Sonnet

[1095] Sonnet. (Dichtkunst)

Ein kleines lyrisches Reimgedicht, das sich vorzüglich durch seine äußere Form von andern unterscheidet. Es besteht aus vier Strophen, davon die zwey ersten von vier, die beyden andern von drey Versen sind, so daß das Ganze vierzehen Verse hat. Die Reimen der ersten Strophe müssen eben so seyn, wie in der zweyten, und der erste Vers muß nicht nur mit dem vierten, sondern auch mit dem fünften; der zweyte mit dem dritten und auch mit dem sechsten; der dritte mit dem zweyten und siebenden, und der vierte wieder mit dem achten reimen. In der dritten Strophe reimen die beyden ersten Verse; hernach kann der Dichter die vier übrigen Reime ordnen, wie er will.

Dieses hat so ziemlich das Ansehen einer poetischen Tändeley. Bodmer vergleicht es scherzend mit dem Bett des Prokrusts; denn der Dichter muß seine Gedanken in die Form des Sonnets hineinzwingen, und sie also bald in die Länge streken, bald abkürzen.

Man hat heroische und verliebte Sonnete, auch einige moralischen Inhalts. Bey uns ist es völlig in Abgang gekommen; aber in Italien scheinet man noch darein verliebt zu seyn. Ohne Zweifel hat der unnachahmliche Petrarcha dieses Gedicht seinen Landsleuten so schäzbar gemacht.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 1095.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika