Parkrind (Bos scoticus)

[425] Das Parkrind (Bos scoticus) ist mittelgroß, stark, jedoch nicht plump gebaut, seine Behaarung dicht und kurz anliegend, auf Scheitel und Hals länger und gekräuselt, längs der Firste des Nackens bis zum Widerriste schwach vermähnt, seine Färbung, bis auf die Schnauze, die Ohren, Hörner und Hufe, milchweiß; die Ohren sind im Innern rothbraun, die vorderen Theile der Schnauze braun, die Augen schwarz umrandet, die Hufe schwarz, die mäßig langen, ziemlich dünnen, aber schlanken und scharf zugespitzten, vom Grunde an aus- und aufwärts gewendeten und mit den Spitzen wieder, aber kaum merklich nach einwärts gekehrten Hörner graulichweiß mit schwarzer Spitze. Die Wirbelsäule besteht aus dreizehn rippentragenden, sechs Lenden-, vier Kreuz- und zwanzig Schwanzwirbeln; das Parkwild kommt also zunächst mit dem Banteng, dem Zebu und dem Büffel überein und unterscheidet sich von dem gewöhnlichen Hausrinde durch die geringere Anzahl der Kreuz- und Schwanzwirbel. Innerhalb dreiunddreißig Jahren wurden ungefähr ein Dutzend Kälber mit braunen und blauen Flecken auf Wange und Nacken geboren, aber[425] ebenso wie sonst fehlerhafte Thiere stets entfernt, ebensowohl um die Art oder Rasse vollkommen rein zu erhalten, als auch um einem absonderlichen Aberglauben zu fröhnen. In der Nachbarschaft von Chartly nämlich herrscht der Wahn, daß irgend ein Unglück dem edlen Hause von Ferrers bevorstehe, wenn von den weißen Parkrindern ein schwarzes Kalb geboren wird, weshalb man dem zu erwartenden Unfalle wenigstens nachträglich noch vorzubeugen sucht.

Laut Beckmann unterscheidet sich das Parkrind von Hamilton von dem des Geheges bei Chillingham durch etwas abweichende Färbung. »Bei ersterem sind nämlich, außer der Schnauze und den Augen, auch die ganze Außen- und Innenseite der Ohren kohlschwarz gefärbt und die Vorderbeine vom Hufe bis zu den Knien herauf schwarz gefleckt. Der übrige Körper ist milchweiß, bei alten Thieren, namentlich an Hals und Bauch, ins Schmutziggelbe oder Isabellfarbene übergehend. Die Behaarung ist weich, dicht, länger als beim gewöhnlichen Hausrinde und sanft gewellt, ohne jedoch eigentliche Zotteln zu bilden. Auf der krausen Stirne, längs des Nackens und Rückens verlängert sich das Haar bis zu etwa vier bis fünf Centimeter, ohne aber als Mähne ins Auge zu fallen. Ueberhaupt erscheint das Parkrind, aus einiger Entfernung gesehen, fast glatthaarig; nur der Hals der Stiere ist stark gekräuselt. Die schwarze Zeichnung der verschiedenen Zuchten scheint leicht abzuändern und kann wohl nur durch Zuchtwahl erhalten werden. Nicht selten sieht man Stücke mit leicht blaulich durchscheinenden Fleckchen an den Seiten des Kopfes und Rumpfes. Am lebenden Thiere ist dies allerdings schwer zu erkennen, desto deutlicher aber zeigt es sich an der Mehrzahl der ausgestopften Rinderköpfe, welche die Wände der Museen und Jagdhallen zieren. Auf einer mir vorliegenden Photographie eines frisch getödteten Hamilton-Parkrindes finden sich auf der linken Körperseite zahlreiche kohlschwarze Flecken. Bewick führt an, daß vor vierzig Jahren zu Chillingham verschiedene Kälber mit schwarzen Ohren und Nasen geboren wurden, welche der Wärter sofort tödtete. Blaine erwähnt, daß das Parkrind von Gisburne in Yorkshire völlig weiß mit braunen Ohren, dabei klein, beweglich und hornlos gewesen sei. Dieser letzterwähnte Schlag stammt aus der Whalley-Abtei in Lancashire und wurde, einer Ueberlieferung zufolge, bei Aufhebung des Klosters im Jahre 1540 durch die Macht der Musik durch Gisburne gelockt.«

Die vornehmen Besitzer aller in Schottland noch bestehenden Parks zeigen einen gewissen Stolz darin, diesen aus alter Zeit übrig gebliebenen Thieren ihren besonderen Schutz angedeihen zu lassen und verwenden nicht unerhebliche Summen auf dessen Erhaltung; eigene Aufseher wachen über die Rinder, bemühen sich soviel als möglich, Gefahren von ihnen abzuhalten und schließen endlich die wegen höheren Alters zu bösartig oder sonst unbrauchbar gewordenen Bullen ab. Die lebhafteste Theilnahme für das Parkwild hat von jeher die Familie Tankerville an den Tag gelegt, und einem der letzteren Besitzer verdanken wir eingehende Berichte hierüber.

