Birkhuhn (Tetrao tetrix)

[41] Als Vertreter einer besonderen Untersippe, der Spielhühner (Lyrurus), gilt auch das Birk huhn, Spiel-, Spiegel-, Schild-, Baum-, Laub- und Moorhuhn (Tetrao tetrix, rupestris, juniperorum, ericeus, peregrinus und derbianus, Urogallus tetrix und minor, Lyrurus tetrix und derbianus). Es ist verhältnismäßig schlank gebaut, der Schnabel mittellang und stark, der Fuß, dessen äußere und innere Zehe gleich lang sind, nicht bloß auf die Zehen herab, sondern auch auf den Spannhäuten, zwischen jenen, befiedert, der Flügel kurz, verhältnismäßig aber länger als beim Auerhuhne, muldenförmig gewölbt, stumpf zugerundet, in ihm die dritte Schwinge die längste, der Schwanz, welcher aus achtzehn Federn besteht, beim Weibchen seicht abgeschnitten, beim Männchen hingegen so tief gegabelt, daß die längsten Unterdeckfedern über die kürzesten mittleren sechs, an Länge gleichen Steuerfedern hinausreichen, nach außen hin aber gesteigert und horn- oder leierförmig gebogen, so daß der ganze Schwanz eine leierartige[41] Gestalt annimmt. Das Gefieder des Männchens ist schwarz, auf Kopf, Hals und Unterrücken prächtig stahlblau glänzend, auf den zusammengelegten Flügeln mit schneeweißen Binden gezeichnet, welche durch die an der Wurzel weißen Armschwingen und großen, übrigens glanzlosen und schwarzen Oberflügeldecken gebildet werden, das Unterschwanzgefieder reinweiß; die Schwingen sind außen schwarzbraun, grau verwaschen und weiß geschaftet, die Steuerfedern schwarz. Das Auge ist braun, der Seher blauschwarz, der Schnabel schwarz, die Zehen sind graubräunlich, die Augenbrauen und eine nackte Stelle ums Auge hochroth. Das Weibchen ähnelt der Auerhenne; die Färbung seines Gefieders ist ein Gemisch von Rostgelb und Rostbraun mit schwarzen Querbinden und Flecken. Die Länge des Männchens beträgt sechzig bis fünfundsechzig, die Breite fünfundneunzig bis einhundert, die Fittiglänge dreißig, die Schwanzlänge zwanzig Centimeter; das Weibchen ist um etwa funfzehn Centimeter kürzer und um zweiundzwanzig Centimeter schmäler.

Das Birkhuhn hat ungefähr dieselbe Verbreitung wie das Auerhuhn, geht aber nicht so weit nach Süden hinab und etwas weiter nach Norden hinauf. Auf dem spanischen und griechischen Gebirge kommt es nicht mehr vor, und auch in Italien wird es nur in den Hochalpen, hier aber sehr häufig gefunden. In Deutschland lebt es wohl noch in allen Staaten und Provinzen, keineswegs aber überall, vielmehr nur in seinen Bedürfnissen zusagenden Waldungen der Ebene wie des Hochgebirges; denn es zeigt sich wählerisch hinsichtlich der Oertlichkeit, nicht aber rücksichtlich der Gegend. Mehr oder minder häufig ist es noch auf allen deutschen Mittelgebirgen, nicht selten im Voigtlande, der Mark und Lausitz, in Schlesien, Posen, Ost- und Westpreußen, Pommern, Hannover und stellenweise in Nordschleswig und Jütland, häufig ebenso im ganzen Alpengebiete, gemein in Livland und Esthland, in Skandinavien und Rußland sowie endlich in Sibirien, bis zum Amurlande hin. Auf dem Kaukasus wird es durch eine verwandte, erst im Jahre 1875 entdeckte Art (Tetrao Mokosiewiczi) vertreten. Immer und überall trifft man das Birkhuhn nur da an, wo das Gelände seinen Anforderungen entspricht. Es verlangt urwüchsige, verwilderte und durch Feuer zerstörte, beziehentlich schlecht oder besser