefer Berechner und ein großer Dichter, arbeitete so, daß das verwickeltste Werk bei ihm nur aus einer einzigen Inspiration hervorging, die alle Einzelnheiten umfaßte und befruchtete, ungefähr wie das Küchlein aus dem Ei hervorgeht, oder, um uns eines edlern Vergleichs zu bedienen, wie Minerva mit vollständiger Rüstung aus Jupiter's Haupte entsprang. Aus diesem Grunde ist die Poesie in seinen Werken immer mit der Berechnung in Uebereinstimmung, und die Klarheit seines Styls kommt der Tiefe darin gleich. Es gibt folglich kein Mittelding: entweder fügt die Anwendung der contrapunctischen Formen den Schöpfungen der zierlichen Musik einen ungeheuern Werth hinzu, oder raubt sie ihnen Alles, was sie mit mehr Einfachheit und weniger Ansprüchen an eine Wissenschaft gehabt hätten, die stets vergeblich ist, wie wir glauben, wenn man genöthigt ist, sie zu suchen. – Als Mozart das Trio dieses Menuets schrieb, scheint er an die Damen gedacht zu haben. Die Damen sind während [201] unserer Quartett- und Quintett-Soireen sehr zu beklagen, und zwar eben so sehr, wie bei einem Diner auf englische Weise. Nichtsdestoweniger haben wir sie noch immer ihre leisen Gespräche unterbrechen sehen, um diesem Trio zu lauschen, dessen Rossini'scher Styl, leichte Anmuth und concertirende Bravour sehr angenehm mit dem feurigen Ausdrucke und dem hinreißenden Ungestüm des Menuets contrastirt.

Das Finale, Allegro, aus D-dur,6/8, ist das vierte und letzte Wunder des Quintetts. Wenn die Analogieen der reinen Musik die Ordnung der fühlbaren Objecte berühren, so müssen dieselben nicht als wirklich und gegenwärtig dargestellt werden, sondern wie ein Gedanke, ein Bild, ein Wunsch oder eine Erinnerung, welche die Seele beschäftigen, und das psychologische Gemälde mit gewissen besonderen Tinten färben, durch welche die materielle Analogie sich errathen oder erkennen läßt. Die Unterscheidung, welche ich aufstelle, erschiene nur als eitle und unverständliche Spitzfindigkeit, wenn sie in der Praxis nicht einen sehr auffallenden und wichtigen Unterschied hervorbrächte. Ich will damit sagen, daß, wenn die Musik ohne Worte die Objecte malen will, wie man sie sieht, so verfällt sie unvermeidlich in den Theaterstyl und setzt sich an die Stelle des lyrischen Dramas. Wenn dagegen der Musiker weniger directe, weniger positive, weniger ausmalende Ausdrücke wählt, und mehr den Gedanken an den Gegenstand erwecken, als uns demselben gegenüber stellen will, so kann er diesen Zweck innerhalb der Grenzen der reinen Composition erreichen, so wie wir sie definirt haben, ohne die dramatischen Formen zu Hilfe nehmen zu müssen, welche der Handlung, der äußern Bewegung, der realen Anwesenheit der Gegenstände entsprechen. Beispiele werden meine Gedanken vollends klar machen. Nehmen wir das Scherzo der Pastoral-Symphonie von [202] Beethoven: Lustiges Beisammensein der Landleute. Hier hat man die Sache selbst, so daß mit einem Texte dazu das Stück ein syllabischer, völlig singbarer Chor wird, ohne daß man eine Note zu versetzen braucht. Nun sehe man aber das Finale unseres Quintetts, welches allerdings kein Programm enthält, über dessen Analogie aber man sich nicht leicht täuschen kann. Jedermann wird sogleich an ein ländliches Fest denken, an