Tigeriltis (Foetorius sarmaticus)

[70] Im südöstlichen Europa, nach Norden hin bis Polen vordringend, tritt neben dem Iltis ein Verwandter auf: der Tigeriltis (Foetorius sarmaticus, Mustela sarmatica, Peregusna und praecincta, Viverra sarmatica). Seine Gesammtlänge beträgt 50 Centim., wovon 16 Centim. auf den Schwanz kommen. Das kurzhaarige und straffe Fell ist auf der Oberseite und der Außenseite braun, mit unregelmäßigen gelben Flecken gezeichnet, am Kopfe, auf der Unterseite und der Innenseite der Beine schwarz; die Kehle rostweißlich gefleckt; die Lippen und eine hinter den Augen über den Scheitel verlaufende Binde sind weiß, die Ohren an der Wurzel braunschwarz, an der Spitze rostweißlich; der verhältnismäßig lange Schwanz hat an der Wurzel braune und gelbbunte, in der Mitte blaßgelbliche, an der Spitze schwarze Färbung. Hinsichtlich der Lebensweise, der Sitten und Gewohnheiten ähnelt der Tigeriltis durchaus seinem Verwandten, so daß es ausreichend sein dürfte, ein Lebensbild des letzteren zu entwerfen.

Der Iltis bewohnt die ganze gemäßigte Zone von Europa und Asien, geht sogar ein Stück in den nördlichen Gürtel hinüber. Mit Ausnahme von Lappland und Nordrußland ist er [70] überall in unserem Erdtheile zu finden. In Asien trifft man ihn durch die Tartarei bis an den Kaspischen See und nach Osten hin durch ganz Sibirien bis nach Kamtschatka. Ihm ist jeder nahrungversprechende Ort recht, und deshalb bewohnt er ebenso die Ebenen wie die Gebirge, die Wälder wie die Felder, vor allem aber die Nähe menschlicher Wohnungen, zumal größerer Bauergüter. Im Freien schlägt er sein Lager in hohlen Bäumen, im Geklüft, in alten Fuchsbauen und anderen Erdlöchern auf, welche er zufällig findet; im Nothfalle gräbt er sich selbst einen Bau. Auf den Feldern bezieht er das hohe Getreide; außerdem haust er in der Nähe von Felsen, zwischen Pfahlwerk, unter Brücken, in altem Gemäuer, dem Gewurzel größerer Bäume, dichten Hecken: kurz er weiß es sich überall wohnlich zu machen, wo es irgend angeht, scheut sich jedoch vor eigener Arbeit und läßt lieber andere Thiere für sich graben und wühlen. Im Winter zieht er sich bei uns nach Dörfern oder Städten zurück und kommt hier der Hauskatze oder dem Hausmarder in das Gehege, dabei aber auch gelegentlich in Hühnerhäuser, Taubenschläge, Kaninchenställe und an andere Orte, wo er dann nicht eben zur Freude des Menschen eine Thätigkeit entwickelt, welche bloß von seinen Familienverwandten erreicht, kaum aber übertroffen werden kann. Auf der anderen Seite ist er aber auch nützlich, und wenn die Bauern sonst Hühner, Tauben und Kaninchen gut verwahren, können sie mit ihrem Gaste ganz zufrieden sein; denn dieser fängt ihnen eine unschätzbare Menge von Ratten und Mäusen weg, säubert auch die Nähe der Wohnungen von Schlangen gründlich und verlangt dafür weiter nichts als ein warmes Lager im dunkelsten Winkel des Heubodens. Es gibt Gegenden, wo man ihn ebenso gern sieht, als man ihn an anderen Orten haßt. Er genießt dort eines gewissen Schutzes von Seiten der Landwirte und steht so hoch in der Achtung, daß er auch dann noch für unschuldig erklärt wird, wenn einmal der Hühnerstall oder Taubenschlag von dem nächtlichen Besuche eines gefährlichen Räubers Blutspuren aufweist; denn der Landmann glaubt, daß sein gehegter und gepflegter Ratz unmöglich so grenzenlos undankbar sein könne, ihm den gewährten Schutz mit einem Raubanfalle auf das nützliche Geflügel zu vergelten, und vermuthet in dem Mörder seiner Hühner einen anderen Iltis oder einen Hausmarder, welcher aus irgend einem Nachbarhause herübergeschlichen ist. Das sind freilich Ansichten, welche wohl von Edelmuth und Milde der Gesinnung, aber von sehr wenig Kenntnis des stinkenden Gastes Zeugnis geben. Denn dieser hat, wie Meister Reineke, vom Eigenthum eigentlich gar keinen Begriff und betrachtet den Menschen höchstens als einen gutmüthigen Kauz, welcher ihm durch seine Geflügel- oder Kaninchenzucht dann und wann zu einem leckeren Gerichte verhilft.

