Bogdo Lama

[108] Bogdo Lama (Mong. Rel.), die Personification, die ewig dauernde Menschwerdung des Gottes Xaka oder Fo. Er ward 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung von einer reinen Jungfrau ohne Erzeugung geboren, verbreitete eine gereinigte Lehre, und ging lebendig in den Himmel ein, sein Geist aber senkte sich auf einen unschuldigen Knaben, welcher seitdem, in stets sich wiederholender Palingenesie, den B. L. vorstellt. Die Mitte von Asien, Kaschmir als die westliche, Japan von Niphon als die östliche Grenze, ist der Sitz des weit verbreiteten Lamaismus, welcher früher dadurch heftige Religionskriege verursachte, dass sich mehrere Personen für die gottbegeisterten Repräsentanten des Fo ausgaben; doch jetzt regieren diese alle friedlich neben einander, jeder in seinem Reiche als der sichtbare Gott verehrt, jeder überzeugt, dereinst alle Anderen seine Unter-Lama's zu nennen, so auch der B. L., von welchem, eine Weissagung verkündet, er werde über das Weltmeer nach dem paradiesischen Lande Schambala gehen, während der Dalai Lama alle westlich gelegenen Länder unterjochen wird; endlich besiegt aber B. L. diesen letzten Nebenbuhler, und regiert alle Völker. Der seit Jahrtausenden lebende B. L. pflanzt, wenn er alt und hinfällig wird, sein Ich auf einen andern jüngern fort, welcher diesen Gott nunmehr in sein Innerstes aufnimmt, als Lama verehrt wird, sich anbeten lässt, durch Kopfnicken segnet, und eine durchaus passive Rolle spielt, bis er, alt geworden, wiederum den inwohnenden Geist auf einen neuen Körper überträgt. Der B. L. gebietet über zahlreiche Mönchs- und Nonnen-Klöster, sowie über weltliche Geistliche, und sein Reich ist eine wohleingerichtete Hierarchie, in welcher die Priester Beichte hören, Segen spenden, mit dem Fegfeuer oder mit der Hölle drohen, wie sie mit dem Paradiese und der Fürbitte bei Heiligen belohnen; in welcher sich überhaupt manche Aehnlichkeit mit gewissen Lehren und Gebräuchen der christlichen Kirche nachweisen lassen, was man dadurch erklären will, dass 250 Jahre nach Christi Geburt Manes, und später (800) die vertriebenen Nestorianer sich nach Asien gewendet, und seit 1000 Jahren ihre Lehre dort verbreitet haben, so dass der Lamaismus für ein ausgeartetes Christenthum anzusehen wäre.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 108.
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