Bergen-Kristiania-Eisenbahn

[225] Bergen-Kristiania-Eisenbahn (Bergener Bahn), eine wirtschaftlich und technisch besonders bemerkenswerte Bahnlinie in Norwegen.

Bergen, die zweitgrößte Stadt Norwegens, die auch kommerziell von hervorragender Bedeutung ist, entbehrte lange Zeit hindurch einer Eisenbahnverbindung mit den östlichen Teilen des Landes, vor allem mit Kristiania. Pläne für eine solche Bahn tauchten schon 1871 auf. 1875 entschloß man sich zunächst zum Bau einer schmalspurigen Linie von Bergen nach Voß (105 km). Mit dem Bau wurde 1877 begonnen. Im Jahre 1883 fand die Betriebseröffnung statt. Die Fortsetzung in östlicher Richtung über den Hochgebirgsübergang wurde erst 1884 beschlossen. Damals bewilligte man die Mittel für eine normalspurige Bahn von Voß nach Taugevand und zugleich für die Umgestaltung der Strecke Bergen-Voß auf Normalspur (letztere wurde 1904 fertiggestellt). 1898 beschloß das Storthing die Weiterführung der Bahn bis Roa (Abb. 78).

Die Herstellung dieser Hochgebirgsbahn begegnete namentlich auf der westlichen Teilstrecke von Bergen nach dem Taugesee den größten technischen Schwierigkeiten. Hier fallen die Täler steil zum Meere ab und machen eine Linienentwicklung längs der Felswände und Seitentäler notwendig. Von Bergen bis Voß durchzieht die Bahn schwieriges Gebirgsgelände, das die Anlage zahlreicher Tunnel und mehrerer großer Brücken erforderlich machte. Weiter steigt die Bahn bis zum Westeingange des großen Gravehalstunnels, nach dessen Durchfahrung ein neuerlicher Anstieg durch das Moldflußdal zum Höhepunkte der Bahnlinie, dem Taugesee, beginnt. Nun fällt die Bahn bis zur Station Gol im Hallingdal, dessen Richtung sie bis Gulsvik verfolgt. Nach Durchfahrung des Haverstingtunnels wird der Knotenpunkt Hönefoß erreicht, von dem aus eine Eisenbahnverbindung mit Drammen besteht. Die restliche Strecke bis Kristiania durchzieht zum Teil ausgedehnte Wälder, liegt aber in weniger schwierigem Gelände.

Zunächst wurde die Linie von Bergen nach Gulsvik, das am Nordende des Kröderensees liegt, im Herbst 1908 eröffnet. Von Gulsvik erfolgte einstweilen die Verbindung mit Kristiania auf dem Umwege über Drammen. Da Gulsvik von Kröderen, dem nördlichen Endpunkte der Drammensbahn, durch den Kröderensee getrennt ist, mußten die Reisenden zwischen Gulsvik und Kröderen im Sommer mittels Dampfer, im Winter mittels Schlitten oder auf der den See entlang führenden Kunststraße befördert werden.

Das Stück Gulsvik-Roa (83 km) wurde am 1. Dezember 1909 eröffnet, und war damit, da von Roa bis Kristiania die Nordbahn bereits seit Jahren in Betrieb stand, die direkte Verbindung Bergen-Kristiania vollendet.

Die B. hat eine Länge von 492 km (Bergen-Hönefoß 402 km, Hönefoß-Kristiania 90 km),[225] 100 km entfallen auf den Hochgebirgsübergang mit 178 Tunneln von zusammen 36∙68 km Länge. Von diesen Tunneln befinden sich die meisten, 119 von 27∙18 km Länge, auf der Westseite und 59 von 9∙5 km Länge auf der Ostseite des Scheitelpunktes der Bahn, der bei Taugevand in 1301 m ü. M. liegt. Auf der Westseite beträgt die größte Steigung 21∙5‰, auf der Ostseite 20 (s. Längenschnitt Abb. 79). Der kleinste Krümmungshalbmesser der Bahn ist mit 250 m bemessen. Von den gesamten Kosten, etwa 60 Mill. K. oder 671/2 Mill. M., entfallen 16 Mill. K. auf den Hochgebirgsübergang. Besonders schwierig gestaltete sich der Bau des 5311 m langen Gravehalstunnels. 1895 wurde mit den Vorbereitungsarbeiten für den Tunnel begonnen, welche Arbeiten allein 11/2 Jahre in Anspruch nahmen. Die Fertigstellung des Tunnels erfolgte 1906. Die Kosten beliefen sich auf über 3 Mill. K. An zweiter Stelle steht der Haverstingtunnel an der Ostseite des Kröderensees, 2304 m, und an dritter Stelle der Hyvingentunnel zwischen Dale und Bolstad auf der Bahnstrecke Bergen-Voß mit 1286 m. Bei dem ganzen Hochgebirgsübergang wurden 1 Mill. m3 Erde weggeschafft und 800.000 m3 Felsen ausgesprengt. Der Dynamitverbrauch betrug 700 t.

