Seeotter (Enhydris lutris)

[126] Unser Fischotter und mehrere seiner Verwandten wohnen hier und da und zeitweilig zwar auch im Meere, eine Art der Unterfamilie aber gehört diesem ausschließlich an. Der Seeotter oder Kalan (Enhydris lutris, Mustela, Lutra und Phoca lutris, Enhydra marina und Stelleri, Latax marina), Vertreter einer besonderen Sippe, bildet gleichsam ein Mittelglied zwischen den Ottern und Robben. Der Kopf ist zwar noch etwas abgeplattet, jedoch rundlicher als bei den Süßwasserottern, der Hals sehr kurz und dick, der Leib walzig, der Schwanz kurz, dick, zusammengedrückt, keilförmig zugespitzt und dicht behaart, das vordere Fußpaar noch wenig, das hintere sehr abweichend gebaut. Während die Vorderfüße nur wegen ihrer verkürzten Zehen, welche vermittels einer schwieligen, unten nackten Haut verbunden werden, und ihrer kleinen und schwachen Krallen von denen der Flußottern abweichen, erscheinen die hinteren gleichsam als Flosse, und zwar mindestens in demselben Grade wie bei den Seehunden, von deren hinteren Flossenfüßen sie sich dadurch unterscheiden, daß die Zehen gradweise von innen nach außen an Länge zunehmen. [126] In mancher Hinsicht ähnelt der Hinterfuß des Seeotters dem des Bibers, ist jedoch oben und unten mit kurzen, dichten, seidigen Haaren besetzt. Der Pelz besteht aus langen, steifen Grannen von schwarzbrauner, der weißen Spitzen halber weißgesprenkelter Färbung, und äußert feinen Wollhaaren. – Junge Thiere tragen ein langes, grobes, weißes Haar, welches die seine braune Wolle vollständig versteckt. Ausgewachsene Seeottern erreichen eine Gesammtlänge von mindestens anderthalb Meter, wovon etwa 30 Centim. auf den Schwanz kommen, und ein Gewicht von 30 bis 40 Kilogramm.

Der Verbreitungskreis des Seeotters beschränkt sich auf die nördlichsten Theile des Stillen Weltmeeres, die nördlichen Küsten von Kalifornien und die Inseln und Küsten von hier aus nördlich, sowohl auf nordamerikanischer wie asiatischer Seite. Längs der amerikanischen Küste geht er weiter nach Süden hinauf als längs der asiatischen, wird aber auch dort von Jahr zu Jahr seltener.

Die beste Beschreibung des Seeotters hat Steller gegeben, und bis zum heutigen Tage kein anderer Naturforscher ihr etwas zuzusetzen oder abzusprechen vermocht. Dies mag zum Theil darin seinen Grund haben, daß der Seeotter schon seit hundert Jahren in stetem Abnehmen begriffen ist, und sich gegenwärtig bei weitem nicht mehr mit der Bequemlichkeit beobachten läßt, mit welcher Steller dies konnte.

»Der Pelz des Seeotters«, sagt genannter Beobachter, »dessen Haut lose auf dem Fleische aufliegt und sich während des Laufens überall bewegt, übertrifft an Länge, Schönheit und Schwärze das Haar aller Flußbiber so weit, daß diese nicht mit ihm in Vergleichung kommen können. Die besten Felle werden auf Kamtschatka zu dreißig, in Jakutzk zu vierzig, an der chinesischen Grenze aber gegen Tausch in Waaren zu achtzig bis hundert Rubel bezahlt. Das Fleisch ist ziemlich gut zu essen und schmackhaft. Die Weibchen haben es aber viel zarter und sind gegen den Gang der Natur kurz vor und nach der Paarungszeit am allerfettesten und schmackhaftesten. Die noch saugenden Jungen, welche ihrer schlechten Felle wegen ›Medwedki‹ oder junge Bären genannt werden, können, sowohl gebraten als gesotten, immer mit einem Sauglamme um den Vorzug streiten. Das Männchen hat ein knöchernes Geburtsglied, wie alle anderen warmblütigen Seethiere, das Weibchen zwei Brüste neben der Scham. Sie begehen sich auf menschliche Weise.