nicht gepflegte Waldungen, nicht aber geschlossene und wohl bewirtschaftete Forsten, Gegenden, welche reich an niederen Gesträuchen sind, sei es, daß diese durch die Heide, sei es, daß sie durch Dickichte gebildet werden. Sein Wohnbaum ist die Birke. Sie zieht es jedem anderen Bestande vor; Nadelwaldungen bilden in seinen Augen immer nur einen Nothbehelf. Nirgends tritt es so häufig auf als in ausgedehnten Birkenwaldungen; selbst kleine Bestände dieses Baumes vermögen es zu fesseln. Aber auch im Birkenwalde muß der Grund mit jungem, dichtem Aufschlage, Heidekraut, Heidelbeeren, Ginster und anderem niederen Gestrüpp bedeckt sein, wenn es ihm behagen soll. Ebenso liebt es Moorgrund ganz außerordentlich; denn man begegnet ihm auch da, wo die Sumpfpflanzen vorherrschen und die Heide oder das Gestrüpp zurückdrängen, obschon nicht in den eigentlichen Brüchen oder Morästen. In der Schweiz bewohnt es, laut Tschudi, ebenso sehr die gebirgigen Oberwälder als den mittleren Waldgürtel und geht gern bis an die Grenze des Holzwuchses empor, wo es dann die Lichtungen mit dichtem Heidekraute oder Heidel- und Brombeerbüschen und endlich auch die Dickichte der Legföhren, welche ihm guten Schutz gewähren, aufsucht. »Das birkhuhnreichste Gebiet der Schweiz ist ohne Zweifel Graubünden und hier wieder das mit düsterem Bergwalde und finsteren Flühen ausgekleidete Val Mingen, ein selten besuchter Seitenarm des Val da Scarl im Unterengadin. In den struppigen Leg- und Bergkiefern und Arvenbüschen jener Gegend hört man die Hähne im Frühlinge von allen Seiten balzen.« Auf den österreichischen Alpen lebt es stets in einem höheren Gürtel als das Auerhuhn, ist hier aber ebenso häufig als in den Karpathen, den bayrischen Alpen, in den dichten Mösern oder Mooren aber ebenfalls noch überall zu Hause: auf den Filzen von Weilheim, Diessen, Rosenheim, Reichenhall usw. kann man im Spätherbste und im Winter, laut Kobell, oft achtzig bis hundert Hähne beisammen sehen. In Frankreich ist es weit verbreitet und geeigneten Ortes nicht selten, in Belgien auf die Grenzgebirge, in Holland auf die Moore von Overijssel, Drentthe und Groningen beschränkt, in Schottland noch allverbreitet, in England seit 1815 von [42] Holland her wieder eingebürgert worden. In Irland, auf den Färinseln und auf Island fehlt es. Sehr zahlreich bevölkert es Skandinavien von Nordschonen an, und zwar alle Waldungen bis zum Alpengürtel empor, in unvergleichlicher Menge Nord- und Mittelrußland sowie ganz Nord- und Mittelasien, soweit es bewaldet ist. Während unserer Reise in Sibirien fanden wir es innerhalb des Waldgürtels allerorten, in ausgedehnten Birkenwaldungen in Scharen von mehreren hundert Stück vereinigt; Radde stieß in der Gegend des nördlichen Baikalufers fast täglich auf brütende Weibchen oder später auf Birkhuhnketten und erfuhr, daß im Gebiete des unteren Bureja während der Monate Oktober und November von einem einzelnen Kosakenposten gewiß gegen zweitausend Birkhühner erlegt und gefangen worden waren. Weiter oben im Norden des Festlandes der alten Erde nimmt der Vogel rasch an Anzahl ab. Niddendorff bemerkt, daß es am unteren Jenisei bis zum siebenundsechzigsten Grade der Breite noch häufig, zwei Grade nördlicher aber nicht mehr auftritt; wir haben es am unteren Ob bereits vom fünfundsechzigsten Grade an vermißt.

