Kaiser, Hermann

[521] Kaiser, H. Hermann Kaiser wurde als Sohn eines Hofrats im preußischen Justizministerium am 14. September 1820 in Berlin geboren. Den ersten Unterricht empfing Kaiser in der Blenzschen Schule. Dann besuchte er die Realschule, deren Prima er 1835 verließ, um sich, teils aus eigener Neigung, teils dem Rate seines Vormundes (sein Vater war schon 1823 gestorben) folgend, dem Buchhandel zu widmen. Er erlernte denselben in der Stuhrschen Buchhandlung in Berlin, kam in seinen Wanderjahren nach Prag, Pest und kehrte 1846, seinen Weg über Wien, Linz, Ischl, Salzburg, München und Leipzig nehmend, in die Heimat zurück. Kaiser fand in Berlin Anstellung in der Kunsthandlung von E. H. Schroeder (gegründet 1832), mit deren Leitung er nach dem 1849 erfolgten plötzlichen Tode des Gründers betraut wurde. Nach der ehelichen Verbindung mit der Witwe Schroeders ging das Geschäft 1851 in Kaisers alleinigen Besitz über.[521]

Kaiser pflegte mit Vorliebe das Sortimentsgeschäft; ein mit feinem Verständnis sorgfältig ausgewähltes und ergänztes Lager von Büchern, und besonders Kunstblättern, zog einen lebhaften Fremdenverkehr heran.

Nach der 1874 erfolgten Aufgaben des Sortiments verwendete er für die Erweiterung und den Ausbau des Buchverlags verhältnismäßig wenig Zeit und Kraft. Von Natur aus angelegt, in der Arbeit für das allgemeine Wohl innere Befriedigung zu suchen, empfand er in geringerem Maße das Verlangen, durch eigene Unternehmungen in großem Stil seinen Verlag bewußten litterarischen Zielen entgegen zu führen.

Sein Verlag bewegte sich vorzugsweise auf den Gebieten der schönen Wissenschaften, der Rechts- und Staatswissenschaften, der Kunstgeschichte. Aus dem Kreis der Autoren sind zu nennen: A. W. Heffter, A. Gad, J. L. Glaser, J. Kühns, Prinz Georg von Preußen unter dem Pseudonym G. Conrad, J. von Blaramberg, H. Kletke (Album deutscher Dichter), Werner Hahn, A. Jordan, E. Tempeltey, K. Uschner, A. Koberstein, F. Piper, L. Hollstein, A. Diesterweg, der berühmte brandenburgische Geschichtsforscher E. Fidicin, Dönniges (Land – Kultur – Gesetzgebung Preußens), der Dichter August Kopisch u. A.

Eine eigentümliche Gruppe seines Verlages bilden die gediegenen Schriften über Turn- und Fechtkunst, welche Sportübungen er in früheren Jahren selbst eifrig betrieb. Sei lebhaftes Interesse an der Entwicklung des Turnwesens bezeugt eine von ihm verfaßte kleine Schrift: »Das Rothstein'sche System der Gymnastik in seiner Stellung zur deutschen Turnkunst«. Eigenartige Versuche sind die mit lateinischen Lettern gedruckten Ausgaben von Goethe's Gedichten, Werther und Suleika, deren sorgfältigste Revision er selbst besorgte.

In höherem Grade als beim Buchverlage wirkten auf die Richtung des Kunstverlages gewisse Elemente seiner Anschauungsweise bestimmend ein. Er folgte seines künstlerischen Empfindens, indem er, unter Mitwirkung seines Stiefsohnes Hugo Schroeder, vorzugsweise den Verlag wertvoller Kunstblätter religiösen und historischen Inhalts betrieb. Zierden ersten Ranges bilden Kupferstiche von Eduard Mandel; ihnen schließen sich Stiche von Fr. Weber, R. Reyher, R. Trossin, Hans Meyer, Jak. Felsing, etc. an. Neueren Datums sind die Kunstblätter von Otto Protzen, Hans am Ende, Ad. Menzel, Paul Meyerheims Naturleben in den verschiedenen Jahreszeiten radiert von Joh. Plato u. a.[522]

Besondere Sorgfalt aber widmete er der Herstellung einer großen Reihe vollendeter Portraits, welche nach und nach aus seinem Verlage hervorgingen. Teils wiederum Stiche von Mandel und Reyher, H. Wegener, H. Meyer, A. Teichel, teils Lithographien von P. Rohrbach, E. Milster, Fr. Jentzen, G. Feckert u. A., teils endlich Photographien nach besonders dazu gezeichneten Vorlagen.

In unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Sammlung stand ein anderer Zweig des Kunstgeschäfts, das Portrait-Antiquariat. Mit unermüdlichem Fleiße sammelten er und sein Sohn die zeitgenössischen Portraits berühmter Persönlichkeiten aus allen Gebieten der Kulturgeschichte, zurückgehend bis zu den ersten Anfängen des Holzschnittes, der Radierung und des Stiches. Tausende von Blättern, teils seltenster Art, umschlossen seine Mappen; wertvolle Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte enthalten die daraus publizierten Kataloge. Gelang es die zeitgenössischen Portraits eines Gelehrten, Künstlers, Feldherrn nach mühevollem Suchen zu vereinen, so gewährten sie dem Zeichner erst das zuverlässige Material der Komposition. Die in so exakter Weise nach Handzeichnungen photographisch vervielfältigte Portraitsammlung steht in ihrer charakteristischen Art vielleicht einzig da; trotzdem hat sie, aus Mangel marktschreierischer Reklame, bei weitem nicht die verdiente Beachtung des Publikums gefunden.

Charakteristisch auch ist eine kleine Perle seines Kunstverlages: »Der Katzen-Raphael«, zwölf Radierungen nach Gottfried Mind, welche Kaisers persönlicher Vorliebe für die Katzen ihre Herausgabe verdankt.

1852 unternahm Kaiser in Gemeinschaft mit seinem Freunde G. W. F. Müller (siehe auch Artikel Guttentag) die Gründung eines buchhändlerischen Kommissionsgeschäftes unter der Firma Kaiser & Müller. Beide gingen dabei von der Erwägung aus, daß Berlin, als Zentralpunkt des mitteleuropäischen Eisenbahnnetzes und bedeutender Verlagsort in höherem Maße als bis dahin sich zu einem Kommissionsplatze eigne. Aber nicht sowohl die Vermittlung des Berliner Verlages an den auswärtigen Sortimenter hatten sie hierbei ins Auge gefaßt, als besonders die Errichtung von Auslieferungs-Lagern auswärtiger Verleger für Berlin und die durch Kommissionäre daselbst vertretenen Sortimentsfirmen. Sie hofften, durch eigenartige Organisation dieser Lager der Zersplitterung der Auflagen entgegenzuwirken. Die Sozietät wurde jedoch im August 1854 aus Mangel an genügender Teilnahme wider aufgelöst, die wenigen[523] Kommittenden übernahm E. H. Schroeders Buchhandlung in Berlin.

Es war in der Eigentümlichkeit seiner Begabung begründet, daß Kaiser zu einer weit über die Grenzen seines Geschäftes hinausreichenden Wirksamkeit berufen wurde. Nicht nur im engeren Kreis des Berliner Buchhandels, sondern auch auf wesentlichen Gebieten in die Organisation des gesamten deutschen Buchhandels hat Kaiser eingegriffen; er hat sich aber namentlich um die Ausbildung des litterarischen und artistischen Rechts ausgezeichnete Verdienste erworben.

Mit Ausnahme dreier Jahre war Kaiser von 1856 bis zu seinem Tode Mitglied des Vorstandes der Berliner Buchhändler-Korporation oder des Hauptausschusses und während des langen Zeitraumes seiner Amtsführung ist wohl keine Frage, welche die Interessen des Berliner Buchhandels berührte, ohne seine Mitwirkung erörtert und entschieden worden, namentlich gilt dies von den mannigfachen Eingaben und Denkschriften, die die gesetzlichen Umwälzungen damaliger Zeit mit sich brachten, und die vielfach Kaisers eigene Arbeit darstellten. – Neben Julius Springer galt er als anerkannte Autorität auf allen Gebieten buchhändlerischer Rechtsfragen. Sein Rat stand Jedem zur Verfügung, und er wurde auch von auswärtigen Kollegen ausgiebig benutzt. Die Rabattfrage, der noch heute ungelösten, hat er bis zu seinem Tode die größte Aufmerksamkeit gewidmet und versucht, durch mancherlei Vorschläge sie zu lösen (vergl. seine Schrift »Gegen den sogenannten Antiquarbuchhandel,« 1856).