Im Leben ist der Seeotter ein ebenso schönes und angenehmes als in seinem Wesen lustiges und spaßhaftes, dabei sehr schmeichelndes und verliebtes Thier. Wenn man ihn laufen sieht, übertrifft der Glanz seiner Haare den schwärzesten Sammet. Am liebsten liegen sie familienweise: das Männchen mit seinem Weibchen, den halberwachsenen Jungen oder ›Koschlockis‹ und den ganz kleinen Säuglingen, Medwedkis. Das Männchen liebkost das Weibchen mit Streicheln, wozu es sich der vorderen Tatzen wie der Hände bedient, und legt sich auch öfters auf dasselbe, und sie stößt das Männchen scherzweise und gleichsam aus verstellter Sprödigkeit von sich und kurzweilt mit den Jungen wie die zärtlichste Mutter. Die Liebe der Eltern gegen ihre Jungen ist so groß, daß sie sich der augenscheinlichsten Todesgefahr für sie unterwerfen und, wenn sie ihnen genommen werden, fast wie ein kleines Kind laut zu weinen beginnen. Auch grämen sie sich dergestalt, daß sie, wie wir aus ziemlich sicheren Beispielen sahen, in zehn bis vierzehn Tagen wie ein Geripp vertrocknen, krank und schwach werden, auch vom Lande nicht weichen wollen. Man sieht sie das ganze Jahr lang mit Jungen. Sie werfen bloß eins, und zwar auf dem Lande. Es wird sehend mit allen Zähnen geboren. Die Weibchen tragen das Junge im Maule, im Meere aber, auf dem Rücken liegend, zwischen den Vorderfüßen, wie eine Mutter ihr Kind in den Armen hält. Sie spielen auch mit demselben wie eine liebreiche Mutter, werfen es in die Höhe und fangen es wie einen Ball, stoßen es ins Wasser, damit es schwimmen lerne, und nehmen es, wenn es müde geworden, wieder zu sich und küssen es wie ein Mensch. Wie auch die Jäger ihr zu Wasser oder zu Lande zusetzen, so wird doch das im Maule getragene Junge nicht, außer in der letzten Noth oder im Tode, losgelassen, und deshalb kommen gar viele um. Ich habe den Weibchen absichtlich die Jungen genommen, um zu sehen, was sie thäten. Sie jammerten wie ein betrübter Mensch und folgten mir von fern wie ein [127] Hund, als ich sie forttrug. Dabei riefen sie ihre Jungen mit jenem Gewimmer, welches ich oben beschrieb. Als die Jungen in ähnlicher Weise antworteten, setzte ich sie an den Boden; da kamen gleich die Mütter herbei und stellten sich bereit, dieselben fortzutragen. Auf der Flucht nehmen sie ihre Säuglinge in den Mund, die erwachsenen aber treiben sie vor sich her. Einmal sah ich eine Mutter mit ihrem Jungen schlafen. Als ich mich näherte, suchte sie dasselbe zu erwecken; da es aber nicht fliehen, sondern schlafen wollte, faßte sie es mit den Vorderfüßen und wälzte es wie einen Stein ins Meer. Haben sie das Glück, zu entgehen, so fangen sie an, sobald sie nur das Meer erreicht haben, ihren Verfolger dergestalt auszuspotten, daß man es nicht ohne sonderliches Vergnügen sehen kann. Bald stellen sie sich wie ein Mensch senkrecht in die See und hüpfen mit den Wellen, halten wohl auch eine Vordertatze über die Augen, als ob sie einen unter der Sonne scharf ansehen wollten. Bald werfen sie sich auf den Rücken und schaben sich mit den Vorderfüßen den Bauch und die Scham, wie wohl Affen thun. Dann werfen sie ihre Kinder ins Wasser und fangen sie wieder usw. Wird ein Seeotter eingeholt und sieht er keine Ausflucht mehr, so bläst und zischt er wie eine erbitterte Katze. Wenn er einen Schlag bekommt, macht er sich dergestalt zum Sterben fertig, daß er sich auf die Seite legt, die Hinterfüße an sich zieht und mit den Vordertatzen die Augen deckt. Todt liegt er wie ein Mensch ausgestreckt mit kreuzweise gelegten Vorderfüßen.

Die Nahrung des Seeotters besteht in Seekrebsen, Muscheln, kleinen Fischen, weniger in Seekraut oder Fleisch. Ich zweifle nicht, daß, wenn man die Kosten daran wenden wollte, die Thiere nach Rußland überzubringen, sie zahm gemacht werden könnten; ja sie würden sich vielleicht in einem Teiche oder Flusse vermehren. Denn aus dem Seewasser machen sie sich wenig, und ich habe gesehen, daß sie sich mehrere Tage in den Inseln und kleinen Flüssen aufhalten. Uebrigens verdient dieses Thier die größte Hochachtung von uns allen, da es fast sechs Monate allein zu unserer Nahrung und den an der Zahnfäule leidenden Kranken zugleich zur Arznei gedient.