Im mittleren Deutschland ist das Birkhuhn ein Standvogel, wenn auch vielleicht nicht im strengsten Sinne; auf dem Hochgebirge und im Norden aber tritt es ziemlich regelmäßige Wanderungen an. So verläßt es, laut Tschudi, in der Schweiz zweimal im Jahre seinen Wohnort und fliegt umher. Im Simmenthale hat man beobachtet, daß es im Spätherbste ziemlich regelmäßig nach den Walliser Bergen hinüberstreicht. Viele von den Wandernden kehren nicht wieder zurück in ihre eigentliche Heimat, werden verschlagen und gerathen in fremdes Gebiet. In den nördlichen Gegenden werden diese Wanderungen regelmäßiger; Radde beobachtete, daß es im Winter in zahlreichen Scharen vom Apfelgebirge zum mittleren Onon wandert und hier auf den Inseln, welche mit Weiden-und Balsampappeln bestanden sind, der reichlichen Nahrung halber Herberge nimmt. Gleiche Wanderungen lassen sich für das mittlere Amurland nachweisen.

»Das Birkhuhn«, schildert mein Vater, welcher es ebenfalls vortrefflich beobachtet hat, »ist zwar auch schwerfällig, wie das Auerhuhn, aber in allen seinen Bewegungen gewandter. Es läuft schneller als das Auerhuhn und trägt dabei den Leib wenig nach hinten gesenkt und den Hals vorgelegt. Auf den Bäumen ist seine Stellung bald aufgerichtet, bald wagerecht; der Hals wird bald eingezogen, bald in die Höhe gestreckt. Es steht lieber auf Laub- als auf Nadelholzbäumen und ist weit öfter auf dem Boden als das Auerhuhn. Ungeachtet der kurzen Schwingen ist sein Flug doch sehr gut, geht geradeaus, mit ungemein schnellem Flügelschlage und oft ganze Strecken in einem Zuge fort. Er rauscht zwar auch, aber weit weniger als der des Auerhuhnes und scheint viel leichter zu sein. Die Sinne sind sehr scharf. Es sieht, hört und riecht vortrefflich, ist auch unter allen Umständen vorsichtig.« Tschudi sagt, daß es ein ziemlich dummer Vogel und der Ortssinn bei ihm wenig entwickelt sei, daß es seine angeborene Scheu und Wildheit häufiger als Vorsicht und Ueberlegung vor Verfolgungen rette: ich kann diese Behauptung nicht zu der meinigen machen, glaube vielmehr, stets das Gegentheil erfahren zu haben. Nur äußerst selten läßt es sich leicht berücken; in der Regel nimmt es, wie die Taube, das gewisse fürs ungewisse und sucht jeder Gefahr so bald als möglich zu entrinnen. Die Stimme ist verschieden, je nach dem Geschlechte. Der Lockton ist ein helles, kurz abgebrochenes Pfeifen, der Ausdruck der Zärtlichkeit ein sanftes »Back, back«, das Lallen der Kinder ein feines Piepen; während der Balzzeit aber entwickelt der Hahn einen Reichthum an Tönen, welche man dem sonst so schweigsamen Vogel kaum zutrauen möchte.

Hinsichtlich der Nahrung unterscheidet sich das Birkhuhn wesentlich vom Auerhuhne: es äst sich unter allen Umständen von zarteren Dingen als dieses. Baumknospen, Blütenkätzchen, Blätter, Beeren, Körner und Kerbthiere bilden seine Aesung. Im Sommer pflückt es Heidel-, Preißel-, Him- und Brombeeren, im Winter Wacholderbeeren, verzehrt nebenbei die Knospen des Heidekrautes, der Birken, Haselstauden, Erlen, Weiden und Buchen, lebt auch wohl ausnahmsweise von jungen grünen Kieferzapfen, wie uns Untersuchung der Kröpfe alter Hähne gelehrt hat, verschmäht dagegen Nadeln fast immer. Ebenso gern wie Pflanzenstoffe nimmt es thierische Nahrung zu sich: kleine Schnecken, Würmer, Ameisenlarven, Fliegen, Käfer und dergleichen; zumal [43] die Jungen werden fast ausschließlich mit zarten Kerbthieren geatzt. Die Wanderungen, welche der Vogel im Norden unternimmt, geschehen hauptsächlich der Nahrung halber. Wenn in Sibirien Frostwetter eintritt, sieht man das Birkhuhn, laut Radde, in den Vormittagsstunden auf den Kronen der Balsampappeln sitzen, deren dünne Zweige durch den Schnabel ziehen und so die harzigen Knospen abstreifen; dasselbe thut es auch mit den Ruthen der Weißbirke und anderer Laubbäume. Körnerfutter verschmäht es nicht: in Sibirien sahen wir es auf der großen Landstraße im Pferdemiste nach unverdaueten Haferkörnern scharren und wühlen, und in der Gefangenschaft gewöhnt es sich leicht an derartige Nahrung. Quarzkörnchen sind auch ihm Bedürfnis.