Ehe wir Meister Ratz auf seinen Raubzügen weiter verfolgen und uns mit seinem übrigen Leben beschäftigen, wollen wir uns zu seiner besseren Kennzeichnung mit den Beobachtungen vertraut machen, welche Lenz an gezähmten anstellte: sie werden wesentlich dazu dienen, das Bild des Thieres zu zeichnen. Lenz widmet dem Iltis ein hübsches Gedicht wegen seiner tapferen Kämpfe mit dem giftigen Gewürm, nimmt aber klüglicherweise dabei auf seine übrigen Thaten keine Rücksicht und vergißt fast den ganzen Schaden, welchen der Stänker anrichtet. Vollkommen einverstanden müssen wir uns erklären, wenn der genannte Naturforscher jedem Forstmanne anrathet, den Ratz im Walde zu schonen; denn hier ist er an seinem Platze und wirkt unstreitig viel gutes durch Wegfangen der Mäuse und zumal auch der Kreuzottern, sowie er auf dem Felde durch Vertilgung der Hamster sich sehr verdient macht. Doch lassen wir Lenz selbst reden:

»Am 4. August kaufte ich fünf halbwüchsige Iltisse, that sie in eine große Kiste und warf ihnen zehn lebende Frösche, eine lebende Blindschleiche und eine todte Drossel hinein. Am folgenden Morgen waren acht Frösche verzehrt, die Blindschleiche und Drossel noch nicht angerührt. Am zweiten Tage verzehrten sie die beiden lebenden Frösche, die Blindschleiche, drei Hamster und eine zwei Fuß lange Ringelnatter. In der folgenden Nacht fraßen sie die Drossel und sechs Frösche sowie eine fast meterlange, lebende Ringelnatter. Am dritten Tage speisten sie wiederum Frösche nebst zwei großen, todten Kreuzottern und eine Eidechse. Am vierten Tage fraßen sie vier Hamster und drei Mäuse. Am fünften Tage brachte ich einen Iltis in eine Kiste allein, gab ihm Futter[71] vollauf und, als er satt war, eine große, jedoch matte Kreuzotter. Als ich nach einer Stunde wieder hinkam, hatte er ihr den Kopf zerbissen und sie in eine Ecke gelegt. Nun ließ ich eine große, recht bissige Otter zu ihm; er zeigte vor ihrem Fauchen gar keine Furcht, sondern blieb ruhig liegen (denn der Iltis ruht oder schläft den ganzen Tag, woher die Redensart kommt: ›Er schläft wie ein Rat‹), und als ich am anderen Morgen zusah, hatte er sie getödtet. Er befand sich so wohl wie gewöhnlich.

Am anderen Tage legte ich neben den anderen ruhig in seiner Ecke sich pflegenden Iltis eine recht bissige Otter. Er wollte doch sehen oder vielmehr riechen, was da los wäre; kaum aber rührte er sich, als er zwei Bisse in die Rippen und einen in die Backen bekam. Er kehrte sich wenig daran, blieb aber, wohl hauptsächlich aus Furcht vor mir, ziemlich ruhig. Jetzt warf ich ein Stück Mausefleisch auf die Otter. Er ist nach Mausefleisch außerordentlich lüstern und konnte es daher unmöglich liegen sehen, ohne mit der Schnauze danach zu langen und es wegzukapern, aber wupp! da hatte er wieder einen tüchtigen Biß ins Gesicht. Er fraß sein Fleisch, und ich warf nun ein neues Stück auf die Otter; doch wagte er es nicht mehr es wegzunehmen, sondern ließ sich durch das Fauchen und Beißen abschrecken.