Die Bewegungen des Seeotters sind außerordentlich anmuthig und schnell. Sie schwimmen vortrefflich und laufen sehr rasch, und man kann nichts schöneres sehen als dieses wie in Seide gehüllte und schwarzglänzende Thier, wenn es läuft. Dabei ist es merkwürdig, daß die Thiere um so munterer, schlauer und hurtiger sind, je schöner und hurtiger sind, je schöner ihr Pelz ist. Die ganz weißen, höchst wahrscheinlich uralte, sind im höchsten Grade schlau und lassen sich kaum fangen. Die schlechtesten, welche nur braune Wolle haben, sind meist träge, schläfrig und dumm, liegen immer auf dem Eise oder Felsen, gehen langsam und lassen sich leicht fangen, als ob sie wüßten, daß man ihnen weniger nachstellt. Beim Schlafen auf dem Lande liegen sie krumm wie die Hunde. Kommen sie aus dem Meere, so schütteln sie sich ab und putzen sich mit den Vorderfüßen wie die Katzen. Sie laufen sehr geschwind, jedoch mit vielen Umschweifen. Wird ihnen der Weg zum Meere versperrt, so bleiben sie stehen, machen einen Katzenbuckel, zischen und drohen, auf den Feind zu gehen. Man braucht ihnen aber nur einen Schlag auf den Kopf zu geben, so fallen sie wie todt hin und bedecken die Augen mit den Pfoten. Auf den Rücken lassen sie sich geduldig schlagen; sobald man aber den Schwanz trifft, so kehren sie um und halten, lächerlich genug, dem Verfolger die Stirn vor; manchmal stellen sie sich auf den ersten Schlag todt und – laufen davon, sobald man sich mit anderen beschäftigt. Wir trieben sie ziemlich in die Enge und hoben die Keule in die Höhe, ohne zu schlagen; da legten sie sich nieder, schmeichelten, sahen sich um und krochen sehr langsam und demüthig wie Hunde zwischen uns durch. Sobald sie sich aber außer aller Gefahr sahen, eilten sie mit großen Sprüngen nach dem Meere.

Im Juli oder August hären sich die Seeottern, je doch nur wenig, und werden dann etwas brauner. Die besten Felle sind die aus den Monaten März, April und Mai. Vor funfzehn Jahren (jetzt also vor 140) konnte man die besten Felle für ein Messer oder Feuerzeug kaufen, und die russischen Kaufleute gaben dafür höchstens fünf oder sechs Rubel; jetzt haben sie den oben angegebenen Preis schon erreicht, hauptsächlich, weil die Chinesen so hohen Werth auf sie legen. Nach China gehen die meisten von allen Fellen, und da die Chinesen meist Seidenpelze tragen, so ziehen sie die [128] schweren Pelze des Seeotters den leichteren des Zobels vor und verbrämen sie auch ringsum. In Kamtschatka gibt es keinen größeren Staat, als ein Kleid, zusammengenäht aus weißem Pelz der Renthierfelle mit Otterpelz verbrämt. Vor einigen Jahren trug noch alles Meerotterkleider; es hat aber aufgehört, seitdem sie so theuer geworden; auch hält man jetzt in Kamtschatka die Hundefelle für schöner, wärmer und dauerhafter.

Der Seeotter, welcher wegen der Beschaffenheit seines Felles mit Unrecht für einen Biber angesehen und daher ›Kamtschatka-Robbe‹ genannt worden, ist ein echter Otter und unterscheidet sich von dem Flußotter allein darin, daß er sich in der See aufhält, fast um die Hälfte größer ist und an Schönheit der Haare einem Biber ähnelt. Er ist unstreitig ein amerikanisches Seethier und an den Küsten von Asien bloß ein Gast und Ankömmling, welcher sich in dem sogenannten Bibermeer unter dem 56. bis 50. Breitengrade aufhält, wo beide Erdtheile vielleicht nur durch einen fünfzig Meilen breiten Kanal getrennt sind. Besagter Kanal ist übrigens mit vielen Eilanden angefüllt, und diese machen der Thiere Ueberkunft nach Kamtschatka möglich, weil sie sonst über eine weite See zu gehen nicht im Stande sein dürften. Nach eingezogenen Kundschaften von dem tschuktschischen Volke weiß ich gewiß, daß diese Thiere gegenüber am Festlande Amerika zwischen dem 58. und 60. Grade anzutreffen sind; man hat auch Felle davon über Annadyrsk durch den Handel bekommen. Vom 56. bis 50. Grad haben wir die Seeottern auf den Inseln am Festlande von Amerika, und unter 60. Grad nahe am Festlande, beim Vorgebirge Eliä, selbst 500 Meilen von Kamtschatka nach Osten hin angetroffen. Die meisten Ottern werden mit dem Treibeise von einer Küste des Festlandes zur anderen geführt; denn ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie gern diese Thiere auf dem Eise liegen, und obgleich wegen gelinden Winters die Eisschollen nur dünn und sparsam waren, wurden sie durch die Flut auf die Insel und mit abnehmendem Wasser wieder in die See geführt, im Schlafen sowohl wie im Wachen.