Vom Auerhuhne unterscheidet sich das Birkhuhn zu seinem Vortheile durch große Geselligkeit. Die Geschlechter leben, jedes für sich, in mehr oder minder zahlreichen Flügen zusammen. Auch unter den Birkhähnen gibt es einzelne, welche die Geselligkeit meiden, einsam ihre Tage verleben und erst gegen die Balzzeit hin wieder bei ihresgleichen sich einfinden; ihrer sind jedoch wenige. Die Regel ist, daß sich die alten Hähne niemals wirklich trennen, die Hennen nur während der Brutzeit vereinzeln und beide Geschlechter wiederum sich scharen, sobald die Jungen das volle Kleid erlangt haben. Dann bleiben nur noch die Weibchen bei der Mutter, wogegen die Männchen älteren ihresgleichen sich gesellen und mit diesen fortan bis zur nächsten Balze gemeinsam und friedlich leben. Diese Thatsache erklärt die außerordentlich zahlreichen Schwärme der Hähne im Gegensatze zu den stets schwachen Ketten der Hennen. Während wir in Sibirien zu Ausgang des Winters mehrmals Flüge von zwei- bis vierhundert Hähnen sahen, kamen uns immer nur schwache Ketten von Hennen zu Gesichte, sie aber häufiger als jene großartigen Versammlungen. Das Leben des Birkhuhnes ist übrigens ziemlich wechselvoll, schon wegen der Wanderungen, welche im Winter unternommen werden. Um diese Zeit haben die Vögel zuweilen auch ihre liebe Noth um das tägliche Brod; bei tiefem Schneefalle z.B. müssen auch sie sich ihre Nahrung oft recht kümmerlich erwerben, und dann kann es geschehen, daß sie sich lange Gänge unter dem Schnee graben, um etwas genießbares aufzufinden. Im Hochgebirge und im hohen Norden häufen sie sich, wie schon der alte Geßner weiß, bei schlimmem Wetter zusammen, lassen sich förmlich einschneien und verweilen unter der schützenden Schneedecke, bis das Unwetter vorüber ist. Unter solchen Umständen mag es manchmal schlecht um ihren Tisch bestellt sein. Aber die Zeiten bessern sich, und mit den ersten Frühlingstagen zeigt sich die volle Lebenslust, ja der volle Uebermuth unseres Huhnes; denn noch ehe der Schnee weggeschmolzen, beginnt die Balze.

Der Auerhahnjäger mag behaupten, daß die Balze seines Lieblingsvogels von dem Liebesspiele irgend eines anderen Vogels unmöglich übertroffen werden könne: der Nichtjäger wird ihm kaum beistimmen können. Und selbst unter den Waidmännern gibt es viele, welche glauben, daß die Birkhuhnbalze das schönste sei, welches der Frühling bringen kann. Gewiß ist das eine: derjenige, welcher auch nur einmal auf der Birkhahnbalze war, wird sie niemals vergessen. Es trägt vieles dazu bei, den Liebesreigen des Hahnes zu einem überaus anziehenden Schauspiele zu stempeln: die Oertlichkeit und die weiter vorgerückte Jahreszeit, die Menge der Hähne, welche balzen, die Abwechselung ihrer Tänze, die Schönheit und Gewandtheit sowie die weithin den Wald belebende Stimme des Tänzers, der den Reigen begleitende Vogelgesang aus hundert begabten Kehlen und anderes mehr.