Die erste Arbeit, durch welche sich Kaiser auf dem Gebiete des litterarischen Rechts bekannt machte, war das von ihm im Jahre 1862 herausgegebene Werk: »Die preußische Gesetzgebung in Bezug auf Urheberrecht, Buchhandel und Presse«, wozu 1865 ein »Ergänzungsheft« erschienen ist. Kaiser beabsichtigte nach seinem eigenen Ausspruch im Vorwort, durch dieses Buch zunächst für den Handgebrauch der Buchhändler »eine durchaus vollständige Sammlung der einschlagenden Gesetze und Verordnungen zu geben, zugleich aber auch zur Erläuterung der gerichtlichen Entscheidungen die Ansichten juristischer Autoren, sowie namentlich auch Bemerkungen aus der Praxis hinzuzufügen, um Jedem, der in irgend welcher Beziehung diesen Teil unseres Gesetzgebung näher kennen lernen will, das gesamte Material in einem möglichst übersichtlich geordneten Handbuch darzubieten«. Er hat diesen Zweck vollständig erreicht. Das Buch hat sich in den beteiligten Kreisen eines außerordentlichen[524] Beifalls zu erfreuen gehabt; es galt lange Zeit hindurch, bis die Nachdrucks- und Preßgesetzgebung sich änderte, als die bewährteste Quelle, aus welcher man Belehrung über die behandelten Materien schöpfen konnte. Durch dieses Werk lenkte Kaiser gleichzeitig die Aufmerksamkeit des königlich preußischen litterarischen Sachverständigenvereins auf seine Person, und als im Jahre 1866 in diesem Verein das Amt eines stellvertretenden Mitgliedes zur Erledigung kam, wurde ihm dasselbe auf Vorschlag des Vereins vom Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten zu Anfang des Jahres 1867 übertragen. Kaiser hat diesem Verein bis zu seinem Tode angehört, und zwar von 1867-1877 als Stellvertreter, vom Mai 1877 bis 1881 als ordentliches Mitglied.

In diesem Vereine entfaltete er eine reiche und fruchtbringende Tätigkeit. Hier konnte er seine gediegenen Kenntnisse auf dem Gebiete des Urheberrechts zur praktischen Verwertung bringen und zum Schutze der Autoren und Verleger thatkräftig mitwirken. Zahlreiche, zum Teil sehr schwierige Referate sind aus seiner Feder geflossen.

Durch seine Leistungen besonders berufen, an der neuen deutschen Reichsgesetzgebung über das Urheberrecht tätig mitzuwirken, war er 1869 Mitglied der vom Bundeskanzler-Amt damals zusammenberufenen Enquete-Versammlung zur Begutachtung des Entwurfes eines Nachdruckgesetzes geworden; er nahm in demselben Jahre an der vom Buchhändler-Börsenverein zu gleichem Zwecke nach Leipzig einberufenen Versammlung teil, und trat auch bei den späteren Stadien, die der schwierige Gesetzentwurf zu durchlaufen hatte, ratend ein.

Kaiser begnügte sich nun aber nicht damit, dem litterarischen Rechte seine Thätigkeit zuzuwenden; auch auf dem Gebiete, betreffend den Schutz der Werke der bildenden Künste gegen unbefugte Nachbildung hat Kaiser Hervorragendes geleistet. Seine Tüchtigkeit auf dem Gebiete des Kunstverlages gaben Veranlassung, daß er im Jahre 1872 zum stellvertretenden Mitgliede des preußischen künstlerischen Sachverständigen Vereins ernannt wurde.

1868 gab er eine kleine Broschüre heraus: »Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Original-Photographien gegen unbefugte Nachbildung. Nebst Erläuterungen etc.«, in welcher er für die Schutzberechtigung der Photographien eintrat; er hatte die Genugthuung diese Wünsche noch wirklich zum Gesetz erhoben zu sehen.[525]

Eine wertvolle Ergänzung von Kaiser's Auffassung buchhändlerischer Fragen, welche in besonders engem Zusammenhang mit wichtigen Aufgaben der Volksbildung stehen, giebt uns sein Bericht an die Friedrich-Werder'sche-Kreis-Synode vom Jahre 1876. Kaiser beantwortet darin die Frage, wie dem Bildungs- und Lesebedürfnisse der Gemeinden durch Verbreitung guter Schriften am wirksamsten Befriedigung zu verschaffen und so dem verderblichen Einflusse eines großen Teils der periodischen Presse und der Unterhaltungslitteratur zu begegnen sei.

Hermann Kaiser starb am 29. 9. 1881; seine Witwe verkaufte das Geschäft im folgendem Jahre an Hugo Wilhelm Ferdinand Schroeder; die Sortimentsabteilung war schon 1874 abgezweigt worden, um mit der Firma Mitscher & Röstell in Berlin (gegr. 1859) verschmolzen zu werden.

Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1882 (O. Müller); Schulz, Adreßbuch 1896; Vossische Zeitung vom 12. Oktober 1881; Verlagskataloge 1838, 1842, 1851, 1865, 1868, 1974, 1900; Korporationsbericht der Berliner Buchhändler 1896.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 3. Berlin/Eberswalde 1905, S. 521-526.
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