Während er nun beschäftigt war, wenigstens die Fleischstückchen, welche um die Otter herumlagen, zu beobachten, brachte mir zufällig ein Mann einen anderen, halbwüchsigen Iltis, den ich sogleich kaufte. Er war so fest an allen vier Beinen geknebelt, daß die Bindfaden tiefe Furchen eingeschnitten hatten, und daß er, sobald ich ihn seiner Fesseln entledigt und zu dem anderen gethan hatte, weder stehen noch gehen konnte. Er mußte wohl hungrig sein; denn er schob sich, auf der Seite liegend, mit seinen Beinen, welche alle wie zerschlagen aussahen, nach der Otter hin und wollte von ihr fressen; doch wurde ihm dieses bald durch drei derbe Bisse vergolten, worauf er es bequemer fand, ein Stücken Mausefleisch zu benagen. Es wollte durchaus nicht gehen; denn seine Kinnladen waren ganz verrenkt, und erst nach einer halben Stunde konnte er wieder ein wenig kauen. Trotzdem nun, daß dieser Unglückliche in einer eisernen Falle gefangen worden war, seine Beine darin gebrochen, dann, fürchterlich geknebelt, einen ganzen Tag gelegen und endlich die Otterbisse geschmeckt hatte: erholte er sich doch nach und nach wieder und ward gesund; die Beine aber blieben lahm. Nachdem ich ihn einige Tage lang durch Frösche, Mäuse, Blindschleichen und Hamster erquickt hatte, legte ich ihm wieder eine tüchtige Otter vor die Füße. Er wollte sie fressen, bekam aber gleich einen furchtbaren Biß in die Backen. Wegen des lahmen Beines war er zu langsam, und da er immer wieder heranrückte, bekam er nach und nach vier Bisse. Jetzt ließ er ab, besann sich jedoch eines bessern, kam wieder, trat mit dem gesunden Fuße auf die Schlange, wobei er eine Menge Bisse erhielt, faßte den Kopf zwischen die Zähne, zermalmte ihn und fraß mit Begierde das ganze Thier. Es zeigte sich gar kein Merkmal von Krankheit. Ich tödtete ihn nach siebenundzwanzig Stunden und zog ihm das Fell ab, fand aber keine Spur der Bisse, als zwei kleine Flecken, die wohl auch vom Knebeln herrühren konnten.

Doch kehren wir im Gedanken zu dem anderen Iltisse zurück. Er blieb in der Nacht mit der wüthenden Otter zusammen, ohne sie weiter anzutasten. So oft er sich rührte, fauchte sie; als er aber einmal lange Zeit ruhig lag und schlief, ging sie hin und wärmte sich an ihm, kroch jedoch gerade über ihn weg. Es war schon eine Stunde lang dunkel, als ich, wenn ich ohne Licht in das Zimmer trat, sie noch immer fauchen hörte. Endlich, zehn Uhr abends, da ich zu Bette gehen wollte und nochmals mit dem Lichte nachsah, war sie verstummt und zerrissen. – Ein vierter Iltis ließ sich auch noch vier Bisse von einer Otter versetzen. Er litt aber ebensowenig wie die schon angeführten.«