»Zu meines Vaters und Großvaters Zeiten«, bemerkt der edle Lord, »wußte man vom Ursprunge dieser Thiere so wenig als jetzt. Wahrscheinlich bleibt immer, daß das Vieh im Chartlyparke von einem ursprünglich in England wild lebenden Ochsen abstammt und schon in alter Zeit im Parke eingehegt wurde. Der Park selbst ist uralt und wohl schon in einer sehr frühen Zeit zum Schutze der Thiere eingefriedigt worden. Ueber die Lebensweise unseres wilden Rindviehes kann der Parkwärter Cale zu Chartly die besten Nachweisungen geben; mir ist nur folgendes bekannt.

Das Vieh hat alle bezeichnenden Eigenschaften echt wilder Thiere. Es verbirgt seine Jungen, weidet des Nachts und schläft und sonnt sich des Tages. Grimmig ist es nur, wenn es in die Enge getrieben wird; sonst zeigt es sich sehr scheu und flüchtet sich vor jedermann schon aus großer Entfernung. Je nach der Jahreszeit und der Art, wie man sich ihm naht, beträgt es sich verschieden. Im Sommer habe ich mich wochenlang vergeblich bemüht, ein Stück zu Gesicht zu bekommen; denn um diese Zeit ziehen sich die Thiere, sobald sie irgend jemand spüren, in ihren heiligen Wald zurück, welcher von niemand betreten wird; im Winter dagegen kommen sie an die Futterplätze, und weil sie sich dort an den Menschen gewöhnen, kann man, zumal beritten, fast mitten unter die Herde gelangen. Man bemerkt an ihnen viel eigenthümliches. Mitunter ergreift sie, wenn sie [426] ruhig grasen und man über dem Winde in ihrer Nähe erscheint, ein lächerlicher Schrecken, und sie galoppiren bis in ihr Allerheiligstes. Wenn sie in den unteren Theil des Parkes herunterkommen, was zu bestimmten Stunden geschieht, gehen sie wie ein Reiterregiment in einfachen Reihen; dabei bilden die Bullen den Vortrab, wogegen sie beim Rückmarsche als Nachtrab dienen. Ihre Stimme gleicht eher der eines reißenden Thieres als der eines zahmen Rindes.«

»Die Herde«, sagt der genannte Parkwärter, welcher über dreißig Jahre in Chartly lebte, »besteht gegenwärtig (1830) aus etwa achtzig Stück oder ungefähr fünfundzwanzig Bullen, vierzig Kühen und funfzehn Stück Jungvieh. Ihre reinweiße Färbung und die schönen halbmondförmigen Hörner geben den Thieren, zumal wenn sie sich in Masse bewegen, ein herrliches Ansehen. Die Bullen kämpfen um die Oberherrschaft, bis einige der stärksten die übrigen unterjocht haben. Die Kühe kalben erst, nachdem sie drei Jahre alt sind, und bleiben nur wenige Jahre fruchtbar. Sie verbergen ihr Kalb die ersten vier bis zehn Tage lang und kommen während dieser Zeit täglich zwei bis dreimal zu ihm, um es zu säugen. Nähert sich jemand dem Orte, wo sich ein solches Kalb befindet, so legt dieses den Kopf fest auf den Boden und drückt sich wie ein Hase im Lager. Neun Monate lang besaugen die Kälber ihre Mütter; dann schlagen diese sie ab.

Die Parkrinder vertragen den Winter sehr gut, wer den jedoch bei strenger Kälte mit Heu gefüttert. Man läßt sie selten über acht bis neun Jahre alt werden, weil sie später im Gewicht zurückgehen. Die Stiere tödtet man gewöhnlich im sechsten Jahre ihres Alters; dann wiegen sie etwa funfzehn Centner. Das Fleisch ist schön mit Fett durchwachsen, im Geschmack aber von dem des zahmen Rindes wenig verschieden.

