Schwarzkopfschaf (Ovis aries steatopyga persica)

[367] Neben dem Merinoschafe gedenke ich noch der Fettsteißschafe (Ovis aries steatopyga). In ganz Mitttelafrika findet sich eine fettsteißige Schafrasse in unschätzbarer Anzahl; alle Nomaden der nördlichen und inneren Länder ebensowohl als die freien Neger züchten sie. Dieses Fettsteißschaf ist ein ziemlich großes Thier mit kleinen Hörnern, von den meisten übrigen zahmen Arten durch sein vollständig haariges Vlies unterschieden. Sein Kleid ähnelt, der gleichmäßigen Kürze und Dicke der Haare wegen, dem der eigentlichen Wildschafe und hat mit einem echten Wollvliese keine Aehnlichkeit mehr, liefert auch keine Wolle, welche gesponnen und gewebt werden könnte. Nur die Lämmer tragen ein überaus feines Wollfell. Unsere Abbildung stellt das wegen seines regelmäßigen Baues und der auffallenden Färbung besonders ausgezeichnete Schwarzkopfschaf (Ovis aries steatopyga persica) dar. Das Thier ist mittelgroß, kleinhörnig und trägt ein Haarkleid, welches am Leibe weißlich, am Kopfe und Oberhalse aber scharf abgesetzt dunkelschwarz gefärbt ist. Hirt und Herde sind von dem verstorbenen Kretschmer an Ort und Stelle, im östlichen Habesch, gezeichnet worden; denn hier findet sich dieses Schaf ebenso häufig wie in Indien oder in Persien, Jemen und Arabien, seiner eigentlichen Heimat.

Das Hausschaf ist ein ruhiges, geduldiges, sanftmüthiges, einfältiges, knechtisches, willenloses, furchtsames und feiges, mit einem Wort ein höchst langweiliges Geschöpf. Besondere Eigenschaften vermag man ihm kaum zuzusprechen; einen Charakter hat es nicht. Nur während der Brunstzeit zeigt es sich anderen Wiederkäuern entfernt ähnlich, entfaltet dann wenigstens einige Züge des Wesens, welche ihm die Theilnahme des Menschen erwerben können. Im übrigen bekundet das Schaf eine geistige Beschränktheit, wie sie bei keinem Hausthiere weiter vorkommt. Es begreift und lernt nichts, weiß sich deshalb auch allein nicht zu helfen. Nähme es der eigennützige Mensch nicht unter seinen ganz besonderen Schutz, es würde in kürzester Zeit aufhören zu sein. Seine Furchtsamkeit ist lächerlich, seine Feigheit erbärmlich. Jedes unbekannte Geräusch macht die ganze Herde stutzig, Blitz und Donner und Sturm und Unwetter überhaupt bringen sie gänzlich außer Fassung und vereiteln nicht selten die größten Anstrengungen des Menschen.

In den Steppen von Rußland und Asien haben die Hirten oft viel zu leiden. Bei Schneegestöber und Sturm zertrennen sich die Herden, rennen wie unsinnig in die Steppe hinaus, stürzen sich in Gewässer, selbst in das Meer, bleiben dumm an ein und derselben Stelle stehen, lassen sich widerstandslos einschneien und erfrieren, ohne daß sie daran dächten, irgendwie vor dem Wetter sich zu sichern oder auch nur nach Nahrung umherzuspähen. Zuweilen gehen tausende [367] an einem Tage zu Grunde. Auch in Rußland benutzt man die Ziege, um die Schafe zu führen; allein selbst sie ist nicht immer im Stande, dem dummen Vieh die nöthige Leitung angedeihen zu lassen. Ein alter Hirt schildert, wie Kohl erzählt, die Noth, welche Schneestürme über Herden und Hirten bringen, mit lebendigen Worten: »Wir weideten unser Sieben in der Steppe von Otschakom an zweitausend Schafe und anderthalbhundert Ziegen.


Schwarzkopfschaf (Ovis aries steatopyga persica). 1/11 natürl. Größe.
Schwarzkopfschaf (Ovis aries steatopyga persica). 1/11 natürl. Größe.