Außer den giftigen Schlangen verzehrt der Iltis nach Marderart alles Gethier, welches er überwältigen kann. Er ist ein furchtbarer Feind aller Maulwürfe, Feld- und Hausmäuse, Ratten und Hamster, selbst der Igel, sowie sämmtlicher Hühner und Enten. Die Frösche scheinen eine Lieblingsspeise für ihn zu sein; denn er fängt sie oft massenweise und sammelt sie in seinen Wohnungen [72] zu Dutzenden. Im Nothfalle begnügt er sich mit Heuschrecken und Schnecken. Aber auch auf den Fischfang geht er aus und lauert an Bächen, Seen und Teichen den Fischen auf, springt plötzlich nach ihnen ins Wasser, taucht und packt sie mit sehr großer Gewandtheit. Außerdem frißt er sehr gern Honig und Früchte. Seine Blutgier ist ebenfalls groß, jedoch nicht so groß wie bei den Mardern. Er tödtet in der Regel nicht alles Geflügel eines Stalles, in welchen er sich geschlichen, sondern nimmt das erste, beste Stück und eilt mit ihm nach seinem Schlupfwinkel, wiederholt aber seine Jagd mehrere Male in einer Nacht. Mehr als andere Marderarten hat er die Gewohnheit, sich Vorrathskammern anzulegen, und nicht selten findet man in seinen Löchern hübsche Mengen von Mäusen, Vögeln, Eiern und Fröschen aufgespeichert. Seine Behendigkeit macht es ihm leicht, sich immer zu versorgen.

In Ostsibirien ändert der Iltis, nach Radde, seine Lebensweise. Er bleibt den dichten Wäldern meistens fern, wählt aber auch nicht wie in Europa die Ansiedelungen der Menschen zu seinem Lieblingsaufenthalte. Wo Wälder sind, bevorzugt er die Ränder derselben oder sucht die Heuschläge auf, welche Feld-und Spitzmäuse anlocken; mehr noch sagt ihm der öde und feste Boden der Hochsteppen zu, weil er hier sein Hauptwild, die Bobaks oder Steppenmurmelthiere, in größerer Menge findet, ebenso wie in den trockeneren Theilen der Hochgebirge ihn eine Zieselart zu fesseln weiß. In den Daurischen Hochsteppen, wo sein Dasein eng an die genannten Murmelthiere geknüpft ist, sorgt er für die lange Winterszeit, in welcher letztere schlafen, sehr listig, indem er schon im Herbste, wenn das Erdreich noch nicht gefroren ist, tiefe Röhren gräbt, welche nach den dann noch leeren Nestern der Murmelthiere führen; hier läßt er aber, sobald er merkt, daß er dem Neste nahe ist, eine dünne Erdschicht stehen, welche er erst im Winter durchbricht, wenn die Murmelthiere, welche die von ihnen selbstgegrabenen Röhren verstopfen, im Winterschlafe liegen. Die Art und Weise, wie der Iltis seine Arbeit anlegt, um später zu den schlafenden Murmelthieren zu gelangen, soll sehr verschieden sein. Zuweilen gräbt er ziemlich senkrecht gegen zwei Meter tief und verfehlt die Stelle, an welcher das Nest sich befindet, nicht, ohne äußere leitende Kennzeichen zu haben; häufig aber gräbt er den Gang der Murmelthiere, welcher mit Steinen und Erde verstopft wird, noch im Spätherbste nach.

Alle Bewegungen des Iltis sind gewandt, rasch und sicher. Er versteht meisterhaft zu schleichen und unfehlbare Sprünge auszuführen, läuft bequem über die dünnste Unterlage, klettert, schwimmt, taucht, kurz macht von allen Mitteln Gebrauch, welche ihm nützen können. Dabei zeigt er sich schlau, listig, behutsam, vorsichtig und mißtrauisch, sehr scharfsinnig und, wenn er angegriffen wird, muthig, zornig und bissig, also ganz geeignet, großartige Räubereien auszuführen. Nach Art der Stinkthiere vertheidigt er sich im Nothfalle durch Ausspritzen einer sehr stinkenden Flüssigkeit und schreckt dadurch oft die ihn verfolgenden Hunde zurück.

