Jagdfalk (Falco arcticus)

[534] Das Gefieder des Jagdfalken (Falco arcticus, islandus, islandicus, candicans, groenlandicus und Holboellii, Hierofalco arcticus, islandicus, groenlandicus und Holboellii) ist rein weiß, mehr oder weniger mit düster schwarzbraunen Flecken gezeichnet, welche fast vollständig verschwinden können, wenn vorhanden aber am Ende der Federn des Kleingefieders entweder tropfen- oder pfeilspitzenartige Form haben. Das von einem nackten grünlichgelben Ringe umgebene Auge ist braun, der Schnabel bei alten Vögeln gilblichblau, dunkler an der Spitze, gelb auf der Wachshaut, der Fuß im Alter strohgelb, in der Jugend blau.

So gefärbte und gezeichnete Falken werden als Brutvögel ausschließlich in den höchsten Breiten, erwiesenermaßen in Nordgrönland und Nowaja Semlja, gefunden und berühren den Süden Grönlands, Nordisland, den Nordrand Ostasiens wie den höchsten Norden Amerikas nur während des Winters. Sie insbesondere hat man mit dem Namen Polarfalken (Falco arcticus) bezeichnet, und von ihnen die auf Island und in Südgrönland sowie auch die auf Labrador lebenden, durchaus gleichgebauten Jagdfalken als besondere Arten unterschieden. Nun bemerkt aber Holboell, welcher mehrere Jahre seines Lebens in Grönland zubrachte und der dortigen Vogelwelt sorgfältigste Aufmerksamkeit widmete, ausdrücklich, daß der Jagdfalke, in Grönland die gemeinste Art seiner Familie, gleich häufig im Süden und im Norden des Landes auftrete, aber sehr verschieden an Farbe sei und vom Weiß mit einzelnen dunklen Flecken bis zum fast einfarbig Dunkelblaugrau abändere. »Ohne Zweifel«, sagt er wörtlich, »hat das Alter einigen Einfluß auf diese Verschiedenheit; denn man findet fast keine weiße Jungen. Allein es ist doch Unterschied in der Färbung nicht allein bei den Nestjungen, sondern auch bei den brütenden Vögeln, von denen angenommen werden muß, daß sie dasjenige Kleid haben, welches sie durchs ganze Leben behalten. Ich habe mehrere brütende Paare gesehen, von denen der eine Vogel hell, der andere dunkel war und sowohl hell gefärbte als dunkle Männchen beim Neste erlegt. Nur ein einziges Mal erhielt ich ein Falkennest mit vier Jungen, von denen das eine blaugrau fast ohne Abzeichen, die anderen dagegen sehr hell mit hellbraunen Streifen waren. Ferner habe ich viele junge Falken selbst erlegt, welche dieselbe Farbenverschiedenheit darboten und unter den hellen sowohl Männchen wie Weibchen gefunden. Die freilich wenigen Male, daß ich dergleichen Beobachtungen anstellen konnte, veranlassen mich zu der Annahme, daß die weiße Färbung in Nordgrönland vorherrscht, während in Südgrönland mehr dunkle Falken ausgebrütet werden.« Ich glaube, daß die ausgesprochene Annahme Holboells die anscheinend so verworrene Frage vollständig löst, daß also die weißen Jagdfalken alte Vögel des höchsten Nordens und die oberseits licht schieferblauen, dunkler gefleckten, unterseits weißen, an der Brust in die Länge, an dem Halse in die Quere gefleckten Jagdfalken alte Vögel minder hoher Breiten sind, die durch Längs- und Querflecke bewirkte Zeichnung aber den einen wie den anderen zukommen kann. Mit zunehmendem Alter mag es geschehen, daß auch einzelne von den Jagdfalken südlicherer Gegenden weiß werden, während in der Regel nur die aus dem höchsten Norden stammenden ein Schneekleid anlegen, aus dem die dunkleren Flecke oder Bänder, welche bei jüngeren Vögeln der ganzen Oberseite eine getüpfelte, dem Schwanze eine gebänderte Zeichnung verleihen, zuletzt fast gänzlich verschwinden. Bei jungen Vögeln der nördlichen wie der südlichen Jagdfalken ist die Grundfärbung der Rückenseite graubraun oder dunkelgrau, und die Zeichnung besteht aus deutlich hervortretenden Längs- oder Querflecken. Der Scheitel kann lichter oder dunkler sein und durch die schwarzen Schäfte seiner Federn besonders kräftig gezeichnet erscheinen. Flügel und Schwanz sind stets stark gebändert.

In ähnlichem Sinne spricht sich Eugen von Homeyer aus. »Was die drei gewöhnlich angenommenen Arten der nordischen Jagdfalken anlangt«, schreibt er mir, »so vermag ich, nach [534] sorgfältiger Untersuchung einer großen Anzahl derselben, sie nicht zu unterscheiden, nicht einmal die jungen Gerfalken von jungen Jagdfalken zu trennen. Die mehr oder weniger weiße Färbung des Jagd- und Polarfalken beruht, meiner Ansicht nach, auf Verschiedenheit des Alters und der Oertlichkeit, vielleicht auch des betreffenden Vogels selbst, die Längsfleckung und Querbänderung offenbar auf dem verschiedenen Alter allein. Die Eier aller drei sogenannten Arten sind sicherlich nicht zu unterscheiden. Auch ich glaube daher, daß man nur eine einzige Art Jagdfalken annehmen darf.«

Ungeachtet der vorstehenden, jedenfalls höchst gewichtigen Ausführungen, will ich den am meisten abweichenden, auf dem europäischen Festlande hausenden Jagdfalken besonders beschreiben und weiter unten bis zu einem gewissen Grade gesondert behandeln.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 534-535.
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