Zaunammer (Emberiza cirlus)

[284] Im Süden gesellt sich ihm, hier und da vertritt ihn der über ganz Südeuropa lückenhaft verbreitete, und ebenso in der Schweiz, in Frankreich, Belgien, England und Südwestdeutschland stellenweise vorkommende, ihm in Sein und Wesen, Stimme und Gesang höchst ähnliche Zaunammer, Hecken-, Zirb-, Pfeif- und Frühlingsammer, Zaun- und Waldemmer ling, Moosbürz, Zizi usw. (Emberiza cirlus und eleathorax). Seine Länge beträgt einhundertachtundfunfzig, die Breite zweihundertundvierzig, die Fittiglänge fünfundsiebzig, die Schwanzlänge siebzig Millimeter. Der auf dem Scheitel schwarz gestrichelte Kopf, der Hinterhals, die Halsseiten und ein breites Querband über den Kropf sind graugrün, Augenbrauen und ein Streif unter dem Auge, welche durch ein schwarzes Zügelband getrennt werden, sowie ein breites, halbmondförmiges Schild zwischen Kehle und Kropf gelb, Kinn, Oberkehle und ein von letzterer ausgehender, bis hinter die Ohrgegend reichender Streifen schwarz, die Untertheile hellgelb, seitlich zimmetroth, Bauch und Schenkelseiten mit dunklen Schaftstrichen geziert, Mantel und Schultern zimmetroth, die Federn am Ende grau gesäumt und dunkel geschaftet, Bürzel und Oberschwanzdecken grünbräunlich, die Schwingen dunkelbraun, außen schmal fahl, Armschwingendecken und hintere Armschwingen außen breit zimmetbraun gesäumt, die Oberflügeldecken grünbraun, die größten am Ende rostfahl gerandet, wodurch eine Querbinde entsteht, die Schwanzfedern dunkelbraun, außen fahl gesäumt, die äußersten beiden mit breiten weißen Längsflecken geziert, welche auf der äußersten Feder fast die ganze Außenfahne mit bedeckt. Das Auge dunkelbraun, der Schnabel oberseits schwarz, unterseits lichtbräunlich, der Fuß lichtröthlich. Dem Weibchen fehlen das Schwarz der Kehle und die beiden gelben Streifen am Kopfe; die Federn der Untertheile sind gelblich, dunkel geschaftet; der zimmetrothe Fleck an der Brustseite ist blasser.

Während des ganzen Sommers trifft man unseren allbekannten Goldammer paarweise oder seine Jungen in kleinen Gesellschaften an. Die Alten gehen mit Eintritt des Frühlings an ihr [284] Brutgeschäft. Oft findet man schon im März das Nest, welches aus groben, halbverrotteten Pflanzenstengeln, Grashalmen und dürrem Laube erbaut, innen aber mit Grashalmen und Pferdehaaren ausgelegt ist, in niederem Gesträuche, meist nahe auf dem Boden, zwischen Stämmen oder im dichten Gezweige steht und spätestens zu Anfang des April das erste Gelege enthält. Letzteres besteht aus vier bis fünf Eiern, welche einundzwanzig Millimeter lang, funfzehn Millimeter dick, feinschalig, auf trübweißem oder röthlichem Grunde mit dunkleren bunten Flecken und Aederchen gezeichnet und bekritzelt sind und von beiden Eltern wechselseitig bebrütet werden, wie beide auch der Sorge um die Brut gemeinschaftlich sich widmen. In günstigen Jahren brütet er zwei-, nicht selten dreimal. So lange die Brutzeit währt, ist das Männchen sehr munter, singt vom frühesten Morgen bis zum späten Abend sein einfaches, aus fünf bis sechs fast gleichen Tönen und dem um eine Oktave höheren, etwas gezogenen Schlußlaute bestehendes Liedchen, welches das Volk sich in die Worte übersetzt hat: »S'is, s'is noch viel zu früh« oder »Wenn ich 'ne Sichel hätt', wollt' ich mit schnitt«, oder endlich, um mit Mosen zu sprechen, »Wie, wie hab ich dich lieb«.


Zaun- und Zippammer (Emberiza cirlus und cia). 5/8 natürl. Größe.
Zaun- und Zippammer (Emberiza cirlus und cia). 5/8 natürl. Größe.

Der Sänger sitzt beim Singen auf einer freien Astspitze und läßt den Menschen sehr nahe an sich herankommen, sich und sein Treiben daher leicht beobachten.

Nach der Brutzeit sammelt sich alt und jung zu Scharen, welche bald sehr zahlreich werden, und schweift nun zunächst in einem ziemlich kleinem Gebiete Landes umher, vereinigt sich wohl auch mit Lerchen und Finken, selbst mit Wacholderdrosseln. In strengen Wintern wird unser Vogel gezwungen, seine Nahrung von den Menschen sich zu erbetteln und kommt massenhaft, oft als gern gesehener oder wenigstens geduldeter Gast, in das Gehöft des Landmannes herein, kehrt aber im [285] nächsten Frühjahre auf seinen Standort zurück. Hier und da wird er auf besonderen Herden gefangen; doch hat er in dem Raubzeuge ungleich gefährlichere Feinde als in dem Menschen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 284-286.
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