Einer der Parkwärter war so glücklich, ein jung eingefangenes Paar aufzuziehen und durch sanfte Behandlung zu zähmen. Beide Thiere zeigten sich so gutmüthig wie echte Hausthiere. Der Bulle wurde achtzehn Jahre alt, die Kuh lebte nicht länger als fünf oder sechs Jahre. Man paarte sie mit einem Landbullen; allein die Kälber blieben ihr außerordentlich ähnlich. Sie gab wenig, aber fette Milch. – Im Zustande der Wildheit sterben nur sehr wenige an Krankheiten.«

Black erzählt 1851 von den im Parke von Hamilton lebenden wilden Rindern, daß sie bei Tage auf den ausgedehnten Triften weiden und abends in den Wald sich zurückziehen. Die gereizten Bullen sind äußerst rachsüchtig. Ein Vogelsteller, welcher auf einen Baum gejagt worden war, mußte dort sechs Stunden verharren, weil ihn der wüthende Stier hartnäckig belagerte. Als er sah, daß ihm sein Feind unerreichbar war, zitterte er am ganzen Leibe vor Wuth, grunzte und Stürmte mit Kopf und Huf gegen den Baum. So tobte er sich müde und legte sich nieder; sobald aber der Mann sich rührte, sprang er wüthend wieder auf und raste von neuem. Einige Schäfer erlösten den Geängstigten. Ein Schreiber wurde ebenfalls auf einen Baum gejagt und mußte dort die Belagerung bis zum anderen Nachmittage aushalten.

»Ereignet es sich«, so berichtet Fitzinger nach altenglischen Quellen, »daß ein fremder Mensch den Park besucht, und glückt es ihm zufällig, in die Nähe einer Herde zu gelangen, so scharren die Stiere, sowie sie den Fremden erblicken, durch zwei- oder dreimaliges Stampfen mit den Vorderbeinen auf dem Boden die Erde auf. Die ganze Herde nimmt hierauf im raschen Galopp die Flucht, entfernt sich jedoch nicht weiter, als höchstens auf hundertundfunfzig Schritte, rennt in einem weiten Kreise einige Male um den Fremden herum und kehrt sich plötzlich gegen denselben, worauf sie mit drohend in die Höhe gehobenen Köpfen gerade auf ihn losgeht, und wenn sie ihm auf dreißig bis vierzig Schritte in die Nähe gekommen, stutzend anhält, um den Gegenstand, welcher sie in Schrecken versetzt, mit wilden Blicken ins Auge zu fassen. Auf die geringste Bewegung, welche der hierdurch in Angst versetzte Mensch unwillkürlich macht, nimmt die ganze Herde wieder mit gleicher Schnelligkeit die Flucht, entfernt sich aber nicht mehr so weit wie früher. Sie rennt nun in einem engeren Kreise herum, hält wieder an und kommt mit drohender und trotzender Miene, doch langsam und ruhigen Schrittes bis auf wenige Gänge an ihn heran. Hier macht sie abermals Halt, rennt wieder davon und wiederholt dies noch mehrere Male, dabei die [427] Entfernungen immer verkürzend. So kommt sie endlich dem Menschen so nahe, daß dieser es für gerathen finden muß, einen der günstigen Augenblicke zu benutzen, um sich eiligst zu entfernen und zunächst vor ihren Blicken zu verstecken; denn immer bleibt es gewagt, die Thiere in ihrer Einsamkeit zu stören.«