Seine Lebenszähigkeit ist unglaublich groß. Er springt ohne Gefahr von bedeutender Höhe herab, erträgt Schmerzen aller Art fast mit Gleichmuth und erliegt nur unverhältnismäßig starken Verwundungen. Lenz führt davon Beispiele an, welche geradezu an das Unglaubliche grenzen. »Es brachte mir ein Mann«, erzählt er, »einen Iltis, welcher unter Bruch seiner Beine in der Falle gefangen worden war. Der Mann glaubte, nachdem er eine halbe Stunde auf ihn losgeprügelt, ihn todtgeschlagen zu haben. Er that ihm Unrecht; denn der Ratz war bald wieder lebendig und biß um sich her. Was war zu thun? Ihn wieder zu knebeln, wäre in der Stube ein böses Geschäft gewesen. Ich gedachte, ihn so schnell als möglich zu tödten, griff zum Bogen und schoß einen mit langer Stahlspitze versehenen Pfeil ihm mitten durch die Brust, so daß er fest an den Boden genagelt war. Nun, dachte ich, ists gut; aber der Ratz dachte nicht so, sondern krümmte sich und fauchte immer noch. Schnell ergriff ich einen zweiten Pfeil, und dieser flog ihm mitten durch den Kopf, gerade durchs Gehirn, und nagelte auch den Kopf an den Boden. Jetzt war endlich Ruhe. Das Thier rührte sich nicht, und nach etwa vier Minuten zog ich den Pfeil aus der Brust und wollte dann den aus dem Kopfe ziehen. Er saß aber so fest in dem Schädelknochen, daß die Stahlspitze [73] in dem Kopfe blieb. Kaum war eine Minute verflossen, so bewegte sich der Iltis und begann zu fauchen. Ich aber hatte es recht satt und sagte dem Manne, er solle mir das Unthier eiligst aus der Stube schaffen und nie wieder bringen.

Einen anderen großen Iltis hielt ich in einer mit Bretern bedeckten Kiste. Ich hatte beschlossen, ihn, wie gewöhnlich, wieder im Walde an einem von Ottern bewohnten Orte loszulassen, sah aber unerwartet einen Raubvogel, den ich nirgends anders als in die Iltiskiste unterbringen konnte, und wollte deshalb den Iltis schnell herausfangen. Damit kam ich aber nicht sogleich zu Stande, weil er biß und zu entschlüpfen suchte. Als ich sah, daß meine Mühe, ihn am Schwanze oder hinter dem Kopfe zu packen, um ihn herauszuziehen, vergeblich war, und er mir statt des Schwanzes immer die Zähne zeigte, entschloß ich mich kurz, ihn zu erschießen. Aber leider konnte ich durch das Gitter nicht genau zielen. Der erste Pfeil flog ihm gleich hinter den Augen durch den Kopf und nagelte ihn am Boden fest, hatte auch, wie ich nachher sah, das Gehirn verletzt, vermochte ihn aber doch nicht zu tödten. Er arbeitete gewaltig, sich vom Boden loszureißen, und ich schoß ihm noch zwei Pfeile durch den Hals, zwei durch die Brust und einen durch den Bauch, so daß er ganz fest angenagelt war; aber das Thier war noch nicht todt. Ich mußte erst noch das Drahtgitter der Kiste abnehmen und ihm den Kopf spalten, bevor er sich nicht mehr rührte.«

Die Rollzeit des Iltis fällt in den März. An Orten, wo er häufig ist, gewahrt man, daß Männchen und Weibchen sich von Dach zu Dach verfolgen, oder daß zwei Männchen ihre nebenbuhlerischen Kämpfe ausfechten. Dabei schreien alle sehr laut, beißen sich nicht selten in einander fest und rollen, zu einem Knäuel geballt, über die Dächer herab, fallen zu Boden, trennen sich ein wenig und beginnen den Tanz von neuem. Nach zweimonatlicher Tragzeit wirft das Weibchen in einer Höhle und noch lieber in einem Holz- oder Reisighaufen vier bis fünf, zuweilen auch sechs Junge, gewöhnlich im Mai. Die Mutter liebt ihre Kleinen ungemein, sorgt für sie auf das zärtlichste und beschützt sie gegen jeden Feind; ja, sie geht zuweilen, wenn sie in der Nähe ihres Nestes Geräusch vernimmt, auch unangefochten auf Menschen los. Nach etwa sechswöchentlicher Kindheit gehen die Jungen mit der Alten auf Raub aus, und nach Ablauf des dritten Monats sind sie fast ebensogroß geworden wie diese.