Als wir auf der Beringsinsel anlangten, waren die Seeottern häufig vorhanden. Sie gehen zu allen Jahreszeiten, doch im Winter mehr als im Sommer, aufs Land, um zu schlafen und auszuruhen, auch um allerlei Spiele miteinander zu treiben. Zur Zeit der Ebbe liegen sie auf den Klippen und auf den abgetrockneten Blöcken, bei vollem Wasser auf dem Lande im Grase oder Schnee bis auf eine halbe, ja eine Werst vom Ufer ab, gewöhnlich jedoch nahe an demselben. Auf Kamtschatka oder den Kurilischen Inseln kommen sie selten ans Land, so daß man hieraus sieht, sie seien auf unserer Insel niemals in ihrer Ruhe und ihren Spielen gestört worden.

Wie jagten sie auf folgende Art: Gewöhnlich des Abends oder in der Nacht gingen wir in Gesellschaft von zwei, drei oder vier, mit langen, starken Stöcken von Birkenholz versehen, gegen den Wind so still als möglich dicht an dem Ufer hin und sahen uns aller Orten fleißig um. Wo wir nur einen Seeotter schlafend liegen sahen, ging einer ganz stille auf selbigen los, kroch wohl auch auf allen Vieren, wenn er nahe war; die anderen benahmen ihm einstweilen den Weg nach der See. Sobald man ihm so nahe kam, daß man ihn mit einem Sprunge zu erreichen dachte, fuhr man mit einemmale zu und suchte ihn mit wiederholten Streichen auf den Kopf zu tödten. Entsprang er aber, ehe man ihn erreichen konnte, so jagten die anderen gemeinschaftlich ihn von der Seeseite weiter nach dem Lande und schlossen ihn im Laufen immer enger ein, da dann dieses Thier, so schnell und geschicklich es auch laufen kann, endlich ermüdete und leicht erschlagen wurde. Trafen wir, was oft geschah, eine ganze Herde an, so wählte sich jeder sein Thier, welches ihm am nächsten schien, und dann ging die Sache noch besser von statten. Im Anfange brauchten wir wenig Fleiß, List und Behendigkeit, weil das ganze Ufer von ihnen voll war und sie in der größten Sicherheit lagen; später aber lernten sie unsere Löffel dergestalt kennen, daß man sie bloß lauernd und mit der äußersten Vorsicht ans Land gehen sah. Sie schauten allenthalben um sich her, wandten die Nasen nach jeder Gegend hin, um Witterung zu bekommen, und wenn sie sich nach langem Umsehen zur Ruhe gelegt hatten, sah man sie manchmal im Schrecken wieder aufspringen und entweder nochmals sich umsehen oder wieder nach der See wandern. Wo eine Herde lag, waren [129] aller Orten Wachen von ihnen ausgestellt. So hinderten uns auch die boshaften Steinfüchse, welche dieselben mit Gewalt vom Schlaf erweckten oder wachsam erhielten. Deshalb mußten wir immer neue Stellen aufsuchen und immer weiter auf die Jagd gehen, auch die finstere Nacht der hellen und das ungestüme Wetter dem ruhigen vorziehen, um sie nur zu bekommen, weil unsere Erhaltung darauf beruhte. Aller dieser Hindernisse ungeachtet sind jedoch vom 6. September 1741 bis zum 17. August 1742 über siebenhundert Stück von ihnen durch uns erschlagen, von uns verzehrt und ihre Felle von uns zum Wahrzeichen mit nach Kamtschatka genommen worden. Weil man sie aber öfters ohne Noth, nur der Felle wegen erschlagen, ja auch öfters, wenn diese nicht schwarz genug waren, mit Fell und Fleisch liegen lassen, kam es durch unsere heillose Verfolgung der Thiere dahin, daß wir im Frühjahre, nachdem unsere Mundvorräthe verzehrt waren, die Ottern schon auf fünfzig Werste von unseren Wohnungen abgetrieben hatten. Man hätte sich nun gern mit Seehunden begnügt; diese aber waren allzu listig, als daß sie sich weiter auf das Land hätten wagen sollen, und es war immer ein großes Glück, wenn man einen Seehund erschleichen konnte.

