Brahma-Upanishad.[677] 1

Die Brahma-Upanishad besteht nach Nârâyaṇa aus vier Teilen2, zweien in Prosa von mehr altertümlicher Haltung und zweien in Versen, die nach Form und Inhalt einen mehr modernen Charakter zeigen.

1. Im ersten Teile beantwortet Pippalâda »der A giras« (vgl. hingegen den Eingang von Atharvaçikhâ) vier Fragen des Çaunaka dadurch, dass er auf den Prâṇa (den Âtman, das Brahman) als Lebensprinzip der Organe hinweist und sein Verhalten in Tiefschlaf, Traumschlaf und Wachen in der Weise der alten Upanishad's und mit vielfachen Anklängen an dieselben (namentlich an Bṛih. 4,3-4) charakterisiert. Der Stil ist äusserst abrupt und erinnert an die Manier der Sûtra's, durch ein hingeworfenes Wort auf einen, dem Leser bekannten Zusammenhang hinzuweisen. Dieser ganze Abschnitt fehlt in den meisten Handschriften; Ça karânanda's Kommentar übergeht ihn, und auch Nârâyaṇa erwähnt, ohne dies seinerseits zu billigen (p. 239,10), dass manche die Upanishad mit dem zweiten Teil anfangen liessen. Wahrscheinlich liessen sie den ersten Teil weg, weil der[678] Stil so lapidar und die Überlieferung dabei so unsicher ist, dass es nur mit Anstrengung gelingt, ihm einen, problematisch bleibenden, Sinn abzugewinnen.

2. Der zweite Teil erwähnt die vier Körpersitze und (ohne Verteilung auf dieselben) die vier Zustände des Âtman, um sodann bei der völligen Negativität desselben sowie bei seinem Wohnen im Herzensraume zu verweilen, welcher mit Berufung auf den Veda (vaidya = vaidika), d.h. wohl auf Chând. 8,1,3, dem Weltraume (çushiram âkâçam, neutr). gleichgesetzt wird.

3. Am eigentümlichsten und den Sannyâsa-Upanishad's auf das nächste verwandt ist der dritte modernere Teil in Versen, welcher dem Brahmanwissenden empfiehlt, auf die çikhâ (das Haarbüschel, welches aus religiösen Gründen nicht mitabgeschoren wird) und das yajñopavîtam (die heilige Opferschnur) zu verzichten und die Erkenntnis allein als çikhâ und yajñopavîtam zu tragen.

4. Als Nachtrag folgt eine Reihe von Versen, welche, wie es scheint, zur Erläuterung der Prosateile dienen sollen. Die ersten vier sind aus Çvet. 6,11. 6,12. 1,14. 1,15 entnommen. Dann folgen drei Verse zur Erläuterung des Bildes von der Spinne, des Herzens als Lotosblume, die das Brahman befasst, und der vier Orte des Brahman, welche hier mit den vier Zuständen parallelisiert werden, zu welchem Zwecke jedoch nâbhi durch netram ersetzt wird. Die folgenden beiden Çloka's empfehlen die sandhyâ als Symbol der Einheit mit Gott und der Einheit aller Wesen, wobei mit den Worten sandhâ und sandhyâ in schwer wiederzugebender Weise gespielt wird. – Eine Erinnerung an Taitt. 2,4 und der Vers Çvet. 1,16 beschliessen das aus so mancherlei Bestandteilen zusammengekittete Ganze.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 677-679.
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