Antigone

[51] Antigone (Gr. M.),

1) Tochter des Oedipus, Enkelin des Laius. Dieser Letztere, mit Jocaste vermählt, ward durch das Orakel gewarnt, dass, wenn er einen Sohn bekommen sollte, dieser ihn um's Leben bringen würde. Laius liess daher, als ihm seine Gemahlin einen Sohn geboren hatte, diesen aussetzen; er wurde von Hirten gefunden und Oedipus genannt, und was er am Vater vielleicht nie begangen hätte, das beging der Fremdling an dem unerkannten Fremdling, der ihm in einem Hohlwege begegnete und, eingedenk seiner Königswürde, mit rauhem Ungestüm Entfernung forderte. Dem Laius war ferner prophezeit worden, sein Sohn werde die eigene Mutter ehelichen. Als die furchtbare Sphinx Theben verwüstete, setzte Creon, der Jocaste Bruder, welcher im Namen der verwittweten Königin regierte, die Hand derselben und ihre Krone demjenigen zum Preise aus, der das Räthsel der Sphinx lösen und das Land von ihr befreien würde. Oedipus erfüllte die Bedingung, und bestieg mit der eigenen Mutter das Brautbett, eine Verbindung, der vier Kinder, Eteocles, Polynices, Ismene und A. entsprangen. Durch den alten Diener, der ihn ausgesetzt hatte, offenbarte sich Alles; man entsetzte sich vor den geschehenen Freveln; - Oedipus stach sich selbst die Augen aus; doch man vertrieb ihn, trotz der harten Busse, aus Theben; er verfluchte sein ganzes Geschlecht, und verliess, geleitet von seiner Tochter A., das Reich, sich nach Colonus bei Athen wendend, wo er mit den Göttern versöhnt starb. - Die kindliche A., welche dem Vater in's Elend gefolgt war, stand nun rath- und führerlos da; sie kehrte traurig nach Theben zurück zu Eteocles, welcher, indem bereits des Vaters Fluch zur Erfüllung reifte, seinen Bruder Polynices vertrieben hatte. Hämon, der Sohn des Creon, entbrannte in heftiger Liebe zu ihr, doch durften beide ihre Neigung nicht zeigen, weil des Geliebten Vater der Verbindung nicht gewogen schien. Unterdessen brach der Krieg der sieben Helden gegen Theben los; Polynices und Eteocles waren beide im Wechselmorde gefallen; Creon bemächtigte sich des Reiches und verbot bei Todesstrafe, die gefallenen Argiver zu begraben. A. achtete des Verbotes nicht, und gab dem geliebten Bruder ein friedliches Grab. Creon trug seinem Sohne Hämon auf, sie zu tödten, welcher zwar die Geliebte zu retten wusste, so dass sie, bei einem Schäfer verborgen, seine Gattin ward und ihn mit einem Sohne beschenkte, doch nur, um sie später noch als Opfer der Tyrannei seines Vaters fallen zu sehen. Der A. Sohn fand sich nämlich bei den feierlichen Kampfspielen ein, ward an einem in seiner Familie erblichen Zeichen erkannt, und so wurde auch seine Mutter entdeckt. Diese nun übergab Creon schonungslos dem Tode, obgleich Hercules selbst für ihr Leben bat, und Hämon erstach sich auf ihrem Grabe.

2) A., Tochter des Eurytion, Königs der Myrmidonen in Thessalien. Zu ihm kam Peleus, nachdem er, ohne es zu wollen, seinen Halbbruder Phocus ermordet, und liess sich von demselben mit den Göttern versöhnen. Eurytion gewann den jungen Helden lieb und gab ihm seine Tochter A. zur Gattin, und mit ihr den dritten Theil seines Landes. Bald darauf gingen Peleus und Eurytiou zur calydonischen Jagd, und hier hatte der junge Held das Unglück, einen unfreiwilligen Mord zu begehen: indem er nach dem Eber warf, traf er seinen Schwiegervater. Desshalb musste er abermals[51] fliehen, und kam zu Acastus, dem König von Jolcus, der abermals die Blutschuld von ihm nahm. Des Königs Gemahlin Astydamia verliebte sich in ihn, und da er ihren Anträgen widerstand, schrieb die Königin an die entfernte A., Peleus stehe im Begriff, sich mit Acastus' Tochter Sterope zu vermählen. Der Brief war für das liebende Weib ein tödtliches Gift: - sie erhängte sich und Peleus fand nur Trost in einem zarten Kinde, das sie ihm hinterlassen, in seiner Tochter Polydora.

3) A., Tochter des Pheres, Gattin des Pyremus, von welchem sie einen Sohn, den Argonauten Asterion, empfing.

4) A., des Königs Laomedon von Troja Tochter, war sehr schön, aber besonders stolz auf ihr überaus reiches, langes Haar, wesshalb sie sich höher schätzte als Juno, von der sie daher in einen Storch verwandelt wurde.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 51-52.
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