In Deutschland beginnt die Balze, wenn die Knospen der Birke aufschwellen, also gewöhnlich in der zweiten Hälfte des März, währt aber während des ganzen April fort und dauert bis in den Mai hinein. In dem Hochgebirge wie in den Ländern des Nordens tritt sie später ein und kann bis zur Mitte des Juni, ja selbst bis zum Juli anhalten. Auch im Spätherbste hört man zuweilen einzelne Birkhähne eifrig kollern, gleichsam als wollten sie sich vorbereiten und einüben; diese schwachen Versuche haben jedoch mit der eigentlichen Balze kaum Aehnlichkeit.

Der Birkhahn wählt zu seinem Liebesspiele einen freien Platz im Walde, am liebsten eine Wiese oder Lehde, auch wohl einen Schlag, auf welchem die junge Baumsaat ihn noch nicht [44] hindern kann. Er erscheint am Abende in der Nähe desselben, tritt zu Baume und balzt hier in Unterbrechungen bis zum Einbruche der Nacht. Früh in der Morgendämmerung verläßt er die Schlafstelle und begibt sich auf den Boden herab. Wo das Birkwild häufig ist, sammeln sich auf günstigen Plätzen viele an, im Norden oft ihrer dreißig bis vierzig, manchmal hundert. Der erste Hahn, welcher sich zeigt, gibt beim Einstieben einige quiekende Töne von sich, schweigt hierauf einige Zeit und beginnt nun zu blasen oder zu schleifen, worauf die eigentliche Balze anfängt. Im März und in den ersten Tagen des April wird sie noch oft unterbrochen; später währt sie den ganzen Morgen fort, und jeder einzelne Hahn beweist dann eine Ausdauer, welche uns in Erstaunen setzt: in Lappland hörte ich den Birkhahn von elf Uhr abends an bis früh um zwei Uhr unuterbrochen balzen. Bei uns zu Lande pflegt er erst mit Anbruch des Morgens zu beginnen, und so ist es, laut Tschudi, auch im Hochgebirge. »Vor Eintritt der Morgendämmerung, beinahe eine Stunde vor Sonnenaufgang, hört man in den Alpen zuerst den kurzen Gesang des Hausröthlings eine Weile ganz allein; bald darauf erweckt der hundertstimmige Schlag der Ringamseln alles Vogelleben, vom düsteren Hochwalde bis zu den letzten Zwergföhren hinan, und erfüllt alle Flühen und Bergthäler; unmittelbar darauf, wohl eine starke halbe Stunde vor Sonnenaufgang, tönt der klangvolle erste Balzruf des Birkhahnes weit durch die Runde, und ihm antworten hier und dort, von dieser Alpe, von jener Felsenkuppe, aus diesem Krummholzdickichte und von jenem kleinen Bergthalwäldchen herauf die Genossen. Mehr als eine halbe Stunde weit hört man das dumpfe Kollern und zischende Fauchen jedes einzelnen aus allem Vögeljubel deutlich heraus.« Die Balze selbst ist Liebestanz und Liebesgesang zugleich. Auf das erste Pfeifen oder Quieken, welches man vom einstiebenden Hahne vernimmt, folgt das sogenannte Blasen oder Schleifen, ein merkwürdiges hohles Zischen, welches Nilsson nicht übel durch die Buchstaben »Tschjo – y« wiedergibt, obwohl es vielleicht noch richtiger durch »Tschj – chsch« ausgedrückt werden dürfte, und unmittelbar daran reiht sich das sogenannte Kollern, welches Bechstein durch die Silben »Golgolgolgolrei«, Nilsson aber, und meinem Gefühle nach richtiger, durch die Laute »Rutturu – ruttu – ruiki – urr – urr – urr – rrrutturu – ruttu – rucki« zu übertragen versuchte. Wenn der Hahn sehr hitzig ist, balzt er in einem fort, so daß Kollern und Schleifen beständig abzuwechseln scheinen und man den Anfang und das Ende eines Satzes kaum mehr unterscheiden kann. Es kommt bei ihm nur selten