Es war zum erstenmale, daß wir austrieben, im März; das Wetter war freundlich, und es gab schon frisches Gras. Gegen Abend fing es an zu regnen, und es erhob sich ein kalter Wind. Bald verwandelte sich der Regen in Schnee: es wurde kälter, unsere Kleider starrten, und einige Stunden nach Sonnenuntergang stürmte und brauste der Wind aus Nordosten, so daß uns Hören und Sehen verging. Wir befanden uns nur in geringer Entfernung von Stall und Wohnung und versuchten die Behausung zu erreichen. Der Wind hatte indessen die Schafe in Bewegung gesetzt und trieb sie immer mehr von der Wohnung ab. Wir wollten nun die Geisböcke, denen die Herde zu folgen gewohnt ist, zum Wenden bringen; aber so muthig die Thiere bei anderen Ereignissen sind, so sehr fürchten sie die kalten Stürme. Wir rannten auf und ab, schlugen und trieben zurück und stemmten uns gegen Sturm und Herde; aber die Schafe drängten und drückten auf einander, und der Knäuel [368] wälzte sich unaufhaltsam während der ganzen Nacht weiter und weiter fort. Als der Morgen kam, sahen wir nichts als rund um uns her lauter Schnee und finstere Sturmwüste. Am Tage blies der Sturm nicht minder wüthend, und die Herde ging fast noch rascher vorwärts als in der Nacht, während welcher sie von der dichten Finsternis noch mitunter gehemmt ward. Wir überließen uns unserem Schicksale; es ging im Geschwindschritte fort, wir selber voran, das Schafgetrappel blökend und schreiend, die Ochsen mit dem Vorrathswagen im Trabe, und die Rotte unserer Hunde heulend hinterdrein. Die Ziegen verschwanden uns noch an diesem Tage; überall war unser Weg mit dem todt zurück bleibenden Vieh bestreut. Gegen Abend ging es etwas gemacher; denn die Schafe wurden vom Hunger und Laufen matter. Allein leider sanken auch uns zugleich die Kräfte. Zwei von uns erklärten sich krank und verkrochen sich im Wagen unter die Pelze. Es wurde Nacht, und wir entdeckten immer noch nirgends ein rettendes Gehöfte oder Dorf. In dieser Nacht erging es uns noch schlimmer als in der vorigen, und da wir wußten, daß der Sturm uns gerade auf die schroffe Küste des Meeres zutrieb, so erwarteten wir alle Augenblicke, mitsammt unserem dummen Vieh ins Meer hinabzustürzen. Es erkrankte noch einer von unseren Leuten. Als es Tag wurde, sahen wir einige Häuser uns zur Seite aus dem Schneenebel hervorblicken. Allein obgleich sie uns ganz nahe, höchstens dreißig Schritte vom äußersten Flügel unserer Herde entfernt waren, so kehrten sich doch unsere dummen Thiere an gar nichts und hielten immer den ihnen vom Winde vorgezeichneten Strich. Mit den Schafen ringend, verloren wir endlich selber die Gelegenheit, zu den Häusern zu gelangen, so vollständig waren wir in der Gewalt des wüthenden Sturmes. Wir sahen die Häuser verschwinden und wären, so nahe der Rettung, doch noch verloren gewesen, wenn nicht das Geheul unserer Hunde die Leute aufmerksam gemacht hätte. Es waren deutsche Ansiedler, und der, welcher unsere Noth entdeckte, schlug sogleich bei seinen Nachbarn und Knechten Lärm. Diese warfen sich nun, funfzehn Mann an der Zahl, mit frischer Gewalt unseren Schafen entgegen und zogen und schleppten sie, uns und unsere Kranken allmählich in ihre Häuser und Höfe. Unterwegs waren uns alle unsere Ziegen und fünfhundert Schafe verloren gegangen. Aber in dem Gehöfte gingen uns auch noch viele zu Grunde; denn so wie die Thiere den Schutz gewahrten, welchen ihnen die Häuser und Strohhaufen gewährten, krochen sie mit wahnsinniger Wuth zusammen, drängten, drückten und klebten sich in erstickenden Haufen an einander, als wenn der Sturmteufel noch hinter ihnen säße. Wir selber dankten Gott und den guten Deutschen für unsere Rettung; denn kaum eine Viertelstunde hinter dem gastfreundlichen Hause ging es zwanzig Klafter tief zum Meere hinab.«

Ganz ähnlich benehmen sich bei uns zu Lande die Schafe während heftiger Gewitter, bei Hochwasser oder bei Feuersbrünsten. Beim Gewitter drängen sie sich dicht zusammen und sind nicht von der Stelle zu bringen. »Schlägt der Blitz in den Klumpen«, sagt Lenz, »so werden gleich viele getödtet; kommt Feuer im Stalle aus, so laufen die Schafe nicht hinaus oder rennen wohl gar ins Feuer. Ich habe einmal einen großen abgebrannten Stall voll von gebratenen Schafen gesehen; man hatte trotz aller Mühe nur wenige mit Gewalt retten können. Vor einigen Jahren erstickte fast eine ganze Herde, weil zwei Jagdhunde in den Stall sprangen und sie in solche Angst setzten, daß sie sich fast übermäßig zusammendrängten. Eine andere Herde wurde durch den Hund eines Vorübergehenden so auseinander gejagt und zerstreut, daß viele im Walde verloren gingen.«

Diese Geschichten genügen, um das Wesen des Schafes zu kennzeichnen.

In gewissem Grade freilich bekundet auch das Schaf geistige Befähigung. Es lernt seinen Pfleger kennen, folgt seinem Rufe und zeigt sich einigermaßen gehorsam gegen ihn, scheint Sinn für Musik zu haben, hört mindestens aufmerksam dem Gedudel des Hirten zu, empfindet und merkt auch Veränderungen der Witterung vorher.