Man kann junge Iltisse durch Katzenmütter säugen und zähmen lassen, erlebt jedoch nicht viele Freude an ihnen, weil der angeborene Blutdurst mit der Zeit durchbricht und sie dann jedem harmlosen Hausthiere nachstellen. Mehrere Gefangene, welche in einem Raume leben müssen, vertragen sich keineswegs immer gut, fallen im Gegentheile oft wüthend über einander her, kämpfen auf Tod und Leben zusammen und fressen die von ihnen erwürgten Mitbrüder auf, so daß zuletzt oft nur der Stärkste übrig bleibt. Doch thun Zähmung und Abrichtung viel, selbst an Iltissen. Zum Austreiben der Kaninchen können sie ebensogut gebraucht werden wie das Frettchen; ihr Gestank ist aber viel heftiger als bei diesem. Selbst Füchse treiben solche gezähmte Iltisse aus ihren Bauen; denn ihr Muth ist unverhältnismäßig groß, und sie greifen jedes Thier ohne weiteres an, oft in der unverschämtesten Weise. Wie sie Hunden zuweilen mitspielten, geht aus nachstehender Mittheilung Geyers hervor. Ein Iltis, welcher einen Igel umgebracht und zum Erstaunen der Jäger etwa eine Viertelstunde weit geschleppt und verzehrt hatte, wurde durch zwei Dachshunde aufgestöbert und gestellt. »Nachdem die beiden Dächsel, welche sich infolge der Witterung des Iltis wie rasend geberdeten, von der Leine gelöst waren, versuchten wir, ihn mit einer Stange zum Auffahren zu zwingen; da aber bei der vorderen Röhre beide Dachshunde vorlagen und das unausgesetzte Stoßen in den Rücken seine Lage verzweifelnd gestalten mußte, beschloß er, selbst zum Angriffe überzugehen. Dies geschah, indem er sich in die Nase des ersten Hundes derart verbiß, daß alles Stoßen, Wälzen und Schleudern auf den Schnee ihn nicht zum Loslassen bewog. Der zweite Hund kam seinem Kameraden zu Hülfe und packte den Iltis in der Mitte, ward aber nicht besser behandelt als sein Genosse; denn nun ließ der Iltis den ersten Hund los und packte den anderen bei einem Vorderlaufe, ließ überhaupt nicht eher vom Kampfe ab, bevor er von den Hunden [74] förmlich in Stücke zerrissen war. Nachdem alles beendet, bemerkten wir, welche Verwundungen der tapfere Iltis den Hunden beigebracht hatte. Dem einen war die Nase bis auf die Wurzel gespalten, so daß sie klaffte und genähet werden mußte, der andere ging wochenlang krumm, und sein Vorderlauf heilte erst nach längerer Zeit.«

Freilebende Iltisse betragen sich zuweilen wahrhaft tolldreist den Menschen gegenüber, und können Kindern sogar gefährlich werden. »In Verna, einem Dorfe Kurhessens«, erzählt Lenz, »hatte ein sechsjähriger Knabe sein Brüderchen in der Nähe eines Kanals auf die Landstraße gesetzt, um sich die Wartung desselben leichter zu machen. Plötzlich erschienen drei Ratze und griffen das Kind an. Der eine setzte sich im Genick fest, der andere an der Seite des Kopfes und der dritte an der Stirn. Das Kind schrie laut auf, der Bruder wollte ihm zu Hülfe kommen, allein aus dem Kanal eilten noch andere Ratze herbei und wollten ihn angreifen. Glücklicherweise kamen zwei Männer vom Felde den Kindern zu Hülfe und schlugen zwei von den Ratzen todt, worauf die übrigen Thiere abließen.

In Riga drang ein Ratz durch ein Loch durch den Fußboden in die Stube, fiel über ein in der Wiege liegendes Kind, tödtete es und biß es an der linken Wange an. In Schnepfenthal wurde sogar ein Hirt von einem Iltisse angegriffen, welcher aber freilich seine Kühnheit mit dem Leben bezahlen mußte.«

Wegen des bedeutenden Schadens, welchen das Thier anrichtet, ist es fast überall einer sehr lebhaften Verfolgung ausgesetzt. Man gebraucht alle üblichen Waffen und Fallen, um es zu erbeuten. Am erfolgreichsten sind die Kastenfallen, welche an einer Seite eine Fallthüre haben, auf den Wechsel gestellt werden und den hereintretenden Iltis einsperren, sobald er ein Bretchen berührt, auf welchem die Lockspeise befestigt wurde. Wo man sehr von Mäusen geplagt ist, thut man wohl, den Ratz laufen zu lassen, und die Mühe, welche sein Fang verursachen würde, lieber auf Ausbesserung und dichten Verschluß der Hühnerställe zu verwenden.

