Grotte

[499] Grotte. (Baukunst)

Gebäude, die in Gärten angebracht werden und die aus Nachahmung natürlicher Hölen, die bisweilen in den Gebürgen angetroffen werden, entstanden sind. Die natürlichen Grotten oder Berghölen, gehören unter die Seltenheiten der Natur, die man mit Vergnügen und einiger Verwundrung sieht: und da die Gärten eine Nachahmung würklicher Gegenden seyn sollen1, so stehen die künstlichen Grotten allerdings, wenn sie nur am rechten Ort angebracht und wol erfunden sind, sehr gut darin. Aber wie überhaupt ein allzugekünstelter Geschmak die Gartenkunst mehr, als irgend eine andre Kunst, verdorben hat, so verdienen auch die wenigsten Grotten einige Aufmerksamkeit. Die erste Eigenschaft der Grotte ist, daß sie natürlich sey. Wenn man also schon von außen anstatt großer und roher Felsen, so wie sie in Wildnissen angetroffen werden, zierlich ausgehauene Säulen, und nach den Regeln der Kunst gemachte Gesimse und andre Zierrathen der Baukunst antrifft, so verschwindet so gleich der Begriff der natürlichen Grotte. Findet man aber [499] inwendig ein völlig regelmäßiges Zimmer, so wird auf einmal der Begriff einer natürlichen Grotte ganz ausgelöscht, und alle Muscheln und Corallen und Glasschlaken, womit die Wände bekleidet sind, dienen zu nichts, als den Begriff sehr mühesamer Kleinigkeiten zu erweken. Nicht der Verzierer, der gewohnt ist, auf Gerathewol artige Kleinigkeiten zusammen zu setzen, sondern nur der Baumeister, welcher der größten Baumeisterin, der Natur selbst, das Große der Kunst abgelernt hat, ist im Stande auch in diesem Stük den Geschmak wahrer Kenner zu befriedigen.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 499-500.
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