eine fröhliche Vereinigung von Landleuten, wie in der Pastoral-Symphonie. Ja, aber mit dem Unterschiede, daß Beethoven's Ekloge in Handlung, die Mozart's aber in der Idee besteht, was macht, daß man in letzterer nicht einen Satz findet, der zum Vocalgesange taugt, und daß der Styl des Stückes der Theatermusik gänzlich fremd bleibt. Und doch ist die Mozart'sche Ekloge bei weitem vollständiger. Die Phantasie, welche von ländlichen Scenen träumt, läßt diese vor dem Seelenauge unter verschiedenartigen Aspecten vorübergehen, die sich ganz genau in drei Bilder oder Wiederholungen theilen. Erstes Bild: ein natürliches und anmuthiges Thema, ländlicher Ball, bei welchem der Rundtanz bei den Tönen des Dudelsackes ausgeführt wird, dessen monotones Schnarren man hört; (ein gedämpfter Baß) muntere Worte der Hirten, Geschäker der Hirtinnen; ein lebhaft genossenes Sonntagsvergnügen. Zweites Bild: Die Lust nimmt immer mehr zu, bis es der ersten Violine einfällt, einen ländlichen Vers allein anzustimmen. Bei solchen Veranlassungen wird die Lust im Chore einzustimmen Niemandem fehlen; es scheint aber, daß nicht Alle das Liedchen genau kennen, oder daß die Kehlen der guten Leute nicht gut zusammenstimmen. Kurz, nach einigen mißlungenen Versuchen gibt man die Sache wieder auf. Man wird errathen haben, daß der ländliche Vers ein Fugenthema und der verunglückte Chor eine fünfstimmige Fuge, von völlig scholastischer Regelmäßigkeit ist.[203] Welch' anbetungswürdiger Pedant dieser Mozart ist. Die Fuge endigt mit einer Reihe von Accorden von bezaubernder Wirkung. Drittes Bild: Laßt uns etwas Anderes thun; erzählen wir uns Geschichten. Allgemeine Pause: Das Ohr erwartet den Ton E-dur, welcher durch seinen Dominanten-Accord angekündigt wurde. Soweit sind wir aber noch nicht; die untergeordneten vier Stimmen fallen in C und nehmen den Gang einer einfachen Begleitung an; die erste Violine fängt an zu erzählen. Ihr melodischer Eingang ist zu Ende; sie will, durch die allgemeine Aufmerksamkeit ermuntert, eben fortfahren, als ihr Kamerad zur Linken, sie, ich weiß nicht auf welchem Puncte der Erzählung, aufhält. Daraus entsteht ein Hader, in den sich die Bratsche, unter dem Vorwande mischt, die Meinungen wieder in Einklang zu bringen. Ihr kennt die Geschichte beide nicht; ich will sie Euch erzählen, und nun hört Jedermann der Bratsche zu, wie man der Violine gelauscht hatte; die Bratsche kehrt aber die Umstände der Geschichte gänzlich um. Weißt denn Du, mein Lieber, selbst was Du sagst, ruft ihr die Violine in spöttischem Tone zu. Die andere setzt aber ihre Erzählung fort, man straft sie noch härter Lügen; sie antwortet; man erwidert ihr scharf, und die Modulation verdüstert sich mehr und mehr, so daß die Bratsche, statt einen unbedeutenden Zwist zu dämpfen, sich selbst in einen bittern Streit verwickelt sieht. Dieß begegnet Vermittlern ziemlich oft. Bis dahin hat das Violoncell an dem Hader keinen Theil genommen; es hat sich ruhig und wie schlafend auf seiner Baßsaite gehalten; dann zeigten nur einige kurze Töne sein Mißfallen an, welches diese Störung des Festes in ihm erregte; endlich verliert es die Geduld; und wie es allen phlegmatischen Leuten ergeht, wenn sie einmal aus sich selbst heraustreten, daß sie