Ludwig Beckmann gedenkt dieser altenglischen Berichte, hat jedoch bei seinem Besuche des Parks von Hamilton von all dem nichts bemerkt. »Ich fand«, so fährt er fort, »die Herde, etwa zweihundert Schritte vom Wege entfernt, behaglich im Grase liegend und wiederkauend. Zwischen den Rindern stand, hoch aufgerichtet wie eine Schildwache, ein alter Fuchswallach. Bei meiner Annäherung erhoben sich die Rinder und staunten mich unverwandt an. Die Köpfe wurden dabei nicht über die Rückenhöhe erhoben; ja die mir zunächststehenden jüngeren Rinder senkten denselben tief bis zu den Knieen herab, um mich schärfer ins Auge fassen zu können, was ihnen ein ungemein pfiffiges Ansehen gab. Als ich bis auf etwa achtzig Schritte herangekommen war, setzte sich der Zug langsam in Bewegung. Ich war gespannt auf das Benehmen des stärksten Stieres, den ich nach langem Suchen hinter mehreren Kühen versteckt fand. Derselbe hatte indeß keine Lust, unntöthigerweise einer Gefahr sich auszusetzen: es fiel ihm gar nicht ein, die Führung zu übernehmen, und sein einziges Bestreben schien darauf gerichtet zu sein, seine eigene werthe Person fortwährend durch einige Kühe oder jüngere Stiere zu decken, so daß mein beim Fuhrwerke zurückgebliebener Begleiter endlich entrüstet ausrief: ›der alte Feigling; er sollte vorausgehen, und versteckt sich hinter seinen Weibern‹. Die aus etwa dreißig Stück bestehende Herde fiel nun allmählich in Trab; hier und da galoppirte bereits ein Kalb, um nicht zurückzubleiben; dann wurden plötzlich alle flüchtig, und im rasenden Galopp, die hoch gehobenen Schweife flatternd, eilte die lange weiße Reihe mit Donnergepolter über eine Anhöhe, zwischen den mächtigen altersgrauen Stämmen hindurch: ein majestätischer Anblick! Leider wurde derselbe etwas abgeschwächt durch die Gegenwart des alten Fuchswallachs, welcher, seinen stumpfen Hahnenschwanz ebenfalls lüftend, dicht hinter dem Trupp einhergaloppirte und allen Schwenkungen desselben auf das genaueste folgte. Der flüchtige Trupp entfernte sich in weitem Bogen und machte dann auf einer Blöße plötzlich Halt, wobei die Köpfe sämmtlicher Rinder wiederum unbeweglich nach mir sich richteten. Ich versuchte nun zum zweitenmale mich anzubirschen; jetzt aber wurde die Herde bereits auf hundertundzwanzig Gänge flüchtig und machte erst in weiter Ferne wieder Halt. Die Thiere waren nunmehr bereits so scheu geworden, daß ich sie bei einem dritten Annäherungsversuche sicher gänzlich aus den Augen verloren haben würde; ich hielt es daher für das beste, vorläufig zu unserem Fuhrwerke zurückzukehren und sie von dort aus mit Hülfe eines guten Fernglases zu beobachten. Nach wenigen Minuten beruhigten sie sich, und ein Stück nach dem anderen legte sich an der Stelle, wo es stand, nieder, um wiederzukauen.

Eine andere Eigenthümlichkeit der Parkrinder, das Weiden im geschlossenen Trupp, ist oft und mit Vorliebe als ›vererbte Gewohnheit wilder Thiere‹ bezeichnet und dabei hervorgehoben worden, daß kein Hausrind dieselbe theile. Wenn man aber, meine ich, einen Trupp Hausrinder in einem weiten Gehege sich selbst überlassen wollte, ohne die Kühe zu melken, sodann dann und wann die Herde durch Treiber in Bewegung setzen ließe, etwa um einen überflüssigen Stier mit der Büchse wie ein Stück Wild niederzuschießen, so dürften gedachte Hausrinder in kurzem wohl dasselbe Mißtrauen gegen jeden Unbekannten hegen wie das echte Parkrind, und sich ganz wie dieses betragen und bewegen. Ebenso dürfte die Neigung des letzteren, bei Verfolgung in einer weiten Bogenlinie sich zu flüchten, dann Halt zu machen und den Feind anzustarren, einfach auf das stete Bewußtsein der ringsum einschließenden Parkmauern zurückzuführen und nicht als wilde, vielmehr als echte Parkgewohnheit zu betrachten sein.«

