Zwergmaräne (Coregonus albula)

Zwergmaräne (Coregonus albula) und Maräne (Coregonus Maraena). 1/5 natürl. Größe.
Zwergmaräne (Coregonus albula) und Maräne (Coregonus Maraena). 1/5 natürl. Größe.

[243] An dem vorstehenden Unterkiefer, welcher das Kinn zur Spitze der Schnauze macht, läßt sich die Zwergmaräne (Coregonus albula, Salmo albula und Maraenula) von allen Verwandten Mitteleuropas unterscheiden. Die Färbung ist dieselbe wie bei diesen: der Rücken erscheint [243] blaugrau, Seiten und Bauch sind glänzend silberweiß; Rücken- und Schwanzflosse sehen grau, die übrigen weißlich aus. Man zählt in der Rückenflosse vier und acht bis neun, in der Brustflosse einen bis vierzehn und funfzehn, in der Bauchflosse zwei und zehn, in der Afterflosse vier und elf bis zwölf, in der Schwanzflosse neunzehn Strahlen. Die Länge beträgt gewöhnlich nur funfzehn bis zwanzig, kann jedoch ausnahmsweise bis auf fünfundzwanzig Centimeter und etwas darüber ansteigen.

In Deutschland wird die Zwergmaräne, welche auch Kleinmaräne genannt wird, vorzugsweise in den posenschen, oft- und westpreußischen, pommerschen, schlesischen, brandenburgischen, mecklenburgischen und holsteinischen Seen gefunden; höchst wahrscheinlich aber ist sie es, welche auch auf der Skandinavischen Halbinsel und in Nordrußland vorkommt. In einzelnen Seen Schottlands, welche sie ebenfalls bewohnt, soll sie, wie die Sage geht, durch Maria Stuart eingeführt worden sein.

In ihren Sitten und Gewohnheiten ähnelt die Zwergmaräne den Verwandten, welche wie sie Seen bewohnen. Außer der Laichzeit hält sie sich nur in der Tiefe der Seen auf; in den Monaten November und December erscheint sie in dicht gedrängten Scharen an der Oberfläche, bewegt sich unter weit hörbarem Geräusche, wandert auch wohl, durch die größere Wasserfläche desselben angezogen, von einem See in den anderen über. Ihre Eier läßt sie ins freie Wasser fallen. Ungünstige Witterung ändert auch ihr Betragen während der Fortpflanzungszeit mehr oder weniger.

Mit Recht gilt sie als ein ausgezeichnet schmackhafter Fisch, welcher die auf seinen Fang verwandte Mühe wohl rechtfertigt. In Pommern und Mecklenburg fängt man sie hauptsächlich im Winter unter dem Eise, in Masuren zumeist während ihrer Wanderung von einem See zum anderen. Die erbeuteten werden, wenn Eis oder Schnee vorhanden, in dieses gepackt auf weithin versendet oder sorgfältig von den Schuppen gereinigt, ausgeweidet, in kaltem Wasser abgewaschen, eine Nacht in Salzlake gelegt, sodann an dünne Holzstäbe gespießt und hierauf etwa acht oder zehn Stunden geräuchert, bis sie eine goldgelbe oder bräunliche Färbung angenommen haben. Da, wo man keine Rauchöfen hat, bedient man sich großer Tonnen zum Räuchern.

Früher als andere Edelfische hat man die Zwergmaräne in Seen, denen sie fehlte, eingebürgert und mit Erfolg gezüchtet. »Die in dem etwa fünftausend Ar großen und funfzehn bis zweiundzwanzig Klafter tiefen Dolgensee vorhandenen, jetzt sehr zahlreichen Maränen, welche sich durch Größe und Fettgehalt vor allen übrigen auszeichnen«, schreibt mir der Besitzer des Sees, »sind vor ungefähr funfzig Jahren von meinem verstorbenen Vater aus dem eine Viertelstunde von hier gelegenen Wilmsee in den Dolgensee versetzt worden, und zwar in Zubern, welche mit Seewasser gefüllt waren. Die Fische befanden sich in einem Alter von zwei bis drei Jahren. Hier gilt es als eine bekannte Thatsache, daß sich Maränen in diesem Alter bei Anwendung einiger Vorsicht sehr leicht in benachbarte Seen übertragen lassen, und es ist dies auch zu verschiedenen Malen mit günstigem Erfolge ausgeführt worden. Auffallend muß es erscheinen, daß die verpflanzten Maränen in keinem anderen See so an Größe, Fettgehalt und Wohlgeschmack gedeihen wie in dem meinigen, welche Thatsache vielleicht darin ihren Grund findet, daß mein See überall klar ist und tiefes Wasser, viele Pflanzen und im Untergrunde Kalk enthält. Auch alle übrigen Fischarten sind anerkannt in meinem See von vorzüglichster Beschaffenheit. Während der Laichzeit der Maränen, von Mitte November an bis Mitte December, lasse ich den See nie befischen.

Als Beweis der Güte meiner Fische mag Ihnen die Angabe gelten, daß der Preis der Maränen im Wilmsee und anderen benachbarten Süßgewässern sechzig Pfennige bis eine Mark für das Schock beträgt, während für die im Dolgensee gefischten sechs bis zwölf Mark gezahlt werden.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 243-244.
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