Die Kurilen gehen im Frühjahre mit leeren Booten, worin sechs Ruderer, ein Steuermann und ein Schütze befindlich sind, auf zehn Werste und weiter in die See. Wenn sie einen Seeotter erblicken, rudern sie auf denselben mit allen Kräften los. Der Otter spart aber auch keinen Fleiß, um zu entkommen. Ist das Boot nahe genug, so schießen der Steuermann und die vornsitzenden Schützen mit dem Pfeile nach dem Thiere. Treffen sie es nicht, so zwingen sie es doch unterzutauchen, und lassen es nicht wieder aufkommen, ohne es gleich wieder durch einen Pfeil am Athemholen zu hindern. An den aufsteigenden Blasen bemerken sie, wo sich der Otter hinwendet, und dahin steuert auch der Steuermann das Fahrzeug. Der Vordermann aber fischt mit einer Stange, an welcher kleine Querstöcke wie an einer Bürste sitzen, die wieder emporkommenden Pfeile aus der See auf. Wenn der Otter ein Junges bei sich hat, kommt dieses zuerst außer Athem und ersäuft. Dann wirft es die Alte, um sich besser retten zu können, weg; man fängt es auf und nimmt es in das Boot, wo es nicht selten wieder zu sich kommt. Endlich wird auch die Mutter oder das männliche Thier so athemlos und matt, daß es sich keine Minute lang unter dem Wasser aufhalten kann. Da erlegen es die Jäger entweder mit einem Pfeile oder in der Nähe mit der Lanze. Wenn Seeottern in Stellnetze gerathen, womit man sie auch zu fangen pflegt, verfallen sie in eine solche Verzweiflung, daß sie sich einander entsetzlich zerbeißen. Zuweilen beißen sie sich selbst die Füße ab, entweder aus Wuth oder, weil sie selbige verwickelt sehen, aus Verzweiflung.

Nichts ist fürchterlicher anzusehen, als wenn der Eisgang ankommt, wobei man die Seeottern auf dem aus der See antreibenden Eise jagt und mit Keulen erschlägt. Gewöhnlich ist dabei ein solcher Sturm und ein solches Schneegestöber, daß man sich kaum auf den Füßen erhalten kann, und doch scheuen die Jäger es nicht, selbst in der Nachtzeit auf den Fang zu gehen. Sie laufen auch ohne Bedenken auf dem Eise fort, wenn es gleich im Treiben ist und von den Wellen so gehoben wird, daß sie zuweilen bald auf einem Berge erscheinen und dann wieder gleichsam in den Abgrund fahren. Jeder hat ein Messer und eine Stange in den Händen und lange Schneeschuhe an die Füße gebunden, woran sich Haken von Knochen befinden, um nicht auf dem Eise zu glitschen oder, wo es sich thürmt, herunter zu fallen. Die Häute müssen gleich auf dem Eise abgenommen werden, und darin sind die Kurilen und Kamtschadalen so fertig, daß sie in zwei Stunden oft dreißig bis vierzig abziehen. Manchmal aber, wenn das Eis gänzlich vom Ufer getrieben wird, müssen sie alles verlassen und nur sich zu retten versuchen. Dann helfen sie sich mit Schwimmen und binden sich mit einem Stricklein an ihren Hund, der sie getreu mit an das Ufer zieht. Bei günstigem Wetter laufen sie so weit auf das Eis hinaus, daß sie das Land aus dem Gesichte verlieren; doch geben sie bei ihrer Jagd immer auf Ebbe und Flut Obacht und sehen auch zu, ob der Wind nach dem Lande geht oder nicht.«

Heutzutage werden, nach Lomer, jährlich etwa 1500 Seeotterfelle auf den Markt gebracht. Dieselben haben aber einen Gesammtwerth von 600,000 Mark, da der Preis der guten bis zu den [130] schönsten Stücken dieser Art zwischen 300 und 1500 Mark schwankt. Man kann aus einem solchen Felle drei bis fünf Mantelkragen schneiden, welche in Rußland und in anderen Ländern von vornehmen reichen Leuten getragen werden. Hohe Mandarinen Chinas lassen sich sogar Pelze aus Seeotterfellen bereiten und zahlen dafür gern die Summe von etwa 6000 Mark unseres Geldes.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 126-131.
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