Beschreibung

[154] Beschreibung. (Beredsamkeit; Dichtkunst)

Eine besondere Gattung der Rede, wodurch die Beschaffenheit einer Sache umständlich angezeiget wird. Es kommen so wol in der Beredsamkeit, als in der Dichtkunst Fälle, Sachen zu beschreiben, vor, wo die Beschreibungen wichtig sind, und wol überlegt werden müssen. Daher pflegen die Lehrer der Redner und der Dichter die Beschreibung als eine zur Kunst gehörige Sache in besondere Betrachtung zu nehmen.

Die Beschreibung betrifft entweder die allgemeine Beschaffenheit einer Gattung, oder die besondere Beschaffenheit eines einzelen Dinges an. Im erstern Fall vertrit sie die Stelle einer Erklärung, im andern Fall ist sie ein Gemählde, wodurch wir die Beschaffenheit einer geschehenen oder würklich vorhandenen Sache erkennen.

Die erstere Art der Beschreibung kommt in solchen Reden vor, wo man aus allgemeinen Begriffen beweisen, oder den Zuhörer durch Schlüsse überzeugen will. Jeder Beweis über die Beschaffenheit einer Sache muß nohtwendig aus allgemeinen Begriffen hergeleitet werden. Wer von einer Handlung beweisen will, daß sie gerecht oder ungerecht sey, muß den Beweis aus der Natur der Gerechtigkeit hernehmen. Der Philosoph bestimmt die allgemeine Natur der Sachen durch Erklärungen. Diese schiken sich selten für den Redner, er giebt sie durch Beschreibungen zu erkennen. Die Erklärung giebt das Wesen der Sache zu erkennen, die Beschreibung aber legt von dem Wesen der Sache nur so viel an den Tag, als in dem Falle, wo sie gebraucht wird nöthig ist. Daher sagt Cicero: Vocabuli sententia, breviter et ad utilitatem causae accomodate, describetur. Von dieser Art der Beschreibung ist in dem Artikel Beweisgründe, gesprochen worden.

Die andre Art der Beschreibung zeiget die Beschaffenheit einer vorhandenen oder geschehenen Sache an. Sie ist ein Gemähld, wodurch etwas, als gegenwärtig vor Augen gelegt wird. Sie kommt bey Rednern und Dichtern ofte vor und theilt sich wieder in zwey Arten, da sie entweder die Beschaffenheit einer auf einmal vorhandenen Sache, z. B. einer Gegend; oder einer sich nach und nach äußernden Sache, z. E. einer Begebenheit, ausdrükt. Die erstere Art kommt fast in allen Stüken mit einem Gemähld überein, und bekommt also auch gar ofte den Namen eines Gemähldes. Bey Verfertigung einer solchen Beschreibung aber stoßen dem Redner und dem Dichter Schwierigkeiten auf, die der Mahler nicht hat. Dieser stellt das, was auf einmal in die Augen fällt, auch auf einmal vor; jene können es nicht anders, als nach und nach vorstellen: zu dem sieht das Auge unzählige Dinge, die die Rede nicht beschreiben kann, wenn sie nicht höchst langweilig werden soll. Dabey aber muß der Redner, so wie der Dichter, sich an die Regeln halten, die dem Mahler wegen der Anordnung und Gruppirung seines Gemähldes vorgeschrieben sind. Eine solche Beschreibung ist allemal eine sehr schweere Sache und gelingt nur großen Rednern und Dichtern. Es ist deswegen denen, die sich auf die redenden Künste legen, sehr zu rathen, daß sie sich fleißig in solchen Beschreibungen üben. In Beschreibungen von Personen, ihrem Ansehen, ihrer Stellung und Haltung kann Homer zum Muster genommen werden, weil kein Mensch darin glüklicher ist, als er. In Beschreibung der Gegenden könnten aus dem Livius vollkommene Muster angeführt werden; eben so glüklich ist er in Beschreibungen von der Lage gewisser Sachen, z. E. der Stellung zweyer Heere beym Anfang einer Schlacht. Höchst wichtig und auch überaus schweer sind die Beschreibungen gewisser Lagen bey Begebenheiten, da man verschiedene Personen nach dem[154] Interesse, welches jeder an der Handlung nimmt, nach den besondern Empfindungen, die jeder dabey fühlt, nach jedes Stellung und Gebehrdung dabey, so zu beschreiben hat, daß aus dieser Beschreibung ein vollkommenes Gemähld entstehe. Dieses ist eine Hauptsache in der Kunst des epischen Dichters. Aber auch dem Redner ist sie bey gar viel Gelegenheiten nöthig; denn bey Erzählung der geschehenen Sachen geben solche Gemählde bisweilen den größten Nachdruk und die stärkste Rührung.

Weniger schweer sind die Beschreibungen solcher Gegenstände, die sich nach und nach entwikeln, wenn nämlich nicht allzu viel Dinge auf einmal geschehen; denn in diesem Fall ist die Beschreibung unstreitig am schweersten; wie z. E. die Beschreibung einer großen Schlacht, die Beschreibung eines, ein ganzes Land verwüstenden, Zufalls, einer Ueberschwemmung, einer Pest, eines Erdbebens. An dergleichen Beschreibungen können nur Genie der ersten Größe sich mit Hoffnung eines glüklichen Erfolges wagen.

Wer diese Materie und die besonderen Kunstgriffe der Beschreibung ausführlich studieren will, der wird in Bodmers Werk von den poetischen Gemählden die vornehmsten Theile dieser schweeren Kunst entwikelt finden. Hier merken wir nur an, daß die Beschreibung ein und eben derselbigen Sache nach den verschiedenen Absichten des Redners und des Dichters von ganz verschiedener Beschaffenheit seyn müsse. Will man durch die Beschreibung unterrichten, so muß sie ganz anders seyn, als wenn man rühren, oder belustigen will. Der Redner oder Dichter muß sich allemal, so wie der Mahler, den Zwek des Gemäldes, den bestimmten Eindruk, den es machen soll, so lebhaft als möglich vorstellen, damit das Gepräge seiner Beschreibung dem Charakter der Sachen genau angemessen sey.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 154-155.
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