Gnomon

[432] Gnomon (gr.), 1) Kenner, Beurtheiler; 2) Richtschnur; daher 3) Winkelmaß; 4) (Astron.), Vorkehrung, womit man durch den Schatten eines senkrecht stehenden Körpers, auf eine horizontale Fläche geworfen, od. auch durch den Lichtstrahl, der durch eine, in einer senkrechten Platte angebrachte kleine runde Öffnung auf eine horizontale Fläche fällt, die Höhe des leuchtenden Körpers über dem Horizont mißt. Beobachtet man am G. die Mittagshöhe der Sonne zur Zeit der beiden Solstitien, so kann man daraus die Polhöhe des Beobachtungsortes u. die Schiefe der Ekliptik bestimmen, denn die letztere ist der halben Differenz der beiden Sonnenhöhen gleich, während ihre halbe Summe die Äquatorhöhe u. mithin das Complement der Polhöhe gibt. Hierher gehört die älteste astronomische Beobachtung, die überhaupt auf uns gekommen ist; denn nach einer Mittheilung des Jesuiten Gaubil ließ der Kaiser Tschu-Kong von China im Jahre 1100 v. Chr. die Sonnenhöhe an den beiden Solstitien zu Loyang (jetzt Honan-Fu) an einem 8 Fuß hohen G. beobachten. Im klassischen Alterthum stellte zuerst Anaximander eine einfache zugespitzte Stange zu Sparta auf; nach ihr wurde zuerst die Schiefe der Ekliptik (auf 1/15 eines Kreisbogens od. zu 24°) approximativ bestimmt. In der Folge bedienten sich Pytheas u. Hipparochs zu ihren Beobachtungen über Solstitien u. Sonnenhöhen steinerner Obelisken. Die Beobachtungen darnach können aber wegen Ineinanderfließen von Schatten u. Halbschatten nicht mit Genauigkeit geschehen. Deshalb setzte P. Toscanelli 1468 in der Kathedrale zu Florenz auf die Spitze des Obelisken eine Kugel, nahm die Mitte des Schattens derselben zur Anzeige u. zog darnach eine Mittagslinie. Auf gleiche Weise erhielt Cassini seine bekannte Mittagslinie. 5) S.u. Wasser- u. Sonnenuhr, vgl. Klepsydra; 6) (Math.), so v.w. Ergänzung.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 432.
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