Von größeren Eisenbahnbrücken ist jene bei Svenkerud über den Hallingdalsfluß zu erwähnen. Die Brücke hat einen Bogen mit 44 m Spannweite. Eine andere große Steinbrücke wurde über den Bägnafluß bei Hönefoß in einer Länge von 215 m, über 9 Bogen verteilt, erbaut.

Zunächst wurden Schienen von 30 kg/m Gewicht verlegt. Seither hat man begonnen, sie gegen solche von 35 kg/m auszuwechseln und soll dieses Schienenprofil auf der ganzen Linie zur Verlegung gelangen.

Die größere Art Personenzuglokomotiven hat 3 gekuppelte Triebachsen mit einem Gesamtgewicht im Arbeitszustand von etwa 50 t, das Gewicht eines Tenders mit Kohlen- und Wasservorrat beträgt etwa 30 t. Die auf der Bergener[226] Bahn laufenden Güterzuglokomotiven mit 4 gekuppelten Triebachsen haben ein Gesamtgewicht im Arbeitszustand von 55 t, der dazugehörige Tender mit Kohlen und Wasser ein solches von etwa 36 t.

Besonders wichtig erscheinen bei der B. die Maßnahmen zum Schutze gegen Schneeverwehungen. Wo es anging, ist die Eisenbahn auf einem Damm geführt, der so hoch über dem umgebenden Gelände liegt, daß der Wind den Schnee vom Gleis wegweht und so die Strecke frei hält. Freilich ist diese Maßnahme, die in der Ebene durchführbar ist, im Gebirge sehr häufig ausgeschlossen, und sie ist daher nur auf kurzen Strecken am Ustevandsee und an einigen anderen Stellen, wo das Gelände flach ist, angewendet worden.

Als hauptsächlicher Schutz kommen Schneezäune und Schneetunnel in Frage. Außerdem wurden zahlreiche Schneeüberbauten aus Holz hergestellt, in denen der Zug wie in einem Tunnel fährt. Diese Bauten sind zusammen 17∙2 km lang, hierzu kommen noch Schneeschirme von insgesamt 47∙8 km. Mit Hilfe der Schneeüberbauten und der rotierenden Schneepflüge hofft die norwegische Staatsbahnverwaltung, erfolgreich den Kampf gegen die Schneeverwehungen führen zu können.

Der Betrieb wickelt sich vollständig glatt ab. Vom 1. Juli 1912 an führt man sogar Nachtschnellzüge ein. Die Ergebnisse sind verhältnismäßig günstig. Auf der Teilstrecke Bergen-Hönefoß, für die getrennte Rechnung geführt wird, wurden im ersten vollen Betriebsjahr (1. Juli 1910 bis 30. Juni 1911) befördert: 1,480.683 Reisende und 71.958 t Güter. Die Betriebseinnahmen betrugen 1,851.370 K. (norwegisch), die Betriebsausgaben 1,500.431 K., der Betriebsüberschuß stellt sich sonach auf 350.939 K.

Literatur: The Railway Gazette. 1909. – Ztg. d. VDEV. 1909, S. 1428. – Zeitschrift d. Ver. Deutsch. Ingenieure. 1910, S. 617.

Abb. 78. Linienführung der Bergen-Kristiania-Eisenbahn.
Abb. 78. Linienführung der Bergen-Kristiania-Eisenbahn.
Abb. 79. Längenschnitt der Bergen-Kristiania-Eisenbahn.
Abb. 79. Längenschnitt der Bergen-Kristiania-Eisenbahn.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 2. Berlin, Wien 1912, S. 225-227.
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