sich viel aufgebrachter zeigen, so bringt das Violoncell ex abrupto ein Thema aus [204] G-dur zum Vorschein, welches ganz wie jene energischen Ausrufungen aussieht, von denen man nur die Anfangsbuchstaben schreibt. O! nun wird die Sache ernstlich. Die Redensarten des Basses sind weit gewichtiger, als das Geplauder der Bratsche. Sie bringen deßhalb auch sogleich den lächerlichen und ärmlichen Streit zu Ende, welchen die Bratsche um einer Kleinigkeit willen erhoben hatte; dadurch wird aber ein vereinzelter Streit zu allgemeinen Händeln, und von Worten kommt es zu Handgreiflichkeiten. Jeder waffnet sich mit dem Motive, das gleich einer Fackel der Zwietracht mitten in die Gesellschaft hineingeworfen wurde. Zerbricht sie an einer Stelle, so wendet man sie um und schlägt nur um so besser zu; die Schläge fallen hageldicht; Unordnung und Verwirrung sind gräßlich. Endlich, wenn man nach Herzenslust sich gebalgt hat und die Dosis hinreichend erscheint, so findet der Urheber des Tumultes, seiner Lebhaftigkeit sich schämend, daß es Zeit sei, dem Gezänke ein Ende zu machen. Den Wüthenden im Handgemenge Vernunft zu predigen, wäre Wahnsinn gewesen. Bei solcher Gelegenheit ist ein kräftiger Arm der den Gegner an eine Mauer drückt, die beste Beweisführung. Der Baß bedient sich dieser unwiderstehlichen Logik; er nimmt sein tiefes A und hält es acht Tacte lang aus, während welcher die Anderen noch ihr Möglichstes versuchen, um es einander gleich zu thun und sich herumzubalgen; aber gedrängt, keuchend unter der gewichtigen Note, die ihren bösen Willen kettet, sind sie genöthigt, sich zum Zeichen der Versöhnung die Hände zu reichen, die sie nicht mehr erheben können, um sich zu schlagen. Nach und nach kommt man wieder zu besseren Gesinnungen, zum Frieden, zur Heiterkeit, zum Tanze, das heißt, zum melodischen Thema am Anfange zurück. In einem dritten Fugenfragmente hat der Componist auf Mozart'sche Weise, alle Erinnerungen an das ländliche Fest wieder zusammengestellt,[205] indem er die Hauptideen des Stückes verband. Wir hören zu gleicher Zeit das melodische oder Pastoral-Thema, das Thema des Liedchens und das des Gezänkes, ferner zwei andere Sujets, sich theilen und austauschen zwischen den Stimmen, in einer Reihenfolge von Nachahmungen in der Quinte. Eine wirklich merkwürdige und bewunderungswürdige Sache. Nach diesem kommt der Streit zwischen der Violine und der Bratsche noch einmal zum Vorschein, um sich aber auf freundschaftliche Weise durch einen Doppeltriller auf der Cadenz zu beendigen. Das Stück schließt im Tone geräuschvoller Heiterkeit, ganz dem Geist einer Sonntags-Zusammenkunft angemessen. Die Bauern werfen jauchzend ihre Hüte in die Luft und gehen auseinander. – Diese Analyse ist etwas länger geworden, weil ich sie so gemacht habe, wie wenn ich einen Text zu erklären gehabt hätte, an dem kein dunkles und zweideutiges Fleckchen ist. Ich bitte den Leser, meine Auslegung mit dem Originale zu vergleichen.

Das letzte Quintett Mozart's, hinsichtlich des Datums, ist das aus Es-dur, Allegro di molto,6/8. Es wurde im Jahre 1791 componirt. Man findet zwar die schöne Arbeit darin, aber nicht ganz die schönen Gedanken der vorhergehenden Werke, was uns erlaubt, es mit Stillschweigen zu übergehen.