vor, daß er wie der Auerhahn alles um sich her vergißt und sozusagen taub und blind ist; ich kenne übrigens doch Fälle, daß einzelne, auf welche während des Schleifens geschossen wurde, nicht von der Stelle wichen, sondern zu der Meinung verleiteten, daß sie den Knall nicht vernommen. Seine Bewegungen während der Balze sind erregt, lebhaft und absonderlich. »Vor dem Kollern«, schildert mein Vater sehr richtig, »hält er den Schwanz senkrecht und fächerförmig ausgebreitet, richtet Hals und Kopf, an welchem alle Federn gesträubt sind, in die Höhe und trägt die Flügel vom Leibe ab und gesenkt; dann thut er einige Sprünge hin und her, zuweilen im Kreise herum und drückt endlich den Unterschnabel so tief auf die Erde, daß er sich die Kinnfedern abreibt. Bei allen diesen Bewegungen schlägt er mit den Flügeln und dreht sich um sich selbst herum.« Je hitziger er wird, um so lebhafter geberdet er sich, und schließlich meint man, daß man einen Wahnsinnigen oder Tollen vor sich sehe. Am meisten steigern sich alle Bewegungen, wenn mehrere Birkhähne auf derselben Stelle einfallen; dann werden aus den Tänzern wüthende Streiter. Ihrer zwei stellen sich wie Haushähne gegen einander auf, fahren mit tief zu Boden gesenkten Köpfen auf einander los, springen beide zu gleicher Zeit senkrecht vom Boden auf, versuchen sich zu hauen und zu kratzen, fallen wieder herab, umgehen sich unter wüthendem Kollern mehrmals, nehmen einen neuen Anlauf und streben, sich gegenseitig zu packen. Wird der Kampf ernsthaft, so muß jeder der Kämpfer Federn lassen; aber trotz der scheinbaren Wuth, mit welcher sie kämpfen, kommen kaum, vielleicht niemals ernsthafte Verwundungen vor, und es scheint fast, als wolle einer nur den anderen verscheuchen, nicht aber schädigen. Doch geschieht es, daß der stärkere den schwächeren beim Schopfe packt, wie einen Gefangenen eine Strecke weit wegschleppt, [45] ihm dann noch einige Hiebe versetzt, ihn zu flüchten zwingt und hierauf frohlockend zum Kampfplatze zurückkehrt, um weiter zu balzen. Starke Hähne pflegen im Laufe des Morgens verschiedene Balzplätze zu besuchen, offenbar in der Absicht, ihre Kraft an mehreren Gegnern zu erproben; sie werden unter Umständen der Schrecken aller jüngeren, minder geübten Hähne, welche sich ihnen wohl oder übel unterwerfen müssen. Der geschlagene Hahn kehrt übrigens gewöhnlich ebenfalls wieder zum Kampfplatze zurück und beginnt von neuem zu streiten oder fliegt einem zweiten Balzplatze zu, um dort sich mit einem anderen Hahne zu messen.

Die Balze lockt gewöhnlich, doch nicht immer, die Hennen herbei, so daß die Hähne nach Abschluß des Liebesreigens den Lohn ihrer Mühen ernten können. In Skandinavien hat man beobachtet, daß ein gefangener Hahn, welcher in einem umzäunten Garten balzte, wiederholt von freilebenden Hennen besucht wurde; bei uns zu Lande bemerkt man die Hennen nur ausnahmsweise in der Nähe der Balzplätze, und die Hähne müssen oft weit nach ihnen fliegen. Haben die Weibchen sich eingefunden, so treten die Hähne mit ihnen in den späteren Morgenstunden zu Baume, kollern noch einige Zeit hier fort und begeben sich sodann gemeinschaftlich nach den Weideplätzen, woselbst die Begattung zu erfolgen pflegt. Ein starker Hahn betritt unter Umständen vier bis sechs Hennen im Laufe des Morgens, ist jedoch nur selten so glücklich, eine derartige Anzahl um sich versammeln zu können.

