Stilling, Benedict

Stilling, Benedict
Stilling, Benedict

[1653] Stilling, Benedict, berühmt. Anatom und Chirurg, geb. 22. Febr. 1810 zu Kirchhain (Kurfürstentum Hessen), bezog 1828 die Univ. Marburg, promovierte 1832 mit der Diss.: »De pupilla artificiali in sclerotica conformanda« (deutsch Marburg 1833), wurde 1833 Assistent an der chir. Klinik von Ullmann und veröffentlichte in dieser Zeit seine berühmt gewordenen Aufsätze über die »Gefässdurchschlingung« u. d. T.: »Die Bildung und Metamorphose [1653] des Blutpfropfs oder Thrombus in verletzten Blutgefässen« oder auch unter folgendem Titel: »Die natürlichen Processe bei der Heilung durchschlungener Blutgefässe, mit besonderer Rücksicht auf den Thrombus« (Eisenach 1834), sowie: »Die Gefässdurchschlingung. Eine neue Methode, Blutungen aus grösseren Gefässen zu stillen. 1. Abth.: Monographie der Operation« (Marburg 1835). 1833 zum Landesgerichtswundarzt in Cassel ernannt, verblieb er seitdem in dieser Stadt, da ihm aus konfessionellen Gründen die akademischen Laufbahn verschlossen war. 1840 nahm er seine Entlassung aus genannter Stellung, weil er sich weigerte, in seine Versetzung nach Eiterfeld zu willigen. 1836 begab er sich zum 1. Male nach Paris, wo er mit Magendie und Amussat besonders befreundet wurde. Von letzterem wurde er speziell über die Operationen bei Krankheiten der Harnwege instruiert. 1843 reiste er von neuem nach Paris, nachdem er vorher in Nizza und im Süden gewesen war. Diesmal befreundete er sich mit Claude Bernard, Brown-Séquard, Rayer, Charcot u.a. 1858 ging er zu wissenschaftlichen Studien nach Italien, 1869 nach Paris, London, Edinburg, 1873 nach Wien. S., der nach der Annektierung Hessens von Preussen zum Geh. Sanitätsrat ernannt worden war und 28. Jan. 1879 in Cassel starb, war nicht nur ein ganz hervorragender anat. Forscher, sondern auch ein Operateur ersten Ranges. Er war lange Jahre hindurch der einzige in[1654] Deutschland, welcher die Ovariotomie pflegte. Schon 1837 machte er seine erste Ovariotomie nach der extraperitonealen Methode (zur Vermeidung der Gefahren der inneren Blutung). Er veröffentlichte darüber: »Geschichte einer Exstirpation eines krankhaft vergrösserten Ovariums nebst einigen Bemerkungen über diese Operation. Allgem. und physiol. und pathogenet. Erörterungen über Erbrechen etc.« (Holscher's Hannöversch. Annal. der ges. Heilk., N. F., Jahrg. I, 1841). Dieser Aufsatz blieb aber unbeachtet, so dass 10 Jahre später der Engländer Duffin diese Methode von neuem erfinden konnte, ohne dass er Widerspruch erfuhr. 1840 veröffentlichte S. seine berühmten »Physiol.-pathologische und medicinisch-praktische Untersuchungen über die Spinal-Irritation« (Leipzig), worin zum ersten Male von »vasomotorischen Nerven« gesprochen wird. Am berühmtesten ist S. aber durch seine klassischen Untersuchungen über die Architektonik (Struktur und Faserverlauf) der nervösen Zentralorgane, besonders des Gehirns, geworden, denen er fast 40 Jahre seines Lebens gewidmet hat. Zahlreiche Entdeckungen sind ihm auf diesem Gebiete zu verdanken. Als Resultate dieser Studien veröffentlichte er verschiedene Schriften, die erste 1842, die letzte 1878. Vier dieser Werke wurden von der Pariser Akad. mit Preisen gekrönt, das über den Pons Varoli erhielt, besond. auf Empfehlung Claude Bernard's, den monthyon-Preis. Die Titel der wichtigsten der betr. Schriften sind in der älteren Quelle bereits angeführt, können also hier übergangen werden.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1653-1655.
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1653 | 1654 | 1655
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