Glykokoll

[424] Glykokoll (Glycin, Leimzucker, Leimsüß) C4H5NO4, ein eigenthümlich süß schmeckender neutraler Körper, welcher sich durch die Einwirkung der Schwefelsäure od. der Alkalien auf Leim od. leimgebende Gewebe bildet; er entsteht ferner durch Zerlegung der Hippursäure mittelst starker Säuren, welche dadurch in G. u. Benzoesäure zerfällt. In der neueren Zeit fand Strecker, daß sich das G. auch bei der Spaltung der Cholsäure (Glykocholsäure Lehmanns) durch Alkalien bilde; am leichtesten stellt man das G. durch Zersetzen der Hippursäure mittelst concentrirter Salzsäure dar. Es erscheint in Krystallen, die dem monoklinoëdrischen Systeme angehören, süß schmecken, sich in Wasser u. Alkohol, aber fast nicht in absolutem Alkohol u. Äther lösen. Mit Ätzkali erhitzt, entwickelt sich aus dem G. Ammoniak, u. die Lösung nimmt eine feuerrothe Farbe an, welche bei länger fortgesetztem Erhitzen verschwindet. Eben so wie der Harnstoff verbindet sich das G. mit Säuren, Basen u. Salzen, so daß dieser Körper nicht wohl zu den organischen Basen zu rechnen ist. Mit den Zuckerarten hat es weder in der Zusammensetzung eine Ähnlichkeit, noch ist es gährungsfähig. Wird G. mit Kalihydrat geschmolzen, so zersetzt es sich in Kohlensäure, Ammoniak u. Ameisensäure. In den Salzen hat das G. die Formel C4H4NO2 + HO. Mit salpetriger Säure behandelt liefert das G. unter Stickstoffentwickelung eine stickstofffreie Säure, die Elycinsäure (Glykolsäure), C4H4O6, welche mit der Milchsäure u. Leucinsäure homolog ist. Das G. ist isomer mit dem Urethylan; im wasserfreien Zustande isomer mit dem allophausauren Äthyloxyd. In Bezug auf seine Constitution kann es betrachtet werden: a) als das Amid der Glycinsäure (C4H4O6 + NH4 O – 3 HO = C4H5NO4); b) als anomales fumarsaures Ammoniak (C4HO3 + NH4 O = C4H5NO4); c) als eine Verbindung von 2 Äquivalenten Kohlensäure mit 1 Äq. Methylamin (C2H5 N + 2 CO2 = C4H4NO4).

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Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 424.
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