Es bleibt jetzt noch das Quintett aus C-moll, übrig, dessen Datum ich aber nur auf negative Art angeben kann, indem ich sage, daß es älter als vom Jahre 1784 ist, weil es sich nicht in dem thematischen Kataloge aufgezeichnet findet. Die Pariser Ausgabe ordnet es aber nichts desto weniger unter die bekannten. Dieß ist nicht allein bei allen Liebhabern der Fall, sondern es wird ziemlich allgemein seinen Nachgeborenen vorgezogen, wovon ich mich sehr häufig, als Mitspielender und Zuhörer, zu überzeugen Gelegenheit fand. Diese Bemerkung ist in diesem Falle von[206] großer Wichtigkeit. Das Quintett aus C-moll ist der classischen Periode Mozart's vorangeschritten; es wurde früher gemacht, als die Haydn gewidmeten Quartetts, und die Prüfung der Partitur bestätigt vollkommen das Datum des Ursprunges. Man trifft darin allerdings diese glänzenden und kühnen Combinationen, jene contrapunctische Allmacht noch nicht, welche gleichsam das Siegel Mozart's ist, und welche dem fugirten Style den freien Gang, den Ausdruck, den Reiz und die melodische Gewalt des Gesanges selbst verleiht. Dagegen findet man etwas darin, was man in den classischen Quartetts und Quintetts nicht trifft; eine dramatisch motivirte Leidenschaft, theatralische Formen, Melodieen, die trefflich für einen Sänger sind und welche ihre Texte in sich selbst haben, tiefnagende Melancholie, Erinnerungen, welche brennen, Klagen, welche verzehren, einen hoffnungslosen Kampf gegen das Unmögliche. So ist das erste Allegro. Wenn Mozart vor seiner Zeitigung dieses Meisterwerk von dramatischem Ausdrucke und sprechender Melodie hervorzubringen vermochte, und wenn derartige Charaktere wirklich der instrumentalen Kammermusik angehörten, ist dann wohl zu glauben, daß Mozart in seiner Vollständigkeit, der Verfasser des Don Giovanni, hinter sich selbst sollte zurückgeblieben sein, in den Quartetts und Quintetts, welche aus seiner Reife datiren? Da er nun aber bei diesen einen ganz verschiedenartigen Styl anwendete, weil er in denselben, mehr als irgend Jemand, auf die Formen der Theatermusik Verzicht leistete, für die er mehr Genie als irgend ein Musiker in der Welt hatte, müssen wir daraus nicht den Schluß ziehen, daß Haydn und seine Logik ihn zur Erkenntniß der wahren Principien führten, die seine Zeit so wenig begriffen und die unsrige beinahe vergessen hat. Warum wurde Joseph Haydn der Vater der Instrumentalmusik genannt? Geschah es nicht aus dem Grunde, weil [207] er einen Styl schuf, der die Musik ohne Worte streng von der mit Worten schied, von welcher die erstere ehemals nichts als die Nachahmung und das Echo war? Nun scheinen aber Componisten und Kritiker auf das alte System zurückkommen zu wollen. Die Notenmacher wetteifern unter sich, wer am dramatischsten ist; die Phrasenmacher ohne Ueberlegung wetteifern darin, wen sie am meisten loben sollen, weil er dramatisch war. Ein schöner Fortschritt in der That!

Das lange Studium der Meisterwerke Mozart's muß mich sehr streng gemacht haben, weil ich den Muth habe, an einer Composition, wie das Quintett aus C-moll, Ausstellungen zu machen, und zwar gerade aus dem Grunde, welcher ihm so viele Theilnahme und Beifall zuzieht, weil es nämlich das melodischste und leidenschaftlichste der Quintetts ist. Und doch, wie oft habe ich es mehr als mit Worten gelobt; wie viele köstliche Thränen hat es mir entrissen. Ach! sprach ich in dem glücklichen Alter zu mir, in dem man diese Freuden genießt, ohne daß man sich Rechenschaft darüber ablegt: welchen Effect müßten diese göttlichen Melodieen im Munde eines tragischen Sängers hervorbringen! Wie erstaunt wäre ich gewesen, wenn mich Jemand belehrt hätte, welch' scharfe Kritik in meinem bewundernden Ausrufe liege.

Ein anmuthiges Motiv, Gänge der Violine von einfachem und zierlichem Geschmacke, unter welchen das Thema in einer andern Stimme sich wiederholt, Harmonie-Effecte von der pikantesten Originalität, zeichnen das Andante des Quintetts aus Es-dur,6/8 aus. Welchem Ohre wären diese Sätze entgangen, in denen die Bratschen und der Baß, in ihren tiefen Tönen sprechend, verstärkt durch einen Effect mit Doppelgriffen auf dem Violoncell, eine so melodische Erwiderung der zweiten Violine hervorrufen. Es wäre schwer, ein wohlklingenderes, ergötzlicheres Resultat zu ersinnen.