Gegen Mitte des Mai macht die Birkhenne Anstalt zum Brüten. Ihr Nest ist ebenfalls nur eine seicht ausgescharrte, höchstens mit etwas Genist belegte Vertiefung in einer möglichst geschützten Stelle zwischen hohen Gräsern, unter kleinen Büschen usw. Das Gelege enthält sieben bis zehn, bisweilen wohl auch zwölf Eier von etwa neunundvierzig Millimeter Längs- und fünfunddreißig Millimeter Querdurchmesser, welche auf graugelbem, blaßgrauem oder röthlichgelbem Grunde mit dunkelgelben, rost- oder ölbraunen und grauen Flecken und Punkten dicht bestreut sind. Die Henne brütet zwar nicht so eifrig wie die Auerhenne, aber doch immer noch mit warmer Hingabe, auch ebenso lange, versucht, nahende Feinde durch Verstellungskünste vom Neste abzulenken, und widmet sich im günstigsten Falle der Aufzucht ihrer Kinder mit der innigsten Zärtlichkeit. Das Jugendleben der Küchlein ist ungefähr dasselbe, und auch der Kleiderwechsel der Jungen geht fast in gleicher Weise wie beim Auerhuhne vor sich. Die Küchlein wissen sich vom ersten Tage ihres Lebens angeschickt zu verbergen, lernen bald flattern und sind schon nach einigen Wochen im Stande, den Alten überall hin zu folgen. Demungeachtet haben sie noch viele Gefahren auszustehen, bevor ihr Wachsthum vollendet ist.

Die Birkhuhnjagd wird von allerlei Raubgezüchte und auch allerorten von den Menschen eifrig betrieben. In Deutschland erlegt man die alten Hähne während der Balze und die jüngeren im Spätherbste beim Treiben. Auf den Hochgebirgen und in den nördlichen Ländern stellt man ihnen, mit Ausnahme der Brutzeit, während des ganzen Jahres nach. Die anziehendste Jagd bleibt unter allen Umständen die während der Balze, schon deshalb, weil um diese Zeit der Waidmann, auch wenn er nicht glücklich war, durch das wundervolle Schauspiel, welches er genießt, genugsam entschädigt wird. Im Norden lauert der Jäger auf solchen Waldplätzen und Mooren, wo Birkhähne zu balzen pflegen, von ein Uhr des Morgens an in einer aus Reisern zusammengebauten Schießhütte auf die sich einstellenden Birkhähne, bis sich einer von ihnen schußrecht naht. Der Knall verscheucht die Gesellschaft; der Schütze aber bleibt ruhig in seiner Hütte sitzen. Nach einiger Zeit beginnt ein Birkhahn wieder zu kollern, ein anderer stimmt ein, ein dritter läßt sich ebenfalls vernehmen, eine Henne lockt dazu, das Kollern auf den Bäumen wird lebhafter, und nach Verlauf von etwa einer Stunde erdreistet sich endlich wieder einer, zum Boden herab zu kommen, beginnt zu blasen, gibt damit den anwesenden das Zeichen, daß der Tanz von neuem beginnen kann, und bald ist der Plan wiederum mit den Tänzern bedeckt. Ein zweiter Hahn wird geschossen; das alte Spiel erfolgt wie vorher, und wenn der Jäger Glück hat, kann er ihrer drei und vier an einem Morgen erlegen. In manchen Gegenden baut man sich auch da, wo Birkhähne bei Sonnenaufgange [46] einzufallen pflegen, Schießhütten zum Verstecke. Geübte Schützen locken die verliebten Hähne durch Nachahmung des Blasens oder durch den Laut der Hennen herbei oder bethören die Jungen dadurch, daß sie den Ruf der Mutter hören lassen; kurz, es werden die allerverschiedenartigsten Jagdweisen in Anwendung gebracht. In ganz Rußland und Sibirien betreibt man mit besonderer Vorliebe die Jagd mit der Puppe. Hierunter versteht man einen gut ausgestopften oder aus Werch und Tuch trefflich nachgebildeten Birkhahn, welcher im Spätherbste als Lockvogel benutzt wird. Zu diesem Zwecke begibt man sich vor Tagesanbruch in den Wald und stellt nun mit Hülfe einer Stange die Puppe auf einem der höchsten Bäume der Umgegend so auf, daß sie mit dem Kopfe dem Winde entgegensteht. Auf einer