Abwage der Fahrbetriebsmittel

[79] Abwage der Fahrbetriebsmittel erfolgt zu dem Zweck, um das Eigengewicht der Fahrzeuge in seiner Gänze, oder den auf jedes Räderpaar des Fahrzeuges entfallenden Teil festzustellen; im letztern Fall dient das Ergebnis der Abwäge besonders bei Lokomotiven als Richtschnur für die an den einzelnen Räderpaaren anzuwendende Tragfederspannung, bzw. als Kontrolle für die Einhaltung der für die einzelnen Lokomotivtypen vorgeschriebenen Achsdrücke.

Die Abwäge der Fahrzeuge erfolgt: 1. wenn eine Änderung ihres Eigengewichtes wahrscheinlich scheint, somit nach jeder größeren Reparatur oder nach der Auswechslung der Räderpaare der Fahrzeuge;

2. wenn vermutet wird, daß die Tragfederspannung unerlaubter Weise geändert wurde;

3. wenn Umstände eingetreten sind, die eine Gewichtsverschiebung verursacht haben könnten;

4. in Reklamationsfällen.

Von der nach bestimmten Zeitabständen vorzunehmenden Abwäge der Güterwagen haben mehrere über große Wagenbestände verfügende Eisenbahnverwaltungen abgesehen, weil das Eigengewicht dieser Wagen nicht nur durch die Abnützung der Radreifen und Bremsklötze, sondern besonders bei den offenen, mit Seitenwänden versehenen Wagen auch von den Witterungsverhältnissen beeinflußt wird, weshalb das an den Wagen angeschriebene Eigengewicht nur als ein Durchschnittswert angesehen werden kann. Diese Eisenbahnverwaltungen beschränken sich darauf, das Eigengewicht der Güterwagen, abgesehen von Reklamationsfällen, nur nach der periodischen Untersuchung oder nach vorgenommenen Reparaturen der Wagen zu bestimmen, bzw. neu anzuschreiben.

Die Abwäge der Wagen erfolgt im leeren Zustand, jedoch einschließlich aller zu den Wagen gehörigen Ausrüstungsgegenstände, jene der Lokomotiven und Tender sowohl im leeren als auch im dienstbereiten, vollständig ausgerüsteten Zustand, wobei im letzteren Fall auch auf die durch den Führer und Heizer erfolgende Gewichtsvermehrung durch entsprechende Belastung des Führerstandes Bedacht genommen wird.

Die Wiegevorrichtungen, die zur Bestimmung des Eigengewichtes der Fahrzeuge dienen, sind ortsfest oder ortsveränderlich, mit oder ohne Gleisunterbrechung, mit ein- oder mehrteiligen Brückenfeldern. Jene mit[79] ortsfesten ein- oder mehrteiligen Feldern eignen sich nur zum Abwiegen von Fahrzeugen bestimmter Radstände und Radanordnungen, während die mit mehrteiligen ortsveränderlichen Feldern versehenen Wiegevorrichtungen allen Radständen und Radanordnungen angepaßt werden können. Diese eignen sich daher besonders für die Abwäge der Lokomotiven.

Von den Bedingungen, denen die zur Abwäge der Fahrzeuge dienenden Wiegevorrichtungen vom betriebstechnischen Standpunkte aus entsprechen sollen, seien nur folgende hervorgehoben:

1. genaue Angabe des auf den einzelnen Brückenfeldern ruhenden Gewichtes;

2. vollständig gleichmäßiges Heben aller Räder des zu wägenden Fahrzeuges um dieselbe Höhendifferenz, somit Einstellung aller Räder in dieselbe Horizontalebene, um einegleichmäßige Beanspruchung, bzw. Spannung aller Tragfedern zu erzielen;

3. zentrale und gleichmäßige Auslösung aller bei der Abwäge benötigten Brückenfelder;

4. einfache und verläßliche, den nachteiligen Folgen der unvermeidlichen Verunreinigung nicht unterliegende, Ausführungsart der Wiegevorrichtungen;

5. richtige Gewichtsangabe bei beliebiger Stellung eines Räderpaares auf dem Brückenfeld;

6. einfache Bedienung der Wiegevorrichtung durch möglichst wenig Personal;

7. Vermeidung jeder Verletzung des mit der Abwagemanipulation beschäftigten Personals;

8. Möglichkeit, die innerhalb sowie außerhalb der Fahrzeugrahmen liegenden Tragfedern auf der Wiegevorrichtung spannen zu können;

9. Ermöglichung einer absolut sicheren Nacheichung der Wiegevorrichtung.

Beschreibung der für Fahrbetriebsmittel verwendeten Wiegevorrichtungen (s.d.)

Die Anschreibung des Eigengewichtes der Wagen an denselben ist durch folgende internationale Vorschriften geregelt:


1. Protokoll über die Verhandlungen der dritten internationalen Konferenz für die technische Einheit im Eisenbahnwesen d. d. Mai 1907, Art. II, § 25, 3: »Jeder Wagen muß auf beiden Seiten nachstehende Bezeichnungen tragen:

Die Tara oder das Eigengewicht einschließlich der Räder und Achsen; bei Wagen jedoch, die auf Strecken von verschiedener Spurweite verkehren und beim Übergange die Radsätze wechseln, ist es zulässig, das Gewicht des gefederten Teiles am Wagenkasten, das Gewicht der Räder und Achsbüchsen aber an den letzteren anzuschreiben.«

2. Technische Vereinbarungen über den Bau und die Betriebseinrichtungen der Haupt- und Nebenbahnen (1909), § 140, 1 c: »Jeder Wagen muß an beiden Langseiten Anschriften erhalten, aus denen zu ersehen ist das Eigengewicht einschließlich der Achsen und Räder und der angeschriebenen Ausrüstungsgegenstände.«

3. Übereinkommen, betreffend die gegenseitige Wagenbenutzung im Bereiche des VDEV. (1. Juli 1907), Anlage I–22–3: »Jeder Wagen muß unter anderen Bezeichnungen auch die Tara oder das Eigengewicht des Fahrzeuges nach der letzten Gewichtsaufnahme, einschließlich der Räder und Achsen tragen.«

Alter.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 79-80.
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