Meertaufe

[78] Meertaufe, eine schon im Alterthum bekannte Ceremonie, welche früher u. jetzt von den Muhammedanern noch als eine religiöse angesehen wird. Sie wird bes. bei solchen, welche die Linie (auch den Wendekreis des Krebses, Gibraltar, das Vorgebirg der guten Hoffnung, Cap Horn, Nord Cap u. m. a. O.) zuerst passiren, angewendet. Ein alter Matrose stellt den Neptun vor, bewillkommt vom Bugspriet herab das Schiff, erkundigt sich nach dem jungen Schiffsvolk, welches unterdessen in einem finstern Gemach sitzt u. befiehlt es zum Eintritt in seine [78] Staaten einzuweihen. Hierauf wird von den Einzuweihenden einer nach den andern mit verbundenen Augen auf das Verdeck geführt, die Gesellschaft, welche aus einem Priester u. anderen verkleideten Gehülfen besteht, nöthigt ihn, sich auf ein Bret zu setzen, welches über einem mit Seewasser gefüllten Boote od. großen Fasse liegt; nun wird ihm die Gegend des Bartes übertheert, bei jeder Beantwortung der vorgelegten Fragen der Theerpinsel in den Mund gesteckt u. nachher der Theer mit einem Löffel vom Barte abgekratzt, das Bret plötzlich weggezogen u. der Einzuweihende hinterwärts ins Wasser gestoßen, dann die Augenbinde weggenommen u. ein Anderer zu dieser Ceremonie herbeigeführt, an welcher die Eingeweihten sogleich Antheil nehmen. Zuletzt begießen sich Alle mit Seewasser, womit nur der verschont wird, welcher sich durch Geld od. Getränke frei macht; selbst der Capitän ist nicht ausgenommen u. muß für sich, sogar für sein Schiff, wenn es noch nicht in diese Gegend kam, bezahlen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 78-79.
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