[208] Das Menuet ist ein Kanon zu zwei Stimmen, das sich in der technischen Arbeit von keinem der tausend anderen Individuen seiner Gattung auszeichnet. Wir können dasselbe in seinen Beziehungen zur Geschichte der Musik als ein bemerkenswerthes Beispiel der Verbindung des strengen Kanons mit einem Gesange, der voll Ausdruck und selbst in hohem Grade pathetisch ist, citiren. Es ist dieß die alte Wissenschaft in Verbindung mit der modernen Melodie, aber bei weitem noch keine wahrhaft Mozart'sche Wissenschaft. Ehe unser Heros mit allen Schwierigkeiten des Contrapunctes zu spielen gelernt hatte, hält er darauf, darzuthun, daß er diese zu überwinden verstehe. Es war schon viel, einen Gesang, wie den des Menuets, der kanonischen Regel dienstbar gemacht zu haben; andererseits war aber der Kanon an und für sich von der leichtesten Gattung. Was ist das, werden die alten Notenberechner sagen, für welche der Gesang das gleichgiltigste Ding in der Musik ist: imitatio aequalis motus, ein Kanon in der Octave, ein Kanon zu zwei Stimmen nur, das Minimum eines Kanons! Kinderarbeit! Nun, hier ist, um Ihnen, meine Herren von der lateinischen Terminologie, zu gefallen, das Trio meines Menuets, eine Arbeit, welche der große Josquinus Pratensis selbst unterschrieben haben würde; ein Kanon zu vier Stimmen, oder vielmehr zwei Kanons zu zwei Stimmen, die zusammengehen in contrarium stricte reversum. Betrachten Sie wohl, stricte reversum. Und wollen Sie sich überdieß überzeugen, daß ich die Schwierigkeiten des Halsbrechers verzehnfacht habe, indem ich das hineinbrachte, an was die Kanonisten des fünfzehnten, sechszehnten und siebenzehnten Jahrhunderts kaum dachten, und aus dem diese sich so wenig machten, als Sie; eine Kleinigkeit nämlich, welche man Musik, sonst aber auch Wohlklang nennt. Das ist ohne [209] Zweifel die Intention dieser paar Linien Musik für die Augen, die sich indessen nicht weniger gut anhören läßt. Es liegt etwas Unbestimmtes, Luftiges, Durchsichtiges, Geheimnißvolles und Ruhiges darin, in welchem kein Herzschlag hörbar wird, Etwas, das ich nicht auszudrücken vermag und um dessen Erklärung man Mozart befragen muß. Vielleicht wird er einem sagen, daß er einstmals den St. Stephansthurm betrachtend, bei einem matten Mondscheine die Schatten der alten Organisten, deren Erbschaft er nicht ernten konnte, um die Kathedrale habe schweben sehen, wobei sie sich das Vergnügen gemacht, das Murmeln des Zugwindes, welcher durch das ungeheuere Gebäude streift, nach den Regeln des doppelten Contrapunctes zu stimmen.

Das Quintett schließt mit Variationen, Allegro ausC-moll,2/4, welche der allgemeinen Färbung des Werkes angepaßt sind, und die Mitte zwischen melodischen und harmonisch-contrapunctischen Variationen halten. Von diesen beiden Gattungen, welche sich im Princip wesentlich entgegenstehen, obschon sie einer Annäherung fähig sind, gehört die erste der Concertmusik, die zweite aber der hohen Kirchen-und Kammermusik an. Die Variationen unseres Quintetts sind mit vieler Annehmlichkeit und vielem Reize geschrieben; sie glänzen mehr durch Ausdruck als durch den Glanz der Passagen, die Arbeit wird aber erst etwa dreißig Tacte vor dem Majore bemerkbar, welches den Schluß des Stückes bildet. Von diesem Allegro ist es aber noch weit bis zu den Variationen des Quartetts aus A von Mozart, oder bis zu denen des Quartetts von Beethoven aus demselben Tone oder bis zu Variationen aus G eines Quartetts von Haydn. Das sind Variationen, wie wir sie lieben, bewunderungswürdig und erhaben, während die gewöhnlichen Productionen dieser Gattung flach, trivial und ekelhaft sind. Gott bewahre einen vor gewissen [210] variirten Arien, welche gewisse Virtuosen spielen, in welchen aber die Dosis lange Weile nie variirt, welche das Publicum einnehmen muß21.

Quelle:
Alexander Ulibischeff: Mozart's Leben und Werke. Stuttgart 2[1859], S. 182-211.
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