Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn

[235] Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn. Die Vorgeschichte der Berlin-Potsdamer Eisenbahn gehört zu den interessantesten der Berliner Bahnen. Schon im Jahre 1833 tauchte der Plan auf, einen »Eisenbahnfahrweg« von Naumburg über Halle, Wittenberg, Potsdam nach Berlin und von dort über Frankfurt a. d. O. nach Breslau zu bauen. Ein praktisch begründeter Plan wurde der Staatsregierung jedoch erst im Jahre 1835, u. zw. beschränkt auf eine Eisenbahnverbindung zwischen Berlin und Potsdam vorgelegt. Der Urheber dieses Planes war der Justizkommissar (Rechtsanwalt) Robert. Die Schienenbahn sollte von der Schafbrücke, der jetzigen Potsdamer Brücke, in Berlin nach der Langen Brücke in Potsdam gehen. Die Kosten waren auf 420.000 Taler veranschlagt. Der König forderte über den Plan vom Staatsministerium ein Gutachten ein. Dieses sprach sich dahin aus, daß für die Bahn »in ihrer Beschränkung auf ihren jetzigen Plan« ein »kommerzielles Bedürfnis« nicht vorliege, daß sie aber als der Anfang einer weitergehenden Verbindung nach Westen hin von großem allgemeinen Werte sei. Daraufhin wurde durch Kabinettsorder vom 16. Januar 1836 das Enteignungsrecht bewilligt. Man hat dem Generalpostmeister von Nagler, der bei diesen Vorgängen naturgemäß erheblich beteiligt war, einen lächerlichen Mangel an Verständnis für das neue Verkehrsmittel zugeschoben, jedoch völlig zu Unrecht. Nagler hat vielmehr an seinem Teile das Unternehmen durchaus gefördert, jedoch in Vertretung der Interessen seines Ressorts, der Post, eine Reihe von Rechten gegenüber der Bahn gesichert, die den Grundsätzen des jetzigen Verhältnisses zwischen Eisenbahn und Post entsprechen.

Auf die grundsätzliche Genehmigung hin bildete sich in Berlin eine Gesellschaft mit einem Kapital von 700.000 Talern, deren Statuten durch Kabinettsorder vom 23. September 1837 bestätigt wurden. Die Arbeiten begannen am 10. August 1837. Schon am 29. Oktober 1838 konnte der Betrieb auf der ganzen Strecke Berlin-Potsdam eröffnet werden.

Inzwischen hatte sich mit Genehmigung vom 21. Juli 1843 eine besondere Gesellschaft mit einem Kapital von 4 Mill. Talern zum Bau einer Bahn von Potsdam nach Magdeburg gebildet. Dieselbe schloß mit der Berlin-Potsdamer Eisenbahngesellschaft einen Vertrag, vom 6. November 1844, auf Grund dessen die Berlin-Potsdamer Bahn gegen Gewährung einer Rente von acht vom Hundert an ihre Aktionäre auf die neue Gesellschaft übergehen sollte. Die letztere erhielt hierauf 1845 die endgültige Konzession für die Strecke Potsdam-Werder-Brandenburg-Genthin-Burg-Biederitz-Magdeburg (116 km). Der Bau wurde unter der Leitung des Regierungs- und Baurats v. Unruh derartig gefördert, daß die Eröffnung der Strecke von Potsdam bis zur Friedrichstadt in Magdeburg, trotz der schwierigen Überbrückung der Havel bei Potsdam und Werder, schon nach einem Jahre, nämlich am 7. August 1846 erfolgen konnte. Mit diesem Zeitpunkt ging die Berlin-Potsdamer Bahn auf die neue Gesellschaft über, die sich nunmehr Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahngesellschaft nannte. Sie nahm ihren Sitz ebenso wie die ältere Gesellschaft zunächst in Potsdam, verlegte ihn jedoch später, am 1. Oktober 1868, nach Berlin. Die vollständige Eröffnung der Bahn bis zum Bahnhof am Fürstenwall in Magdeburg erfolgte erst nach Vollendung der drei Elbbrücken bei Magdeburg am 19. August 1848. Damit war eine durchgehende Eisenbahnlinie von Berlin bis Paris geschaffen.

Sehr bald erwies sich als Folge des starken Verkehrs auf der neuen, so wichtigen Linie die Anlage des zweiten Gleises als notwendig, das denn auch nach und nach (bis auf die größeren Brücken) bis zum Jahre 1858 geschaffen wurde.

Auch der Bahnhof der Gesellschaft in Berlin, der »Potsdamer Bahnhof« erwies sich als zu eng. Im Jahre 1872 war der Umbau des Bahnhofs in der im wesentlichen noch heute bestehenden Gestalt vollendet.

Später wurde eine Verbindung von Biederitz nach dem Friedrich-Wilhelm-Garten bei Magdeburg (9∙61 km) hergestellt und am 16. Juni 1874 dem Güterverkehr übergeben. Nach Eröffnung des gemeinsamen Übergabebahnhofs in Buckau und Übergang der Bahnen in den Staatsbesitz wurde der regelmäßige Verkehr auf dieser Verbindung eingestellt.

Im Jahre 1871 erhielt die Gesellschaft die Konzession für eine Bahn von dem an der Berlin-Magdeburger Linie anzulegenden Haltepunkt Biederitz bis zur preußisch-anhaltischen Grenze in der Richtung nach Zerbst (30∙33 km), welche Strecke am 1. Juli 1874 eröffnet wurde.

Eine für die Entwicklung Berlins überaus wichtige Erweiterung erfuhr die B. in den Siebzigerjahren durch den Bau der sog. Wannseebahn. Diese Verbindung des Stadtkerns mit dem Grunewald, dem Wannsee und Potsdam[235] hat die Entstehung eines Kranzes von Villenvororten und einen sehr lebhaften Ausflugverkehr ermöglicht. Die Anregung hierzu wurde bereits 1869 u.a. von dem Prinzen Friedrich Karl gegeben. Im Jahre 1871 wurde die Linie Zehlendorf-Kohlhasenbruck (heute Neubabelsberg) genehmigt, am 1. Juni 1874 dem Verkehr übergeben. Die geplante selbständige Durchführung des Gleispaars von Berlin bis Potsdam kam jedoch aus Mangel an Mitteln nicht zur Ausführung und erfolgte erst lange nach der Verstaatlichung in den Jahren 1887 bis 1891.

Die finanzielle Lage der Gesellschaft hatte sich seit 1870/71 sehr verschlechtert. Während die Sechzigerjahre nie unter 10%, ja bis zu 20% Rente brachten, war der Ertrag des Betriebs in den letzten Jahren wenig günstig. 1878 trat der Staat an dieselbe wegen Überlassung der Bahn heran; die angeknüpften Verhandlungen führten zu dem Vertrag vom 24. Dezember 1879, der durch Gesetz vom 14. Februar 1880 bestätigt wurde. Auf Grund desselben ging die Bahn am 1. April 1880 gegen Gewährung einer festen 4%igen Rente an die Aktionäre und einer 1%igen Prämie sowie unter Zusicherung des Umtausches der Stammaktien zu 300 M. in 4%ige preußische Consols, in den Besitz des Staats über und wurde der Direktion Magdeburg unterstellt. Der Kaufpreisbetrug, abgesehen von der Übernahme sämtlicher Prioritätsschulden, 40 Mill. M.

Quaatz.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 2. Berlin, Wien 1912, S. 235-236.
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