1. Sippe: Echte Schildläuse, Coccinen

[575] Wenn von dem eben besprochenen Ungeziefer nichts anziehendes und nur Schmarotzerthum in der gemeinsten Form berichtet werden konnte, so bietet die folgende Familie der Scharlach- oder Schildläuse (Coccina) um so mehr Sonderbarkeiten, welche in der gänzlichen Verschiedenheit zwischen Männchen und Weibchen derselben Art nicht nur in der äußeren Gestalt, sondern auch in der Entstehungsweise gipfeln. Die Weibchen, um mit diesen zu beginnen, bilden sich aus beweglichen Larven, an denen sich auf der Unterseite des Kopfes Fühler, ein Schnabel, am schildförmigen und durch Einschnürungen gegliederten Körper sechs Beine mit zwei- oder dreigliederigen Füßen und einer oder zwei Krallen unterscheiden lassen. Der äußerliche Schnabel, aus drei Gliedern zusammengesetzt und nicht einstülpbar wie bei den vorigen, birgt in seinem Inneren ebenfalls vier Borsten. Diese entspringen am Kopfe, steigen tief in den Körper hinein, bilden hier eine Schlinge und kehren zum Kopfe zurück. Durch solche, auch in der folgenden Familie wiederkehrende Einrichtung lassen sich die Borsten ungemein verlängern und tief in die Pflanze einstechen, von deren Säften allein die in Rede stehenden Kerfe leben. Die Fühler sind schnur-oder fadenförmig und nehmen bei den Häutungen allmählich an Gliederzahl zu, ohne eben lang zu werden. Wenn Augen vorkommen, sind sie einfach. Die Larven laufen in der ersten Zeit behend an der Futterpflanze hin und her, um ein geeignetes Plätzchen zu finden, an welchem sie sich festsaugen und an welchem sie späterhin – sterben. Haben sie es gefunden, so fangen sie an zu wachsen und unförmlich zu werden; Flügel bekommen sie aber nie. Nach der Begattung schwellen sie mehr und mehr an, zeigen auf der Oberfläche keine Gliederung mehr und auch Verwachsungen an der Unterseite, wo die früher unterscheidbaren Fühler und Beine undeutlich werden. Jetzt legen sie in einen zähen, manche in einen weißen Filz die zahlreichen Eier unter sich ab, bleiben nach dem Tode als schützendes Schild über ihnen sitzen oder lösen sich in seltenen Fällen davon ab. Wenn jenes [575] Seidenpolster äußerlich sichtbar wird, der Körperrand mithin der Futterpflanze nicht mehr aufsitzt, so kann man auf den bereits erfolgten Tod der Mutterthiere schließen. Ehe die dem Eie entschlüpften Jungen ihre Wiege verlassen, haben sie sich schon einmal gehäutet. So viel im allgemeinen vom Weibchen.

Wesentlich anders gestalten sich die Verhältnisse beim männlichen Geschlechte. Anfangs eine Larve wie jenes, nur schlanker und kleiner, saugt sich das Männchen auch fest und wird größer, fertigt aber ein Gehäuse oder schwitzt aus seiner Oberfläche eine schützende Bedeckung aus, wie in einzelnen Fällen auch weibliche Larven, verwandelt sich darin zu einer ruhenden Puppe, welche zuletzt aus dem Hinterende des Gehäuses ein zartes, zweiflügeliges Wesen entläßt, ausgezeichnet durch drei Hauptabschnitte des Körpers, borstige oder schnurförmige Fühler, einfache Augen, durch einen verkümmerten Schnabel, deutliche Füße, nicht selten durch zwei lange Schwanzborsten und ein lang hervorragendes Geschlechtswerkzeug zwischen denselben. Das Männchen kommt bedeutend seltener vor, lebt nur sehr kurze Zeit und blieb darum von den meisten Arten bisher noch unbekannt, ja, fehlt einigen vielleicht gänzlich.

Von den eben erzählten Lebensverhältnissen weichen einige Gattungen wesentlich ab. So gleichen sich beispielsweise bei Aleurodes beide Geschlechter fast vollkommen, bei Dorthesia behalten die Weibchen ihre Beweglichkeit bis zum Tode. Aus dem Gesagten geht aber hervor, daß auch hier späteren Forschungen noch vieles übrig gelassen ist. Die meisten Schildläuse gehören wärmeren Erdstrichen an; da solche aber reich an anderen, besser zu beobachtenden und zu sammelnden Kerbthieren sind, so hat man in diesem Umstande einen weiteren Grund unserer lückenhaften Kenntnisse von diesen unscheinbaren, aber höchst interessanten Wesen zu suchen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 575-576.
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