Das Schaf liebt trockene und hoch gelegene Gegenden mehr als niedere und feuchte. Nach Linnés Angaben frißt es von den gewöhnlichen mitteleuropäischen Pflanzen 327 Arten, während [369] es 141 verschmäht. Hahnenfuß, Wolfsmilch, Zeitlose, Schachtelhalme, Fettkraut, Riedgras und Binsen sind ihm Gift. Am besten gedeiht es, wenn es verschiedenerlei getrocknete Pflanzen haben kann; Getreidefütterung macht es zu fett und schadet der Wolle. Salz liebt es sehr, und frisches Trinkwasser ist ihm ein unentbehrliches Bedürfnis.

Der Fortpflanzungstrieb regt sich zuerst im März und währt von dieser Zeit an den ganzen Sommer hindurch fort. Die alten Römer ließen ihre Schafe zwischen Mai und Juni zur Paarung; die Landwirte in kälteren Gegenden ziehen die Zeit von September bis Oktober vor. Dann werden die Lämmer, weil das Schaf hundertvierundvierzig bis hundertundfunfzig Tage trächtig geht, in der zweiten Hälfte des Februar geworfen und bekommen bald gutes und frisches Futter. Gewöhnlich bringt das Mutterschaf nur ein einziges Lamm zur Welt; zwei Junge sind schon ziemlich, drei sehr selten. Anfangs müssen die kleinen Thiere sorgfältig gegen Witterungseinflüsse gehütet werden, später dürfen sie mit auf die Weide gehen. Im ersten Monate ihres Lebens brechen die Milchzähne durch, im sechsten Monate stellt sich der erste bleibende Backenzahn ein, im zweiten Lebensjahre fallen die beiden Milchschneidezähne aus und werden durch bleibende ersetzt; gegen Ende dieses Jahres erscheint der dritte bleibende Backenzahn und zugleich fallen sämmtliche Milchbackenzähne nach und nach aus, an deren Stelle nun die Ersatzzähne treten; erst im fünften Jahre aber werden die vorderen Milchbackenzähne gewechselt und damit die Zahnungen beendet. Der Landwirt benennt die Schafe nach diesen Vorgängen als Jungvieh, Zweischaufler, Zweijährige oder Zweizähnige, Zeitvieh, Vierschaufler, Dreijährige oder Vierzähnige und als Sechsschaufler, Sechszähnige oder Vierjährige, endlich als Achtschaufler, Achtgezähnte oder fünfjährige Schafe. Eigentlich müßte man das Thier erst nachdem alle Zahnungen vorüber sind, als erwachsen erklären; allein das Schaf ist schon mit einem Jahre, der Widder mit dem achtzehnten Monate paarungs- und zeugungsfähig. Alle Rassen unter sich pflanzen sich ohne Schwierigkeit fort, und eben deshalb kann man das Schaf mit Leichtigkeit veredeln.

Bei uns zu Lande hat das geachtete Hausthier wenige Feinde; schon im Norden und Süden Europas aber schleicht der Wolf häufig genug hinter den Herden her; in Asien, Afrika und Amerika stellen die großen Katzen und größeren Wildhunde, in Australien Dingo und Beutelwolf den wehrlosen Geschöpfen nach. Auch Braun, der Bär, holt sich hier und da ein Stück. Adler und Geieradler werden den Lämmern gefährlich. Dafür bleiben die am ärgsten von Feinden heimgesuchten Schafe am meisten von Krankheiten verschont, und der Schaden gleicht sich somit wieder aus. Die häufigste aller Krankheiten ist das Drehen, welches sich hauptsächlich bei jungen Schafen zeigt. Es rührt von Blasenwürmern (Coenurus cerebralis) im Gehirn her, welche auf noch nicht ermitteltem Wege in diesen edlen Theil gelangen. Andere Eingeweidewürmer, die sogenannten Leberegel (Distoma hepaticum), verursachen die Leberfäule, einige Fadenwürmer die Lungenfäule. Dazu kommen nun noch der Blutschlag oder die Blutseuche, die Klauenseuche, die Trabekrankheit, die Pocken, die Trommelsucht und andere oft sehr verderblich werdende Krankheiten.

Noch vor wenigen Jahrzehnten war der Nutzen des Schafes ungleich größer als gegenwärtig. In einem vollständig angebauten Lande wird zur Zeit kein großer Gewinn mehr mit dem Halten der Schafe erzielt. Die Wolle ist, seitdem man ganz Australien als Schafweide benutzt, bedeutend im Preise gefallen, und nur noch das Fleisch und der Mist kommen in Betracht. Im Süden benutzt man auch die Milch, um daraus geschätzten Käse zu machen; edle Schafe dagegen melkt man nirgends, weil man hierdurch den Wollertrag vermindert.

Das Schaf kann vierzehn Jahre alt werden; doch fallen ihm schon im neunten oder zehnten Jahre seines Lebens die meisten Zähne aus. Er wird dadurch unbrauchbar und muß so rasch als möglich gemästet und geschlachtet werden.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 367-370.
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