geeigneten Stelle am Fuße des Baumes hat man eine dichtwandige Hütte errichtet, von welcher aus der Baumwipfel überblickt werden kann. Sobald die Puppe aufgepflanzt ist, werden die benachbarten Wälder abgetrieben. Das hier sich aufhaltende Birkwild erhebt sich, gewahrt die in scheinbarer Sicherheit ruhig dasitzende Puppe, fliegt auf sie zu und bäumt dicht neben ihr auf. Auf den ersten Schuß, welcher in der Regel einen Hahn fällt, stieben die anderen zwar ab; bei der außerordentlichen Häufigkeit des Wildes aber erscheinen fortwährend neue, und die Jagd kann zumal für gute Schützen, welche sich einer Erbsenbüchse bedienen, äußerst lohnend ausfallen. Sibirische Jäger versicherten mich, im Laufe eines schönen Morgens bis vierzig Birkhähne, dank der Puppe, erlegt zu haben. In Tirol und in den bayrischen Hochgebirgen wird dem Birkhahne besonders eifrig nachgestellt, weil seine Schwanzfedern als ein beliebter Schmuck von jungen Burschen am Hute getragen werden. Noch vor etwa dreißig Jahren galten diese Spielhahnfedern, laut Kobell, als ein Zeichen der Herausforderung und Rauflust, je nachdem sie am Hute befestigt waren. Nach Tirolersagen trägt der Teufel, wenn er, wie es so häufig geschieht, als Jäger erscheint, einen halben Spielhahnstoß auf seinem Hute, nicht aber auf der linken Seite, wie christliche Jäger, sondern stets auf der rechten, so daß ihn also der Fromme leicht zu erkennen und vor seinen gefährlichen Lockungen sich zu schützen vermag.

Alt eingefangene Birkhühner lassen sich bei geeigneter Pflege jahrelang am Leben erhalten, schreiten, wenn man ihnen genügenden Spielraum gibt, auch zur Fortpflanzung. Nach meinen Erfahrungen ist es unbedingt nothwendig, ihnen einen größeren Raum anzuweisen, welcher zwar gegen Zug geschützt sein, im übrigen aber gänzlich im Freien stehen muß. Bepflanzt man den Boden dieses Raumes mit dichtem Gestrüppe, so wird man mit ziemlicher Sicherheit auf Nachkommenschaft rechnen dürfen; denn der Birkhahn balzt in der Gefangenschaft womöglich noch eifriger als im Freien, läßt sich regelmäßig in jedem Herbste hören, beginnt im Frühlinge mit dem ersten warmen Tage und balzt bis gegen Juni hin ununterbrochen fort. Auch von mir gepflegtes Birkwild hat sich im Käfige fortgepflanzt, und mir befreundete Liebhaber sind so glücklich gewesen, wiederholt Birkhühner zu züchten. Die dem Eie entschlüpften Jungen verlangen dieselbe Pflege wie junge Auerhühner, verursachen, einmal groß geworden, aber kaum mehr Umstände als Haushühner.

In Gegenden, wo Auer- und Birkhühner neben einander wohnen und die Auerhähne außergewöhnlich vermindert worden sind, finden sich zuweilen Auerhennen in der Nähe eines Balzplatzes der Birkhähne ein, um sich von diesen betreten zu lassen, und ebenso geschieht es, daß sich Birkhennen zu unbeweibten Moorschneehähnen in gleicher Absicht gesellen oder wenigstens deren Liebesbewerbungen gestatten. Bis gegen Anfang der dreißiger Jahre kannte man nur die aus der Vereinigung eines Birkhahnes und einer Auerhenne entstandenen Blendlinge und war geneigt, in ihnen eine eigene Art Rauchfußhühner zu sehen; Nilssons ausgezeichnete Forschungen aber und die Entdeckung der Bastarde von Birk- und Moorschneehühnern bewiesen das Irrige dieser Ansicht, welche unter anderen von meinem Vater lange Zeit festgehalten wurde. Seitdem man auch in Gefangenschaft Rackelhühner gezüchtet hat, ist die Blendlingsnatur der letzteren vollständig erwiesen und jeder neue Versuch, das Rackelhuhn zu einer besonderen Art zu erheben, von vorne herein aussichtslos geworden.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 41-47.
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