Die Art und Weise, wie man noch bis kurz vor Ende des verflossenen Jahrhunderts einen Parkstier tödtete, erinnert lebhaft an die in alter Zeit bestandenen Jagden. An dem bestimmten Tage versammelten sich die Einwohner der ganzen Nachbarschaft, theils zu Pferde, theils zu [428] Fuße und sämmtlich mit Flinten bewaffnet. Nicht selten erschienen zu einer solchen Jagd fünf- bis sechshundert Jäger, von denen oft mehr als hundert beritten waren. Die unberittenen nahmen ihre Plätze auf den Mauern ein, welche den großen Park umzäunen, oder kletterten mit ihren Gewehren auf die Bäume in der Umgegend des freien Platzes, auf welchem der bestimmte Stier erlegt werden sollte, während die Reiter den Wald durchstreiften und die Herde nach jenem freien Orte hintrieben. War dies gelungen, und hatte man den rings von Pferden eingeschlossenen Stier einmal ziemlich in seine Gewalt gebracht, so stieg einer von den Reitern, welchem die Ehre zugedacht gewesen, die erste Kugel abzufeuern, von seinem Pferde ab und schoß auf das ungestüme und durch die Angst in die höchste Wildheit versetzte Thier. Hierauf feuerten alle übrigen, welche zum Schusse kommen konnten, und oft geschah es, daß mehr als dreißigmal nach dem Stiere geschossen wurde, ehe man ihn tödtete. Durch den heftigen Schmerz der Wunden und das lärmende Geschrei der Jäger in rasende Wuth versetzt, achtete das blutende Thier nicht mehr auf die zahlreichen Menschen, sondern stürzte mit den letzten Kräften auf Roß und Reiter. Nicht selten brachte der Stier den Angreifern gefährliche Verwundungen bei, oder richtete unter ihnen derartige Verwirrung an, daß er sich ferneren Verfolgungen entziehen konnte. Die Unglücksfälle, welche diese Jagden herbeiführten, wurden Ursache, daß solche Feste nach und nach gänzlich abkamen.

Unter dem Landschlage des schottischen Rindes trifft man hier und da einzelne Stücke und ganze Zuchten, welche von dem Parkrinde abzustammen scheinen. Sie zeigen noch alle Eigenthümlichkeiten desselben mit Ausnahme der Färbung, welche meist ein einfaches Schwarz, Braun, Roth oder Gelblichbraun ist, wogegen die Kreise um die Augen und das Maul wie bei den halb wildlebenden schwarz sind. Beckmann macht mich darauf aufmerksam, daß, nach Angabe Colquhouns, heutigen Tages auch noch weiße Rinder desselben Schlages vorkommen. »Ich pflegte anzunehmen«, sagte der letztgenannte Berichterstatter, »daß die letzten Ueberreste unseres eingeborenen wilden Rindes als gefährliche Gegen stände der Neugierde und ernsteren Theilnahme in hoch ummauerten Parks eingeschlossen seien; vor einigen Jahren traf ich jedoch an einem über das Moor führenden Wege in Argyleshire auf eine gezähmte Herde dieser weißen Rinder, welche das Gras am Wege abrupften. Weit entfernt, unruhig oder böse zu werden, ließen sie mich, ohne mich zu beachten, mitten zwischen sich hindurch gehen und fraßen ruhig weiter. Ihre hübschen, gut angesetzten Hörner, die schwarzen Schnauzen, schneeweißen Vliese und die reinen Knochen verbürgten das Alter und die Reinheit ihrer Abkunft.

Nicht zu verwechseln jedoch«, schließt Beckmann, »ist das schottische Parkrind mit dem zottigen, dünn- und langhörnigen Hochlandrinde, welches auf den Hebriden gezüchtet wird, dort im halbwilden Zustande lebt und alljährlich in großen Herden durch ganz Schottland getrieben wird. Diese durchaus selbständige Rasse erinnert in ihrer äußeren Erscheinung weit mehr als das Parkrind an eine wilde Stammart, ein Urrind, ist aber ungeachtet des trotzigen Aussehens äußerst friedfertig und gutmüthig.«

Nach den vorstehenden Mittheilungen über das Parkrind darf es uns nicht Wunder nehmen, zu sehen, wie die in den Hausstand übergegangenen Rinderrassen unter der oft ganz bestimmte Zwecke verfolgenden Pflege des Menschen nach und nach, unter Um ständen in nicht allzu langer Zeit, wesentlich abweichende Merkmale annehmen und dieselben ebenso wie die übrigen Hausthiere auch vererben, mit anderen Worten also, wie im Verlauf einer gewissen Zeit neue Rassen entstehen und wieder vergehen. Es erscheint daher nicht einmal nothwendig, anzunehmen, daß außer dem Auer noch andere, ebenfalls und vor ihm ausgestorbene Wildrinderarten an der Erzeugung unseres Hausrindes betheiligt gewesen sein müssen, und ist jedenfalls überflüssig, zu wunderlichen Muthmaßungen seine Zuflucht zu nehmen. Wenn wir ehrlich sein wollen, müssen wir zugestehen, daß wir bis jetzt noch nicht im Stande sind, auch diese Frage zu lösen. – Um einzelne Rassen des höckerlosen Hausrindes anzuführen, will ich drei besonders hervorragende wenigstens erwähnen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 425-429.
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