Abgüsse

[3] [3] Abgüsse. (Bildende Künste)

Man hat zum großen Vortheil der Kunst, Mittel erfunden, Werke der bildenden Künste durch das Aufgiessen einer flüßigen sich hernach verhärtenden Materie in vollkommener Gleichheit der Originale abzuformen. Dergleichen abgeformte Werke werden Abgüsse genannt. Man hat sie in Gyps, in Bley, in Schwefel und in Wachs. Gyps ist die gemeineste Materie dazu, weil sie am wenigsten kostet und kalt kann abgegossen werden.

Man verfährt überhaupt dabey folgender maassen. Das Original, oder ein Theil desselben wird mit einer der bemeldten flüßigen Materien übergossen, die man darauf verhärten läßt. Alsdenn nimmt man sie sorgfältig ab und bekommt dadurch das, was im Original vertieft ist, erhoben, und das erhobene vertieft. Dieser erste Abguß wird die Form genennt. Macht man in diese Form wieder einen Abguß, so wird dieser in Absicht der Bildung dem Original vollkommen gleich, und er ist der eigentliche Abguß.

Es ist leicht zu begreifen, daß ganze Körper nicht auf einmal können abgeformt werden, weil sie, da die Form sie ganz umgeben würde, nicht könnten herausgenommen werden; Man hat deßwegen eine Methode erdacht sie Stückweise abzuformen, und die Stücke der Formen wieder zusammen zu setzen. Das mechanische Verfahren dabey und die nöthige Handgriffe zu beschreiben, würde hier zu weitläuftig, auch zum Theil unnütze seyn. Man findet in allen beträchtlichen Städten Italiener die Gipsbilder verkaufen, von denen man dieses lernen kann. Eine Beschreibung des ganzen Verfahrens findet man in Felibiens Grundsätzen der Baukunst.

Diese Abgüsse und die Abdrücke, davon vorher gehandelt worden, leisten den bildenden Künsten den Dienst, welchen die Gelehrsamkeit von der Buchdruckerey hat: beyde vervielfältigen auf eine leichte Art die Werke der größten Meister. Der Gelehrte kann mit mäßigen Umkosten die wichtigsten Werke der Gelehrsamkeit in sein Cabinet, und der Künstler eben so, das vornehmste der bildenden Künste in seine Werkstelle zusammen bringen. Durch die Abgüsse werden die Schranken in welchem die vornehmsten Werke bildender Künste eingeschlossen gewesen, weggerückt, und Rom kann dadurch in allen Ländern zugleich seyn.

Nichts würde zur Ausbreitung der Kunst vortheilhafter seyn, als wenn die Besitzer der besten Originalwerke die Verfertigung der Abgüsse beförderten, oder auch nur erleichterten. Jede Akademie der zeichnenden Künste sollte eine vollständige Samlung der besten Antiken haben, und würde sie auch haben, wenn nicht die Abformung so ofte gehindert würde. Ludwig der XIV. hatte das unermeßliche Ansehen, worinn er sich durch seine Macht gesetzt hatte, bey nahe ganz nöthig, um für seine Academie die Abgüsse der vornehmsten Antiken, die in Rom sind, zu erhalten, und Friedrich der I. in Preussen mußte beträchtliche Summen verwenden, um nur einige der vornehmsten Antiken für die Mahlerakademie in Berlin abformen zu lassen, welche doch hernach durch einen unglücklichen Brand verlohren gegangen.

Abgüsse von kleinen Werken, von geschnittenen Steinen und Müntzen, sind leichter zu haben. Viele Besitzer der Originale haben sich ein Vergnügen daraus gemacht sie dazu herzugeben und der unermüdete Fleis einiger Liebhaber, nebst der Begierde zu gewinnen, verschiedener Kunsthändler, haben solche Abgüsse ungemein vermehrt. Man kann itzt in Italien um eine mäßige Summe Geldes viele tausend Schwefelabgüsse von geschnittenen Steinen haben. Es wäre unbillig wenn wir hier nicht der ruhmwürdigen Bemühungen des verdienstvollen Lipperts, in Dreßden gedächten. Dieser rechtschaffene Mann hat mit bewunderungswürdiger Arbeitsamkeit eine beynahe unzählige Menge Abdrücke von Antiken Steinen und Münzen aus allen Cabinetten von Europa zusammen gebracht. Durch die glückliche Erfindung einer Masse, welche sowol dem Gyps, als dem Schwefel, weit vorzuziehen ist, hat er sich in Stand gesetzt jedem Liebhaber, der es verlangt, seine Sammlung, oder eine Auswahl derselben, um eine mäßige Summe mitzutheilen. Mit dem Geschmak des feinsten Kenners hat er aus seiner Sammlung über Zweytausend der schönsten Stücke ausgesucht, sie in eine fürtreffliche Ordnung gebracht und in Europa ausgebreitet: so daß man sie itzt mit der Leichtigkeit haben kann, mit welcher man Bücher aus andern Ländern kommen läßt. Es ist zu wünschen, daß Herr Lippert eine ähnliche Sammlung antiker Münzen verfertigen und eben so ausbreiten möchte.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 3-4.
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