Das Fell des Iltis liefert ein warmes und dauerhaftes Pelzwerk, welches aber seines anhaltenden und wirklich unleidlichen Geruches wegen weit weniger geschätzt wird, als es seiner Dichtigkeit halber verdient. Neuerdings erst ist es etwas mehr zu Ehren gekommen und wird selbst von den empfindsamsten Damen ohne Widerstreben getragen. Nach Lomer gelangen gegenwärtig jährlich ungefähr 600,000 Iltisfelle, welche einen Gesammtwerth von etwa zwei Millionen Mark haben, auf den Rauchwaarenmarkt. Die besten liefern die Bayerische Hochebene, Holland, Norddeutschland und Dänemark, weniger gute Ungarn und Polen, die geringsten Rußland und Asien. In Rußland herrschen kleine schwärzliche, in Asien hellgelbliche, welche einen sehr geringen Preis haben, entschieden vor. Die Mehrzahl der Felle wird in den betreffenden Ländern selbst gebraucht, eine nicht unbedeutende Anzahl aber auch nach Schweden und Finnland ausgeführt. Aus den langen Schwanzhaaren fertigt man Pinsel; das Fleisch ist vollkommen unbrauchbar und wird sogar von den Hunden verachtet.

Außer den Menschen scheint der Ratz wenig Feinde zu haben. Gute Jagdhunde fallen ihn allerdings wüthend an, falls sie ihn nur erreichen können, und beißen ihn gewöhnlich bald todt; außerdem dürfte wohl bloß noch Reineke sein Gegner sein. Lenz beschreibt in ergötzlicher Weise, wie im Käfige der Fuchs einem Iltis mitspielt: »Der Fuchs, welcher nach seinem Fleische durchaus nicht leckert und es, wenn der Iltis todt ist, gar nicht einmal fressen mag, kann doch gegen den lebenden Ratz seine Tücke nicht lassen. Er schleicht heran, liegt lauernd auf dem Bauche, springt plötzlich zu, wirft den Ratz übern Haufen und ist schon weit entfernt, wenn jener sich wüthend erhebt und ihm die Zähne weist. Der Fuchs kommt wieder, springt ihm mit großen Sätzen entgegen und versetzt ihm in dem Augenblicke, wenn er ihn zu Boden wirft, einen Biß in den Rücken, hat aber schon wieder losgelassen, ehe jener sich rächen kann. Jetzt streicht er von fern im Kreise um den Ratz herum, welcher sich immer hindrehen muß, endlich schlüpft er an ihm vorüber und hält den Schwanz nach ihm hin. Der Ratz will hineinbeißen, der Fuchs hat ihn schon eiligst [75] weggezogen, und jener beißt in die Luft. Jetzt thut der Fuchs, als ob er ihn nicht beobachte; der Ratz wird ruhig, schnuppert umher und beginnt an einem Kaninchenschenkel zu nagen. Das ist dem bösen Feinde ganz Recht. Auf dem Bauche kriechend kommt er von neuem herbei, seine Augen funkeln, die Ohren sind gespitzt, der Schwanz ist in sanft wedelnder Bewegung: plötzlich springt er zu, packt den schmausenden Ratz beim Kragen, schüttelt ihn tüchtig und ist verschwunden. Der Ratz, um nicht länger geschabernackt zu werden, wühlt in die Erde und sucht einen Ausweg. Vergebens! Der Fuchs ist wieder da, beschnuppert das Loch, beißt plötzlich durch und fährt dann schnell zurück.« Ein solches Schauspiel, bei welchem weder der eine noch der andere Schaden leidet, dauert oft stundenlang und erweckt mit Recht die Heiterkeit der versammelten Zuschauer.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 70-76.
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